Bombardier: IG Metall lässt AfD bei Demonstration mitmarschieren

Am vergangenen Samstag demonstrierten rund 3000 Menschen in Görlitz gegen den geplanten Arbeitsplatzabbau beim Flugzeug- und Zughersteller Bombardier und die drohende Werksschließung in der Stadt.

Dem Aufruf der IG Metall und des Betriebsrats waren unerwartet viele gefolgt. Den Arbeitern mit ihren Familien, die vom Betriebstor losmarschiert waren, schlossen sich auf dem Weg zum Marktplatz zahlreiche Einwohner der Stadt an.

„Waggonbau bleibt, Waggonbau bleibt“, schallten die Rufe in den Straßen der kleinen historischen Stadt an der Grenze zu Polen. Der Görlitzer Waggonbau ist, abgesehen von einem kleineren Werk von Siemens, der letzte große industrielle Arbeitgeber in Görlitz und beschäftigt noch rund 2000 Arbeiter, darunter 500 Leiharbeiter. Seine Schließung wäre eine Katastrophe für die Bevölkerung.

Während die Arbeiter ihre große Entschlossenheit zeigten, für ihre Arbeitsplätze zu kämpfen, machte die Demonstration zugleich auf erschreckende Weise die Gefahren deutlich, die drohen, wenn dieser Kampf in den Händen der IG Metall belassen wird: Diese ließ einen Block der rechtsextremen AfD mit Transparenten mitmarschieren!

Wie die WSWS im Februar gewarnt hat, versucht die IG Metall seit der Bekanntgabe weiterer 7500 Entlassungen durch den kanadischen Bombardier-Konzern, die einzelnen Standorte gegeneinander auszuspielen. Auch bei der Demonstration in Görlitz lautete das Motto nicht „Kampf um alle Arbeitsplätze“ an allen Standorten und in allen Ländern, sondern in lokalpatriotischer Manier „Mein Görlitz – Mein Waggonbau“. Die kleinen Delegationen, die von anderen Bombardier-Werken in Bautzen, Hennigsdorf und Mannheim gekommen waren, änderten daran genauso wenig wie die vom Betriebsratschef René Straube verlesenen Solidaritätsadressen aus englischen und französischen Werken.

Die Tatsache, dass die IG-Metall-Funktionäre und Betriebsräte in Görlitz die Anwesenheit einer nationalistischen und ausländerfeindlichen Partei wie der AfD duldeten, zeigt nur die letzte Konsequenz ihrer Standortpolitik – sie spalten die Arbeiter nach Nationen und Regionen, sorgen so für die Durchsetzung der Konzernpläne und schaffen einen fruchtbaren Boden für die Rechten von der AfD.

Im letzten Jahr hatte der Gesamtbetriebsrat bereits ein eigenes Rationalisierungskonzept unter dem Titel „Fahrplan Zu(g)kunft“ ausgearbeitet und dem Management überreicht. IG Metall und Betriebsräte erklären sich darin mit der Konzernspitze einig, dass Veränderungen für mehr Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Bombardier-Werke nötig seien.

Die lokalen Betriebsräte und IG-Metall-Funktionäre versuchen seitdem, ihren jeweiligen Standort als kostengünstiger und wettbewerbsfähiger als den anderen darzustellen und lehnen Kampfmaßnahmen, insbesondere gemeinsame, strikt ab. Auf einer Mitgliederversammlung der Görlitzer IGM-Mitglieder im Januar wurden entsprechende Forderungen von Arbeitern schroff abgebügelt.

Die Großdemonstration am Samstag diente lediglich als Ventil, um Dampf abzulassen, und zugleich auf die Verhandlungen, die am gestrigen Mittwoch in Görlitz mit der Bombardier-Spitze begonnen haben, Druck auszuüben. Es geht der Gewerkschaft darum, in die Umstrukturierungspläne des Managements eingebunden zu werden und diese reibungslos abzuwickeln.

Die Redner auf der Kundgebung in Görlitz versuchten, die rechte Gewerkschaftspolitik mit markigen Sprüchen zu verdecken und die wütende Stimmung der Arbeiter aufzufangen. Jan Otto, der Bezirksleiter der IG Metall Ostsachsen, versprach: „Wir in Ostsachsen werden keine Ruhe geben, wir werden keinen Waffenstillstand schließen, wir werden erst dann ruhig sein, wenn klar ist, dass der Standort erhalten bleibt.“

Ein Sprecher der Bürgerinitiative „Ruf aus Görlitz“, Eric Kittelmann, schürte Konkurrenz zum Werk in Bautzen: „Wir wollen die komplette Fertigung der Doppelstockzüge behalten“, rief er. Der Belegschaft von Bautzen gab er den Rat: „Kämpft ihr um eure Straßenbahn. Den DO [Doppelstockzug] geben wir nicht einfach weg.“ Er bezog sich auf den Plan der Konzernführung, in das Werk Bautzen 20 Millionen Euro zu investieren. „Es kann nicht sein, dass Steuergelder einseitig verteilt werden sollen“, rief Kittelmann.

Darauf antwortete Gerd Kaczmarek, der Betriebsratsvorsitzende im Werk Bautzen, man solle sich „nicht auseinanderdividieren“ lassen. Einen gemeinsamen Arbeitskampf zog er jedoch ebenso wenig in Betracht. „Natürlich gibt es strategische Entscheidungen des Managements, die wir kaum oder nur ganz wenig beeinflussen können“, fügte er hinzu.

Betriebsratschef René Straube beklagte das desaströse Management, das die Arbeiter daran hindere, die „Aufträge vernünftig abzuarbeiten und künftige Aufträge zu gewinnen“. Stattdessen werde Geld nach Kanada abgezogen.

Insbesondere Olivier Höbel, Bezirksleiter der IG Metall Berlin, Brandenburg und Sachsen, schlug offen nationalistische Töne an. Erst beschwor er den „Kampf um jeden Arbeitsplatz“ – es gehe nicht nur um die Beschäftigten, sondern auch um deren Familien und ganz Görlitz mit seinen Gewerbetreibenden –, um dann an die Politik „klare Erwartungen“ zu stellen, da die Deutsche Bahn ein Bundesunternehmen sei.

Anders gesagt, sollen deutsche Unternehmen nur in Deutschland produzierte Züge und Waggons kaufen. Es ist dieselbe Politik, die Donald Trump in den USA verkündet. Nur dass es hier statt „America first!“ „Germany first!“ heißt. Hier zeigte sich die IG Metall mit der anwesenden AfD einer Meinung.

Anfang des Jahres hatte Olivier Höbel schon klargemacht, dass eine solche nationale Wirtschaftspolitik keineswegs bessere Bedingungen für die Belegschaften bedeutet. In einem Interview am 16. Januar mit der Berliner Zeitung erklärte er, dass Bombardier Deutschland, „innovativer und produktiver“ werden müsse, um einen Abzug der Produktion aus Deutschland zu verhindern. „Die Effektivität muss gesteigert werden.“ Sein Vorbild sei VW.

Dies sollte für alle Bombardier-Arbeiter eine Warnung sein. Erst letzten November hat der VW-Konzernbetriebsrat gemeinsam mit der Konzernspitze ein Umbau-Programm mit der Streichung von 30.000 Arbeitsplätzen bei der Kernmarke VW bekanntgegeben, davon 23.000 Stellen in Deutschland. Von Anfang an waren die IG Metall und der Betriebsrat in die Ausarbeitung dieses Kahlschlags eingebunden.

Weitere Redner kamen aus der kommunalen Politik von Görlitz. Besonders grotesk muss den Arbeitern der lautstarke Auftritt von Oberbürgermeister Siegfried Deinige erschienen sein. Seine Karriere ist seit dem Ende der 70er Jahre mit dem Waggonbau Görlitz verbunden. Den älteren Arbeitern ist er noch aus seiner Zeit als Parteisekretär der SED und Mitglied der stalinistischen „Betriebskampfgruppen“ bekannt, die aufmüpfige Arbeiter im Namen des „Sozialismus“ drangsalierten.

Nach der Wende stieg Deinige zum Produktionsdirektor auf und beteiligte sich im Namen der „kapitalistischen Marktwirtschaft“ am Umbau und Abbau der Waggonbaubetriebe, dem Tausende Arbeitsplätze zum Opfer fielen. Im Jahr 2010 wechselte er als General Manager für Bombardier Transportation in die Konzernzentrale in Berlin und war zudem weltweit als General Manager verantwortlich für die Koordinierung der Produktionsprozesse. 2012 wurde der parteilose ehemalige SED-Bürokrat Oberbürgermeister von Görlitz, mit Unterstützung von CDU, FDP, einem Bürgerbündnis und den Grünen.

Gegenüber der WSWS zeigten viele Arbeiter auf der Demonstration ihren Unmut über die Gewerkschaft, den Betriebsrat und die Politiker. Ein Betriebsratsmitglied gab zu, dass Arbeiter in einigen Abteilungen schon im Dezember 2016 und im Januar dieses Jahres „die Brocken fallen lassen wollten, auch ohne die Gewerkschaft“.

Ein älterer Arbeiter, der seit 1973 im Waggonbau Görlitz beim Innenausbau der Züge gearbeitet hatte und bei der ersten Welle des Stellenabbaus im Oktober 2016 in den Vorruhestand geschickt wurde, hielt mit seinem Urteil nicht zurück: „Wenn ich mal ehrlich sein soll, hat sich unsere Gewerkschaft, also betriebsratsmäßig, vom Management einlullen lassen. So sehe ich das, und das ist nicht nur meine Meinung. Es gibt sehr viele, die so denken.“

Schon die Großeltern und Eltern von Hans-Joachim hatten beim Waggonbau in Görlitz gearbeitet, und heute befindet sich noch sein Sohn im Betrieb. Er lachte bei der Erinnerung an die „blühenden Landschaften“ in der ehemaligen DDR, die der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl nach der Wende versprochen hatte. Nachdenklich fügte er hinzu, zur DDR-Zeit, als der Görlitzer Waggonbau noch staatlich war, sei „nicht alles schlecht gewesen“. Jetzt hoffe er auf einen gemeinsamen Kampf aller Betriebe, auch international: „Mein Rat an alle Beschäftigten: Kämpfen, kämpfen und nochmals kämpfen!“

Doch sei dies nicht leicht. Viele junge Arbeiter hätten keine Erfahrung von Arbeitskämpfen, und die zahlreichen Leiharbeiter, teilweise aus Polen oder Tschechien, fürchteten, ihren Arbeitsplatz als Erste zu verlieren: „Von meiner alten Brigade waren heute nur drei Kollegen hier, alles andere existiert nicht mehr. Die Stellen werden heute von Leiharbeitern eingenommen. Das beeinträchtigt auch die Kampfbereitschaft. Die sind froh, dass sie überhaupt Arbeit gefunden haben, und sind daher ängstlich, an Arbeitskämpfen teilzunehmen.“

Sebastian, ein junger Familienvater, der sich mit den Bombardier-Arbeitern solidarisierte, sagte der WSWS: „Der Grund für die Krise bei Bombardier sind ganz klar Kapitalinteressen, die über den Interessen der Bevölkerung rangieren. Der transnationale Konzern hat das Interesse, Gewinne einzufahren. Dabei wird wenig darauf geachtet, wie es der Stadt Görlitz dabei geht. Das sind die Spielregeln unserer Gesellschaft. Für mich ist es ganz klar, dass man gegen diese Spielregeln angehen muss.“

Die Demonstration sei wichtig, fuhr er fort, aber „ich bin mir nicht sicher, ob das die Konzernführung beeindruckt. Da muss mehr passieren, etwa ein richtiger Arbeitskampf“.

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