Trumps Drohungen gegen Iran verschärfen deutsch-amerikanischen Konflikt

In einer martialischen Rede im Weißen Haus hat US-Präsident Donald Trump neue Sanktionen gegen den Iran verkündet und mit der Aufkündigung des Atomabkommens gedroht. „Der Iran hält sich nicht an den Geist der Abmachung“, erklärte Trump gestern Abend. Es werde deshalb „neue, harte Sanktionen“ gegen die iranischen Revolutionsgarden geben, die Trump als „korrupte Terrorstreitkräfte“ bezeichnete.

Die US-Regierung werde den im Jahr 2015 ausgehandelten Deal nicht zertifizieren und es dem Kongress überlassen, ihn zu „verbessern“. Sollte sich der Iran mit dem US-Kongress und den anderen nicht einig werden, dann werde Washington das Abkommen auflösen. „Der Deal steht unter ständiger Beobachtung“, drohte Trump, „und wir können ihn jederzeit auflösen. Wie wir in Nordkorea gesehen haben: Je länger man eine Bedrohung ignoriert, desto größer wird sie.“

Trumps aggressives Vorgehen gegen den Iran hat in Berlin heftige Reaktionen ausgelöst. Kurz nach seiner Rede trat der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel vor die Kameras und erklärte: „Das ist ein schwieriges und aus unserer Sicht auch ein gefährliches Signal. Das Abkommen mit dem Iran hat zum ersten Mal gezeigt, dass es möglich ist, durch Verhandlungen einen Krieg zu verhindern und vor allen Dingen zu verhindern, dass ein Land sich atomar bewaffnet.“

Bereits zuvor hatten Gabriel und andere führende Politiker und Medien vor den weitreichenden militärischen, politischen und wirtschaftlichen Konsequenzen gewarnt. „Eine Kündigung des Iran-Abkommens würde den Nahen Osten zur heißen Krisenregion machen“, warnte Gabriel in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Auf die Frage, ob Trump „in Sachen Iran mit dem Weltfrieden“ spiele, erwiderte er: „Es wäre ein verheerendes Signal für die atomare Abrüstung. Einige Staaten könnten ein Scheitern des Iran-Abkommens als Signal verstehen, sich selbst möglichst schnell mit Atomwaffen zu versorgen.“

Es gehe dabei „um weit mehr als um den Iran“ fügte Gabriel hinzu. „Es wäre völlig illusorisch, Nordkorea zum Abschluss eines Sicherheitsvertrages zu bewegen, wenn das Iran-Abkommen platzen würde.“ Die Welt werde „nicht sicherer und friedfertiger, wenn wir den gefährlichsten Teil, also die Atomwaffen, wieder scharf machen.“ Das Abkommen mit dem Iran dürfe „nicht aufgegeben werden“, weil dadurch die „unmittelbare Gefahr eines neuen Kriegs […] zurück wäre.“

Gabriels Warnungen haben nichts mit Pazifismus zu tun. Als führender Sprecher des deutschen und europäischen Militarismus ist sein erklärtes Ziel der Aufbau einer von Berlin dominierten europäischen Armee, die in der Lage ist, ihre globalen Interessen auch unabhängig von der Nato und den USA und notfalls gegen letztere durchzusetzen.

„Europas Sicherheit liegt in Europas eigener Verantwortung“, schreibt der Sozialdemokrat in seinem aktuellen Buch „Neuvermessungen“. „Wir müssen außen- und sicherheitspolitisch strategie- und handlungsfähig werden, denn wir sind es noch nicht ausreichend. Dazu gehört, dass wir unsere europäischen Interessen definieren und unabhängig von den USA artikulieren. Dieser Eigensinn erfordert in gewissem Maße auch die Emanzipation von Weichenstellungen, die in Washington vorgenommen werden.“

Mit Trumps neuer Iran-Strategie sehen Gabriel und weite Teile der herrschenden Klasse in Deutschland die Zeit für gekommen, diesen Anspruch in die Tat umzusetzen. Man müsse den Amerikanern sagen, „dass ihr Verhalten uns Europäer in der Iran-Frage in eine gemeinsame Position mit Russland und China gegen die USA bringt“, sagte Gabriel. Wie die europäischen Unterzeichnermächte Deutschland, Frankreich und Großbritannien lehnen auch Peking und Moskau eine Aufkündigung des Iran-Abkommens ab.

Selbst Politiker und Medien, die bislang eher pro-amerikanisch waren und die Kriege der USA unterstützt haben, sprechen nun offen von einem Bruch mit den USA. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, Norbert Röttgen(CDU), erklärte im ZDF-Morgenmagazin, dass Trump „die Vertragstreue der USA in Frage“ stelle. „Das ist sehr fundamental. Die Europäer werden dem nicht folgen. Wir werden einen transatlantischen Keil zwischen USA und Europa haben.“

Im Leitartikel in der aktuellen Ausgabe der Zeit heißt es: „Amerikas europäische Partner, sogar die Briten, sind sich […] einig: Der Vertrag muss eingehalten werden. Sollte Trump ihn brechen, dann wäre das auch ein Bruch mit den Partnern. Die Europäer müssen dann allein versuchen, an der diplomatischen Einhegung des Unruhestifters Iran festzuhalten. Fatalerweise ohne Amerika – an der Seite Chinas und Russlands.“

Das Auswärtige Amt ließ keinen Zweifel daran, dass hinter dem Aufbrechen des transatlantischen Bündnisses grundlegende wirtschaftliche und geostrategische Konflikte stehen. Auf die Frage „Müsste die Antwort auf Trumps Iran-Politik also in deutlich mehr Investitionen aus Europa im Iran liegen?“ erwiderte Gabriel: „Ja. Aber wenn die USA damit drohen, wirtschaftliche Investitionen im Iran mit Strafaktionen gegen die betreffenden Unternehmen zu ahnden, dann wird sich bei den Investitionen nicht viel tun. Das kann nicht unser Interesse sein.“

Berlin hat wie Paris und London milliardenschwere Verträge mit dem Iran eingefädelt und sieht Trumps Kurs als Bedrohung für seine Bemühungen, im Iran neue Energiequellen und Absatzmärkte für die deutsche Exportwirtschaft zu erschließen. So hat die deutsche Wirtschaft große Hoffnungen in das Iran-Abkommen und die damit verbundene Aussetzung der Sanktionen im Januar 2016 gesetzt. Berichten zufolge erwartete der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) innerhalb von zwei Jahren eine Verdoppelung des Handelsvolumens von 2,4 Milliarden Euro (2015) auf fünf Milliarden und innerhalb von fünf Jahren sogar eine Erhöhung auf zehn Milliarden Euro.

Eine Rückkehr zum US-diktierten Sanktionsregime wäre „ein Schlag ins Kontor der sich wieder deutlich belebenden Handelsbeziehungen“, sagte der Außenwirtschaftschef der DIHK, Volker Treier, der Deutschen Presse-Agentur. Die deutsche Wirtschaft habe „sich darauf verlassen, dass die internationale Vereinbarung und damit die neue erleichterte Sanktionslage gilt“. Schließlich habe der Iran die zweitgrößten Erdgas- und viertgrößten Erdöl-Reserven weltweit und die Erschließung dieses Potenzials würde bei neuen Sanktionen „sehr schwer fallen“.

Die Arbeiterklasse darf diese gefährlichen Entwicklungen nicht unterschätzen. Wie in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts mündet der Wettstreit zwischen den imperialistischen Mächten um Absatzmärkte und Rohstoffe erneut in Handelskrieg und Krieg. Nur eine politisch bewusste Intervention der Arbeiterklasse auf der Grundlage eines sozialistischen Programms kann den Kriegstreibern Einhalt gebieten und die Gefahr einer erneuten Katastrophe abwenden.

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