MAN Diesel & Turbo: IG Metall stimmt Stellenabbau zu

Nach monatelangen Geheimverhandlungen zwischen Betriebsräten von MAN Diesel & Turbo und dem Unternehmensvorstand haben die Gewerkschaftsvertreter einem massivem Stellenabbau zugestimmt. In allen fünf Standorten des Unternehmens werden Arbeitsplätze gestrichen.

Die Belegschaft des Berliner Betriebs soll um 27 Prozent schrumpfen, von den 520 Arbeitsplätzen werden 140 entfallen. Das Werk wird sich in Zukunft auf die Produktion von Radialgetriebe-Kompressoren (RG) und die in Raffinerien eingesetzten dampfgetriebenen „Refinery Train Packages“ (ReTPac) beschränken. Von anderen Betrieben soll die Fertigung von Zwischengetrieben und anderer Komponenten abgezogen und nach Berlin verlegt werden.

René Marx, der Betriebsratsvorsitzende in Berlin, und Uwe Lauber, der Vorstandsvorsitzende des Unternehmens, stellten das Verhandlungsergebnis auf einer außerordentlichen Betriebsversammlung gemeinsam als positives Resultat vor: „Wir haben in Berlin 177 zusätzliche Arbeitsplätze gerettet und auch verhindert, dass der Standort zum reinen Komponentenzulieferer degradiert wird“, sagte René Marx. Alles solle „sozialverträglich“ und ohne betriebsbedingte Kündigungen geschehen. Was das heißt, soll aber erst noch in Einzelgesprächen mit den Beteiligten ausgehandelt werden.

Die beiden Hamburger Betriebe MAN Diesel & Turbo und MAN Diesel Prime Serv werden zusammengelegt, wobei 41 Prozent der Stellen der ersteren Produktionsstätte auf dem Blohm+Voss-Gelände in Steinwerder, das sind 120 Arbeitsplätze, gestrichen werden.

Nur der Service Betrieb MAN Diesel Prime Serv mit etwa 270 Beschäftigten soll von Entlassungen verschont bleiben. Der erste Entwurf des Restrukturierungsprogramms enthielt die vollständige Schließung des Werks an der Hermann-Blohm-Straße und die Verlagerung der Produktion nach Indien. Hamburg sollte ein reiner Kundendienststandort werden. Die massive Reduzierung der Arbeitsplätze und die Zusammenlegung der beiden Werke lässt die Belegschaft daran zweifeln, ob diese Option schon vom Tisch ist.

In Oberhausen Sterkrade werden 164 Stellen von etwa 1.800 abgebaut. Die Gefahr von Kurzarbeit sei aber mit dem Stellenabbau noch nicht gebannt, berichtet die Westdeutsche Allgemeine. Die Entscheidung darüber falle erst in den nächsten Monaten.

Im Augsburger Hauptbetrieb mit 4.000 Beschäftigten werden weitere 140 Arbeitsplätze gestrichen.

Der Augsburger IG-Metall-Vorsitzende Michael Leppek betonte, dass für jeden vom Stellenabbau Betroffenen das Prinzip der „Doppelten Freiwilligkeit“ gelte. Beide Seiten, der jeweilige Arbeiter und das Unternehmen, müssten einem Ende des Arbeitsvertrags zustimmen. In diesem Zusammenhang von „Freiwilligkeit“ zu sprechen, ist reiner Zynismus und Betrug. Welche Wahl hat ein Arbeiter, wenn ihm der Betriebsrat mitteilt, er sei auf der Liste derer, die aus dem Unternehmen ausscheiden sollen? Wer heute eine Festanstellung verliert, landet entweder in der Arbeitslosigkeit und rutscht dann sehr schnell auf Hartz IV, oder findet sich auf einem Arbeitsmarkt wieder, der von prekären Arbeitsverhältnissen geprägt ist.

Altersteilzeit bedeutet immer den Teilverlust des Einkommens und eine angebotene Versetzung an einen anderen Standort bedeutet meist Lohnsenkung und Probleme für die ganze Familie. Selbst wer den Wechsel an einen anderen Standort in Kauf nimmt, stellt häufig fest, dass es sich nur um eine Zwischenstation handelt, am neuen Standort die alten Probleme weiterbestehen und der Abbau fortgesetzt wird. In vielen Betrieben wimmelt es mittlerweile von solchen Arbeitsnomaden, die bereits mehrere Stilllegungen hinter sich haben.

„Die intensive Diskussion mit der Arbeitnehmerseite hat konzeptionell zur Fortentwicklung des Plans beigetragen“, erklärt der Personalvorstand des Unternehmens, Wilfried von Rath, in einer Presseerklärung. Und der Vorstandsvorsitzende Lauber betonte, die Einigung mit dem Gesamtbetriebsrat sei „vom Geiste der Sozialpartnerschaft“ getragen.

Diese Sozialpartnerschaft bedeutet, dass der Betriebsrat nicht nur die Rationalisierungspläne mit ausarbeitet, sondern auch die Drecksarbeit macht. Er stellt die Entlassungslisten zusammen, führt mit den Betroffenen die Gespräche und setzt den Arbeitsplatzabbau in der Praxis durch. Das stärkt seine Macht im Betrieb. Er kann unliebsame und kämpferische Kollegen schnell los werden und seine Cronies und Kumpane bis zum Schluss halten.

Die enge Partnerschaft zwischen Betriebsräten, Gewerkschaften und Management, die nach dem Zweiten Weltkrieg gesetzlich geregelt wurde, erinnert stark an die Deutsche Arbeitsfront, den Einheitsverband der Arbeitnehmer und Arbeitgeber, in den der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund (ADGB) nach der Machtergreifung Hitlers aufgelöst wurde. Die Gewerkschaften und ihre Betriebsorganisationen sind heute nahezu vollständig in die Unternehmensführung integriert und sorgen dafür, dass die Kampfbereitschaft der Belegschaften auch beim Arbeitsplatzabbau unterdrückt wird.

Die IG Metall hebt hervor, sie habe den Gesamtumfang des Stellenabbaus von 1400 auf 900 Arbeitsplätze reduziert, in Deutschland von 1000 auf 600. Doch das ist das übliche abgekartete Spiel. Jeder, der in den letzten Jahren die Vernichtung von Arbeitsplätzen verfolgt hat, kann feststellen, dass sich hinter den Geheimverhandlungen meist ein routinemäßiger Kuhhandel verbirgt.

Der Unternehmensvorstand kündigt das Doppelte der beabsichtigten Stellenstreichungen an, die Gewerkschaft organisiert Proteststreiks, um Druck abzulassen. Sie warnt vor dem „sozialen Sprengstoff“, wie ihr Erster Bevollmächtigter in Berlin, Klaus Abel, dem Berliner Rundfunk rbb sagte. Danach rühmen sich Betriebsrat und Gewerkschaft, die Entlassungen um fast die Hälfte heruntergehandelt zu haben, und bezeichnen den Abbau von 600 Arbeitsplätzen als Erfolg, weil 400 Arbeitsplätze angeblichen gerettet wurden.

Von Anfang an weigerte sich die IG Metall einen gemeinsamen Arbeitskampf an allen Standorten zur prinzipiellen Verteidigung aller Arbeitsplätze zu organisieren. Statt dessen verfolgte sie eine Strategie, die vollständig auf der Erhaltung der „Wettbewerbsfähigkeit“ der Betriebe basierte, der Unterordnung der Interessen der Belegschaft unter die Gewinnmaximierung des Unternehmens. Bereits vor Beginn der Verhandlungen hieß es aus dem Gewerkschaftshaus in Berlin, man könne Korrekturen wegen des angespannten Marktes für große Turbinen nicht vermeiden. Man wolle sich aber dafür einsetzen, dass die „Anpassungsmaßnahmen auf alle Standorte gleichmäßig verteilt“ werden.

Während die Gewerkschaft behauptet, sie habe Schlimmeres verhindert, hat sie in Wirklichkeit den Weg eines schrittweisen Abbaus von Produktionsstätten eingeleitet.

Die Neustrukturierung des Unternehmens, das Großdieselmotoren für die Schiffs- und Meerestechnik, Turbomaschinen und Kompressoren für die Öl- und Gasindustrie, Raffinerien, Chemieanlagen und Kraftwerke herstellt, wurde unter dem Programm Base Camp 3000+ im September 2016 angekündigt, womit der Vorstand eine Kosteneinsparung von 450 Millionen Euro erzielen will. Dieser Strategie hat sich die IG Metall voll angeschlossen.

Die Verteidigung der Arbeitsplätze erfordert daher einen Kampf gegen die Sozialpartnerschaft der Gewerkschaften und Betriebsräte. Arbeiter müssen sich unabhängig von Betriebsrat und IG Metall organisieren, sich mit den Beschäftigten an allen anderen Standorten zusammenschließen und gemeinsam mit allen von Arbeitsplatzabbau betroffenen Arbeitern für die Verteidigung aller Arbeitsplätze kämpfen. Das erfordert eine politische Perspektive, die sich der kapitalistischen Profitlogik widersetzt, d.h. ein sozialistisches Programm und eine internationale Strategie.

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