US-Präsident Donald Trump bestellte am Mittwoch sämtliche Senatoren zu einem Geheimtreffen ins Weiße Haus, Thema war ein möglicher Militärschlag gegen Nordkorea. Ein derartiges Treffen hat es in der Geschichte Amerikas noch nicht gegeben. Es ist ein eindeutiger Bruch mit den traditionellen Verfassungswerten und lässt Schlimmes erahnen.
Es ist nicht ungewöhnlich, dass Angehörige der Exekutive, auch Militär- und Geheimdienstvertreter, Mitglieder des Kongresses in nichtöffentlichen Sitzungen unterrichten. Doch die in der Verfassung verankerte Gewaltenteilung - zwischen Exekutive, Legislative und Judikative - sieht vor, dass die Exekutive vor die gewählten Volksvertretern tritt und ihnen Rede und Antwort steht. In diesem Fall lief es jedoch genau umgekehrt ab.
Als Präsident Franklin D. Roosevelt am 8. Dezember 1941 Japan den Krieg erklären wollte, hielt er im Kongress eine Rede, und am gleichen Tag erklärte dann das Parlament den Krieg. 76 Jahre später kommen die Senatoren ins Weiße Haus, um von der Militärführung über die Pläne für einen Krieg informiert zu werden, der mit oder ohne ihre Zustimmung stattfinden wird.
Das Treffen fand am Mittwochnachmittag in der Aula des Eisenhower Office Building neben dem Weißen Haus statt, das dafür vorübergehend in eine „Sensitive Compartmented Information Facility“, eine Einrichtung für die abgeschottete Informationsübermittlung, verwandelt wurde. Die Senatoren durften weder Telefone noch Mitarbeiter mitbringen.
Sie sprachen mit den höchsten Vertretern des Militär- und Geheimdienstapparats, u.a. mit dem ehemaligen Vier-Sterne-General und heutigen Verteidigungsminister James Mattis, mit Generalstabschef Joseph Dunford und dem Nationalen Geheimdienstdirektor Dan Coats. Auch Außenminister Rex Tillerson, der frühere Vorstandschef von ExxonMobil, war anwesend.
Zu Trumps Anwesenheit bei dem Treffen schrieb die Washington Post im Vorfeld: „Mitarbeiter des Kongresses deuteten an, dass Trump aufgrund der Nähe des Treffens durchaus 'vorbeischauen' und vielleicht sogar die Leitung des Treffens übernehmen könnte.“
Dass Trump den Senat ins Weiße Haus bestellt, passt zu der vom ihm im Amt des Präsidenten eingeführten Symbolik, die einem autoritären und diktatorischen Herrschaftsstil entspricht. Zu Trumps Amtseinführung wünschte das Weiße Haus eine Militärparade mit Panzern. Während seiner Antrittsrede nahmen Soldaten hinter dem neuen Präsidenten Aufstellung. Sie waren zuerst direkt im Blickfeld der Hauptkamera, danach wurden sie offensichtlich weggeschickt. Dieses außergewöhnliche und beispiellose Eindringen des Militärs in die Amtseinführung des künftigen Präsidenten wurde nie weiter erklärt.
Das Treffen im Weißen Haus am Mittwoch symbolisiert vor allem die Kontrolle des Militärs über den gesamten Staatsapparat. Mehr als ein Vierteljahrhundert ununterbrochene Kriegsführung hat die Macht und den politischen Einflusses des Militärs enorm gestärkt. Heute trifft eine kleine Gruppe von Verschwörern aus der herrschenden Klasse und der Militärführung Entscheidungen von größter Tragweite, darunter auch Entscheidungen über Militärschläge, die einen Weltkrieg auslösen könnten.
Eine öffentliche Debatte oder eine Kontrolle durch den Kongress wird nicht einmal mehr inszeniert. Der „tiefe Staat“ agiert hinter dem Rücken der Bevölkerung ohne Rücksicht darauf, dass die Arbeiterklasse und die Jugend weitere Kriege entschieden ablehnt.
Trumps Versammlung der Senatoren im Weißen Haus findet vor dem Hintergrund einer Verschärfung der militärischen Spannungen im Pazifik statt, bei denen Nordkorea im Mittelpunkt steht. Die Regierung droht bereits seit Wochen mit einem Präventivschlag gegen das verarmte Land, angeblich um den Bau einer Atomrakete zu verhindern, mit der Nordkorea die USA angreifen könnte. Die Militärführung ist befugt worden, wichtige Entscheidungen zu treffen, unter anderem darf sie den Einsatz der Massive Ordnance Air Blast (Moab)-Bombe anordnen, die Anfang des Monats über Afghanistan abgeworfen wurde.
Innerhalb des herrschenden Establishments gibt es keine „Friedensfraktion.“ Demokraten und Republikaner haben die aggressive und kriegerische Außenpolitik der Trump-Regierung unterstützt. Die ersten beiden Monate von Trumps Präsidentschaft waren geprägt von einer hysterischen Kampagne der Demokraten, die Trump als Putins „Schoßhund“ darstellten. Trumps Raketenangriff auf das mit Russland verbündete Syrien brachte ihm Beifall von beiden Parteien und den Medien ein, die Demokraten forderten sogar einen noch aggressiveren Einsatz für einen Regimewechsel in Syrien.
Kein einziger Senator hat auch nur angedeutet, er werde Widerstand gegen das Geheimtreffen im Weißen Haus leisten. Ebenso wenig hat einer von ihnen angekündigt, er werde nicht daran teilnehmen.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Die ununterbrochenen Kriege und die extreme soziale Ungleichheit haben der bürgerlichen Demokratie in den USA einen vernichtenden Schlag versetzt. Die Trump-Regierung mit ihrer offenen Verachtung für demokratische Rechte und ihren autoritären Methoden ist das Ergebnis eines jahrzehntelangen Niedergangs der amerikanischen Demokratie. Der Kongress ist gefüllt mit reichen und korrupten Handlangern der Wirtschaft sowie des Militär- und Geheimdienstapparats.
Die Medien dienen als Sprachrohre staatlicher Propaganda. Abweichende Meinungen werden als „Fake News“ und „Informationskrieg“ von Feinden aus dem Ausland abgetan.
Es ist offenbar vergessen, dass der Kongress dafür verantwortlich ist, einen Krieg zu erklären. Seit dem Koreakrieg 1950 haben US-Präsidenten Dutzende von Militärinterventionen angeordnet, ohne dass der Kongress eine Kriegserklärung verfasst hat, wie es die Verfassung eigentlich vorschreibt.
1973 wurde der War Powers Act verabschiedet, nach dem jede Militäraktion, die mehr als 60 Tage dauert, vom Kongress bewilligt werden muss. In der Praxis wurde immer wieder gegen dieses Gesetz verstoßen, u.a. von der Obama-Regierung während des Luftkriegs gegen Libyen im Jahr 2011.
Das Treffen am Mittwoch diente nicht der Kontrolle durch den Kongress. Vielmehr wurden die politischen Vertreter der herrschenden Klasse einbestellt, um sich von der Militärführung ihre Anweisungen abzuholen. Es steht symptomatisch für den Zusammenbruch der demokratischen Herrschaftsformen und der zunehmenden Entwicklung hin zur Diktatur.