Von der Leyen verkündet massive Aufrüstung der Bundeswehr

Unter dem Titel „Wir haben verstanden“ hat die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen eine massive Aufrüstung der Bundeswehr ankündigt. Ihr Gastbeitrag erschien am Donnerstag in einer Sonderbeilage der Süddeutschen Zeitung zur diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz.

Vor drei Jahren hatte von der Leyen zusammen mit Bundespräsident Joachim Gauck und dessen Nachfolger, dem damaligen Außenminister Frank-Walter Steinmeier, auf der Münchner Sicherheitskonferenz das Ende der militärischen Zurückhaltung Deutschlands verkündet. Nun nutzt sie die Forderung des neuen US-Verteidigungsministers James „Mad Dog“ Mattis, die Europäer müssten mehr für ihre Verteidigung tun, um ihren „Worten Taten folgen“ zu lassen.

Von der Leyen schreibt: „Wir Deutsche und die meisten Europäer haben uns viel zu lange bei der Sicherheitsvorsorge auf die breiten Schultern unserer amerikanischen Freunde verlassen. Und ja, wir wissen, dass wir einen größeren, einen faireren Teil der Lasten für die gemeinsame atlantische Sicherheit tragen müssen.“ In Europa sei die Bereitschaft dazu „so groß wie nie zuvor“. Die europäischen Streitkräfte hätten „in zahlreichen gemeinsamen Einsätzen der vergangenen Jahrzehnte gelernt, dem militärischen Können und der Umsicht anderer zu vertrauen“.

Die Verteidigungsministerin beschwört am Ende ihres Artikels zwar die Bedeutung der Nato und betont, dass Berlin „dieses Hineinwachsen in mehr Sicherheitsverantwortung europäisch gestalten sollte“. Ihre Ausführungen lassen jedoch keinen Zweifel daran, dass es ihr in Wirklichkeit darum geht, mithilfe der EU das politische und militärische Gewicht Deutschland auf dem Kontinent und international zu vergrößern.

„Deutschland hat in den vergangenen Jahren sicherheitspolitisch Initiative gezeigt“, prahlt von der Leyen und erwähnt u.a. das „Minsker Ukraine-Abkommen“, „das Atom-Abkommen mit Iran“, den „Aufbau der neuen schnellen Speerspitze der Nato“, den „Kampf gegen den IS-Terror“, die Interventionen in Mali und Afghanistan, den Kampf gegen Schleuser im Mittelmeer und der Ägäis und „unsere erhebliche Präsenz im Baltikum, ganz aktuell in Litauen“.

„All dies spricht für sich“ und „Deutschland wird diesen Weg weitergehen“, fügt sie beinahe drohend hinzu. Das gelte „auch für das Verteidigungsbudget“. Man habe „den festen Willen“, den Nato-Indikator von zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes „in den nächsten Jahren … zu erreichen.“

Was lange als undenkbar galt, ist nun offizielle Politik: Die Bundesregierung ist entschlossen, den Verteidigungshaushalt, der gegenwärtig bei etwa 37 Milliarden Euro (1,2 Prozent des BIP) liegt, nahezu zu verdoppeln. Der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, forderte in einem Interview mit dem Berliner Tagesspiegel am Samstag sogar drei Prozent der Wirtschaftsleistung – und somit über 90 Milliarden Euro – in die Rüstung zu stecken.

Diese wahnwitzigen Pläne machen deutlich, was auf Arbeiter und Jugendliche in den nächsten Monaten zukommen wird. Die herrschende Klasse will die Bevölkerung gleich in mehrfacher Hinsicht für ihre aggressive Außen- und Großmachtpolitik bluten lassen. Als Kanonenfutter für neue Kriege und in Form massiver Sozialkürzungen zur Finanzierung der Aufrüstung. Außerdem wird im Innern der Aufbau eines Polizeistaats vorangetrieben, um den Kriegskurs gegen die massive Opposition in der Bevölkerung durchzusetzen.

Leyens Kommentar zeigt, dass die deutsche herrschende Klasse wieder ihr altes Programm verfolgt: Europa militärisch zu dominieren, um in der Welt eine Führungsrolle zu spielen und die eigenen wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen gegen andere Großmächte durchzusetzen.

Man müsse sich „neben Kriseneinsätzen“ auch „wieder stärker mit der Landes- und Bündnisverteidigung auseinandersetzen“, schreibt von der Leyen und fügt hinzu: „Deswegen müssen wir in Europa wachsen, schlagkräftiger werden und Schlüsselfähigkeiten zumindest auf unserem Kontinent erhalten.“

„Ein kluges Instrument dafür“ sei das „von Deutschland initiierte Rahmennationenkonzept: Weil wir wissen, dass wir in Europa Fähigkeitslücken haben, die kaum mehr eine europäische Mittelmacht allein füllen kann, schließen wir uns zusammen.“

Deutschland gehe „in vielen Bereichen als große Nation in die Vorhand und ermöglicht anderen Nationen, mitzumachen. Wir füllen Lücken, werden als Europäer stärker in der Nato und reduzieren Doppelstrukturen, die wir uns aus nationaler Eitelkeit lange geleistet haben.“ Man arbeite bereits in 16 unterschiedlichen Bereichen „von Cyber, der Abwehr der ABC-Bedrohung über Einsatzkrankenhäuser bis zur Luftverteidigung und europäischer Drohnentechnologie“ so zusammen.

Die gegenwärtige Strategie des deutschen Imperialismus formuliert von der Leyen dabei recht offen. Berlin verfolgt das Ziel, die Bundeswehr als sogenannte „Ankerarmee“ für europäische Nato-Staaten zu etablieren, diese hochzurüsten und schrittweise den Kommandostrukturen der Bundeswehr zu unterstellen.

Man müsse „wieder in größeren Verbänden“ denken, erklärt von der Leyen. „Dazu wollen wir als Europäer bis zu drei gemeinsam ausgestattete und trainierte, damit tief integrierte Divisionen aufbauen. Ähnlich wie bereits mit Frankreich und den Niederlanden praktiziert, bieten wir Rumänien und Tschechien an, Verbände an Einheiten unseres Heeres anzuschließen.“ Entsprechende Abkommen habe sie bereits mit ihren Kollegen unterzeichnet.

„Der Mehrwert dieser Zusammenarbeit“ zeige sich heute bereits „an der Nato-Ostgrenze. Deutschland führt ein multinationales Bataillon, das nicht nur Verteidigungsbereitschaft des Bündnisses signalisiert, sondern auch intensiv mit den litauischen Streitkräften trainiert. Wenn sich Partnertruppen darüber hinaus mit deutscher Technik ausrüsten, liegt das auch in unserem Interesse.“

Mit dem französischen Verteidigungsminister habe sie darüber hinaus „den Aufbau eines gemeinsamen Transportgeschwaders etwa für Spezialkräfteeinsätze auf den Weg gebracht“. Mit den Niederlanden, Belgien, Norwegen und Luxemburg baue die Bundeswehr „eine gemeinsame Flotte für Luftbetankung auf“. Und „derselben Logik folgend“ biete man auch den „südlichen Nachbarn an, in Deutschland einen grenznah stationierten multinationalen Verband für militärischen Lufttransport zu schaffen“.

Das unmittelbare Ziel dieser Bemühungen ist eine von Deutschland dominierte „Europäische Verteidigungsunion“. Hier stehe man „bald vor entscheidenden Weichenstellungen“. Es gehe darum, „über einen Europäischen Verteidigungsfonds Rüstungsprozesse zu verbessern, die Planungsprozesse von Nato und EU anzunähern sowie über verzahnte Führungsstrukturen, zivile und militärische Missionen der EU zum Beispiel in Afrika erfolgreicher zu machen.“ Das Instrument dafür sei „schon lange in den Verträgen der EU angelegt: die ‚Ständige Strukturierte Zusammenarbeit‘.“ Man müsse es „nur aktivieren.“

Welche „Instrumente“ in diesem Zusammenhang notfalls „aktiviert“ werden könnten, verdeutlicht die schockierende Debatte um deutsche und/oder europäische Nuklearwaffen. Ein Artikel in der aktuellen Ausgabe der Zeit mit dem Titel „Atommacht Europa... Braucht die EU die Bombe?“ bedauert ernsthaft, dass die Bundeswehr über die in Deutschland stationierten amerikanischen Atomwaffen „nicht frei verfügen“ kann, sondern sie nur „einsetzen darf… wenn Washington grünes Licht gibt“. Einige Europäer könnten sich deshalb nun „eine eigene, von den USA unabhängige Abschreckung vorstellen“.

Eines weiß die herrschende Klasse Deutschlands in ihrem Aufrüstungswahn genau. Nach zwei verheerenden Weltkriegen mit Millionen von Toten und unsäglichen Verbrechen ist die große Mehrheit der Bevölkerung nicht noch einmal bereit, sich für die mörderischen Pläne des deutschen Imperialismus einspannen zu lassen.

„Das Label ‚Atommacht Deutschland‘ ist zu Hause politisch nicht durchzusetzen“, bemerkt die Zeit sichtlich empört. „Deutschland, das weiß jeder Minister, ist ein pazifistisches Land, die Bevölkerung lehnt Beteiligungen der Bundeswehr an internationalen Militäreinsätzen mehrheitlich ab. Atomwaffen werden hierzulande erst diskutiert, wenn man sie verschrottet.“

Loading