TV-Duell zwischen Merkel und Schulz

Flüchtlingshetze, innere Aufrüstung und wachsende Spannungen mit den USA

Das groß angekündigte TV-Duell zwischen der amtierenden Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrem sozialdemokratischen Herausforderer Martin Schulz am Sonntagabend war ein politisch abstoßendes Schauspiel.

Merkel und Schulz stimmten in nahezu allen Fragen überein und plädierten unter anderem für ein schärferes Vorgehen gegen Flüchtlinge, mehr Polizei und eine aggressivere deutsche und europäische Außenpolitik. Fragen, die Millionen von Menschen bewegen – soziale Ungleichheit und Krieg –, wurden nur am Rande thematisiert. Die nach den Wahlen geplante und von beiden Kandidaten unterstützte massive Aufrüstung der Bundeswehr kam überhaupt nicht zur Sprache.

In den ersten 60 Minuten der insgesamt eineinhalbstündigen Debatte ging es ausschließlich um die Themen Flüchtlingspolitik und Türkei. Angetrieben von den vier Moderatoren Claus Strunz (Sat1), Sandra Maischberger (ARD), Maybrit Illner (ZDF) und Peter Klöppel (RTL), ließen sich beide Kandidaten zu immer aggressiveren Aussagen gegen Flüchtlinge und die türkische Regierung hinreißen. Dabei attackierte Schulz die Kanzlerin wiederholt von rechts. Merkel habe im Jahr 2015 ohne Absprache mit anderen EU-Staaten die Grenze für Flüchtlinge geöffnet. Dass sie nun erkläre, „alles wieder genauso zu machen“, davon könne er nur abraten.

Merkel betonte, dass sie in enger Zusammenarbeit mit der SPD seit langem daran arbeite, Europa abzuschotten und die Flüchtlingsrouten zu schließen. Unter anderem lobte sie das jüngst unterzeichnete Migrationsabkommen mit dem ägyptischen Sisi-Regime, einer der brutalsten und blutigsten Militärdiktaturen weltweit. Dennoch ging Schulz das Plädoyer der Kanzlerin für mehr Abschiebungen nicht weit genug. „De Maizière führt das Innenministerium. Da können wir deutlich schneller werden“, erklärte er im Jargon der AfD und fügte hinzu: „Und die Hassprediger haben in diesem Land nichts zu suchen.“

Beim Themenbereich Außenpolitik überschlug sich Schulz regelrecht mit Drohungen gegen die mehrheitlich muslimische Türkei und ließ keinen Zweifel daran, dass er und die SPD auch in außenpolitischen Fragen rechts von Merkel stehen. „Ich bin entschieden anderer Auffassung, was den Umgang mit Herrn Erdogan betrifft“, polterte er. Die einzigen Worte, die der türkische Präsident verstehe, seien: „Jetzt ist Schluss.“ Als Kanzler würde er „klare Kante“ zeigen, alle Zahlungen an die Türkei stoppen und „die EU-Beitrittsverhandlungen abbrechen“.

Wie verlogen dabei Schulz Gefasel von Demokratie und Menschenrechten war, zeigte sich daran, dass er genauso wie Merkel den Flüchtlingsdeal mit Ankara verteidigte. Dieses schmutzige Abkommen, das die Bundesregierung im Namen der Europäischen Union bereits im Herbst 2015 mit Erdogan ausgehandelt hat, ist Bestandteil der EU-Abschottungspolitik und hindert Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten in Syrien, dem Irak und Afghanistan seitdem an der Weiterreise nach Europa.

Die trotz des jüngsten Atomtests nur kurze Diskussion über die Nordkorea-Krise warf vor allem ein Schlaglicht auf die neuen deutschen Großmachtansprüche und die wachsenden Spannungen mit den USA.

„Ich hatte schon vor geraumer Zeit vorgeschlagen, dass die Europäer sich stärker engagieren müssen. Denn über eins müssen wir uns im Klaren sein: Die USA allein, unter diesem Präsidenten, werden das nicht mehr stemmen. Selbst die konstruktiven Kräfte in Washington wissen ja nicht mehr, wann der Präsident den nächsten Tweet raushaut und irgendwelche diplomatischen Möglichkeiten dadurch zerstört“, erklärte Schulz. Deutschland müsse sich deshalb mit den Gegnern des US-Präsidenten in Washington, mit den „mexikanischen Freunden“, mit Kanada und den EU-Partnern zusammenschließen, um gegen Trump vorzugehen.

Auch Merkel erklärte, dass es „schwerwiegende Differenzen mit dem amerikanischen Präsidenten“ gebe, pochte aber darauf, dass Deutschland die USA weiterhin als „Friedensmacht“ brauche. Sie lobte die Zusammenarbeit mit den USA in den Kriegen in Syrien und im Irak und Washingtons jüngste Ankündigung, die US-Truppen in Afghanistan aufzustocken. Das schmutzige Kalkül dahinter erklärte sie natürlich nicht. Die herrschende Klasse weiß genau, dass sie auf die US-Kriegsmaschinerie angewiesen ist, solange Berlin und die europäischen Mächte noch nicht in der Lage sind, die rohstoffreichen und strategisch wichtigen Regionen im Nahen Osten und in Asien ohne die Unterstützung Washingtons zu überfallen und auszuplündern.

Wie abgehoben die politische Elite und ihre Lakaien in den Medien von der Bevölkerung sind, zeigte sich im Block zum Thema „soziale Gerechtigkeit“. Die Moderatoren schwadronierten davon, wie gut doch die wirtschaftliche Lage in Deutschland sei und fragten Schulz, ob er „in einem anderen Land“ lebe, wenn er die Situation kritisiere. In Wirklichkeit ist Deutschland eines der sozial ungleichsten Länder der Welt, in dem 36 deutsche Milliardäre so viel Vermögen besitzen, wie die ärmere Hälfte der Bevölkerung. Etwa jeder sechste Einwohner Deutschlands ist arm, und jeder fünfte Beschäftigte arbeitet für einen Niedriglohn von weniger als 10 Euro die Stunde.

Wenn Schulz und Merkel etwas mehr Geld für Familien in Aussicht stellten und die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit oder prekärer Arbeitsverhältnisse versprachen, dann nur um von ihrer eigenen Verantwortung für die soziale Katastrophe abzulenken. Als die SPD mit Gerhard Schröder das letzte Mal den Bundeskanzler stellte, leitete sie mit der Agenda 2010 und den Hartz-Gesetzen den größten Sozialabbau in der deutschen Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg ein. In den letzten zwölf Jahren regierte die SPD acht Jahre lang zusammen mit Schäuble und Merkel und setzte sich in ganz Europa für eine Austeritätspolitik ein.

Im letzten Teil des „Duells“ sprachen sich beide Kandidaten unter dem Deckmantel des Kampfs gegen den Terrorismus für eine massive innere Aufrüstung aus. „Ich werde alles dafür tun, dass die Behörden fit werden. Wir müssen alle präventiven Maßnahmen ergreifen, und Gefährder zu erkennen und abzuschieben“, erklärte Schulz. Der Sozialdemokrat forderte 15.000 neue Polizeistellen und erinnerte daran, dass er selbst „der Sohn eines Polizeibeamten“ sei. Er wisse also, „was diese Menschen leisten“, und wolle „viel Geld investieren“.

Dieser Polizeistaatsoffensive wollte auch Merkel in nichts nachstehen. Sie wolle die Sicherheitsstandards in allen Bundesländern verbessern und „ein Musterpolizeigesetz“ einführen, so dass alle Polizisten in Deutschland die gleiche Ausrüstung und die gleichen „Instrumente“ hätten. Konkret erwähnte die Kanzlerin unter anderem die „entsprechenden Abhör- Datenerfassungsmöglichkeiten bei den sozialen Medien“ und die Möglichkeit der „Schleierfahndung“ und der „Videoüberwachung“. Das „Auslesen von Handys“ habe die Große Koalition bereits eingeführt.

Das im Kern rechte Programm von Merkel und Schulz wird von allen kapitalistischen Parteien unterstützt. Am Mittwochabend hatten sich bereits die Spitzen von Linkspartei, Grünen, FDP und AfD in einer Debatte für mehr Polizisten und mehr Geld für die innere Sicherheit ausgesprochen.

Umfragen zufolge konnte Schulz, der drei Wochen vor der Wahl mit maximal 24 Prozent in den Umfragen weit abgeschlagen hinter Merkel liegt, keinerlei Boden gut machen. Aber ganz unabhängig vom Ausgang der Wahl am 24. September wird die herrschende Klasse eine Regierung an die Macht zu bringen, die massiv aufrüstet, Sozialleistungen und Löhne kürzt und einen Polizeistaat errichtet. Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) ist die einzige Partei, die der Rechtsentwicklung entschieden entgegentritt und für eine sozialistische Antwort auf die globale Krise des Kapitalismus kämpft.

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