Perspektive

Netzneutralität und die Kampagne zur Internetzensur

Die Schritte der Trump-Regierung zur Aufhebung der Netzneutralität, die am vergangenen Mittwoch eingeleitet wurden, markieren einen Wendepunkt in den Angriffen der US-Regierung und der Großkonzerne auf das freie und offene Internet. Sie bereiten einer umfassenden staatlichen Zensur oppositioneller Nachrichten und Inhalte im Internet den Weg.

Unter dem derzeit geltenden Gesetz, das von zahlreichen Gerichtsurteilen bestätigt und im Jahr 2015 von der US-Kommunikationsbehörde Federal Communications Commission (FCC) erneut bekräftigt wurde, ist es Internetdienstanbietern (Internet Service Provider, ISP) untersagt, den Zugang ihrer Nutzer zu Websites oder Diensten zu blockieren oder einzuschränken.

Doch der neue Gesetzesentwurf, der am Mittwoch vom Vorsitzenden der FCC Ajit Pai veröffentlicht wurde und erwartungsgemäß im Dezember verabschiedet wird, würde das seit Jahrzehnten geltende Prinzip, Internetdienste als öffentliche Dienstleistung zu behandeln, aufheben.

Riesige amerikanische Internet-Provider wie Comcast, Charter, AT&T und Verizon hätten das Recht, den Internetverkehr nach eigenem Ermessen zu blockieren, zu drosseln oder zu fördern. Das würde bedeuten, dass sie beispielsweise den Zugang zu kritischen politischen Nachrichten-Websites wie der World Socialist Web Site oder WikiLeaks nach eigenem Gutdünken begrenzen oder blockieren könnten. Davon wären auch Peer-to-Peer-Filesharing-Netzwerke betroffen, die von Nachrichtenseiten früher genutzt wurden, um die Zensur zu umgehen.

Die Abschaffung der Netzneutralität wird erhebliche wirtschaftliche Folgen haben. Wenn die staatliche Regulierung für Internetkonzerne weitgehend aufgehoben wird, können die Provider ihre Monopolstellung ausnutzen, um die Preise zu erhöhen. Während die Mehrheit der Bevölkerung dann mit einem langsamen und größtenteils zensierten Internet abgespeist wird, gilt die uneingeschränkte Kommunikations- und Informationsfreiheit im Internet nur noch für diejenigen, die sich exorbitante Premium-Preise leisten können.

Da Content-Provider gezwungen wären, für einen Premiumzugang zu zahlen, droht die Aufhebung der Netzneutralität auch die bestehenden Monopole in der Kommunikationsbranche zu festigen. Der Zugang zu kleineren Unternehmen und von Nutzern getragenen Websites und Diensten, die nicht die finanziellen Mittel haben, um mit den großen Internet- und Medienkonzernen zu konkurrieren, würde hingegen eingeschränkt. Die Provider könnten ungehindert die Kosten für kleinere Websites und Anbieter erhöhen und sie so aus dem Geschäft drängen.

Die großen Medienkonzerne empören sich bereits seit Jahren über unabhängige Blogs, Websites und andere Nachrichtenquellen, die ihnen die Leser streitig machen. Zweifellos werden sie angesichts dieses Urteils versuchen, ihr wirtschaftliches Gewicht einzusetzen, um die Kontrolle über den politischen Diskurs zurückzugewinnen.

Die Konzentration der Macht in den Händen einiger weniger Konzerne ist enorm. Die vier größten Telekommunikationsunternehmen in den USA kontrollieren mehr als 75 Prozent des Highspeed-Internetservice im Land. Mehr als die Hälfte aller amerikanischen Haushalte haben nur Zugang zu einem Provider, die meisten anderen nur die Wahl zwischen zwei.

Diese riesigen Monopolunternehmen haben mit ihrer Zusammenarbeit bei der illegalen Massenüberwachung durch den US-Geheimdienst NSA bereits bewiesen, dass sie die Interessen der Regierung vertreten. Jetzt könnten sie das Recht erhalten, den Zugang zu ganzen Websites zu blockieren.

Die großen Social-Media-Konzerne und Content-Verteiler wie Facebook oder Google behaupten zwar, sie lehnten diese Pläne ab. Doch sie sorgen sich nur darum, dass die Abschaffung der Netzneutralität die Internet-Provider stärken könnte, die dann ihren Unternehmen Konkurrenz machen.

Facebook, Twitter und Google, das auch YouTube betreibt, haben deutlich gemacht, dass sie Internetzensur, das wichtigste Ziel bei der Abschaffung der Netzneutralität, uneingeschränkt unterstützen.

In der vergangenen Woche kündigte Facebook an, es werde Nutzer informieren, wenn sie Inhalte von Accounts lesen, die laut amerikanischen Geheimdiensten „russische Propaganda“ verbreiten. Damit schaffen sie eine schwarze Liste von Medien, die kritische Nachrichten und Analysen veröffentlichen.

Eric Schmidt, der Vorstandsvorsitzende des Google-Mutterkonzerns Alphabet, kündigte daraufhin an, Google werde RT, Sputnik und „derartige Seiten“ in seiner Suchmaschine und seinen Nachrichtenfeeds „herabstufen“. Mit dieser offenen Aussage zeigt er, dass er nicht nur mit Russland verbundene Seiten, sondern faktisch jede politische Opposition zensieren will. Schmidts Äußerungen bestätigen die Warnungen der World Socialist Web Site, dass Google versucht, den Zugang zu Websites auf der Grundlage politischer Kriterien einzuschränken.

YouTube hat inzwischen eine Zensurkampagne begonnen, Videos gelöscht und Kanäle, die „extremistische“ Ansichten verbreiten, verboten oder demonetisiert.

Die Abschaffung der Netzneutralität spielt eine entscheidende Rolle in dieser Zensurkampagne. Davor konnten Nutzer diese Formen der Zensur umgehen, indem sie ihre Informationen auf kleineren und offeneren Plattformen suchten und teilten.

Doch mit der Aufhebung der Netzneutralität werden die Social-Media- und Streaming-Monopole ihre kleineren Konkurrenten in den Ruin treiben, indem sie Vereinbarungen mit den Providern treffen. Auf diese Weise bleiben die Nutzer an Internetplattformen gebunden, die sich immer mehr zu Sprachrohren der staatlichen Propaganda entwickeln.

Milliarden Menschen auf der ganzen Welt benutzen das Internet, gerade weil es einen freien und uneingeschränkten Zugang zu und Austausch von Informationen versprach. Oppositionelle und sozialistische Organisationen, die durch das faktische Monopol der großen Zeitungen, Fernseh- und Radiosender jahrzehntelang aus dem öffentlichen Diskurs ausgeschlossen waren, fanden ein Publikum, das auf der Suche nach Informationen war, die von den zunehmend diskreditierten, etablierten Medien unterdrückt wurden.

Im Internet wurden zahlreiche Lügen der US-Regierungen entlarvt ­– von den „Massenvernichtungswaffen“ im Irak, mit denen sie die Militärintervention rechtfertigten; über die Unterstützung für islamistische Organisationen, die sie angeblich im „Krieg gegen den Terror“ bekämpften; bis hin zur Massenüberwachung und dem korrupten und oligarchischen Charakter der amerikanischen Politik.

Unter den Bedingungen der wachsenden Kriegsgefahr und der zunehmenden sozialen Ungleichheit wird der freie Zugang zu alternativen Informationsquellen jetzt als unzumutbare Bedrohung betrachtet, der deshalb geschlossen und unterdrückt werden soll.

Internetkommunikation ist kein Luxusgut, sondern ein wichtiges soziales Bedürfnis und sollte als öffentliche Dienstleistung behandelt werden. Doch wenn drei US-Milliardäre so viel besitzen wie die untere Hälfte der amerikanischen Bevölkerung und das gesamte soziale und wirtschaftliche Leben von einer schrumpfenden Zahl mächtiger Konzerne kontrolliert wird, verkommen die Grundrechte ­– sei es das Recht auf Kommunikation oder das Recht auf grundlegendste öffentliche Dienstleistungen ­– zu Privilegien einer immer schmaleren Schicht der Bevölkerung, die sich das leisten kann.

Die Forderung nach den grundlegendsten sozialen Rechten, einschließlich des Rechts auf Presse- und Meinungsfreiheit, gerät immer mehr in Konflikt mit dem kapitalistischen System.

Die Verteidigung des freien und offenen Internets ist untrennbar verbunden mit dem Kampf gegen den Kapitalismus auf der Grundlage der unabhängigen und internationalen Mobilisierung der Arbeiterklasse für ein sozialistisches Programm.

Die riesigen, aufgeblähten Internetkonzerne, die mittlerweile ihre Hauptaufgabe darin sehen, Informationen zu blockieren statt zu verbreiten, müssen enteignet und in öffentliche Versorgungsunternehmen umgewandelt werden, sodass die gesamte Weltbevölkerung Zugang zum gesammelten Wissen der Welt hat.

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