Am Donnerstag beschloss der deutsche Bundestag mit großer Mehrheit, das militärische Eingreifen der Bundeswehr in Mali um ein Jahr zu verlängern und massiv auszuweiten. Laut Antrag der Bundesregierung, dem der Bundestag am 26. Januar in dritter Lesung zustimmte, soll sich die Höchstzahl der im Rahmen der UN-Mission MINUSMA einzusetzenden Soldaten um 350 auf nunmehr 1000 erhöhen. Erst im vergangenen Jahr war die Obergrenze von 150 auf 650 Bundeswehrsoldaten angehoben worden.
Zusätzlich sind in Mali 300 weitere deutsche Soldaten in der EU-Ausbildungsmission EUTM im Einsatz. Insgesamt werden in dem westafrikanischen Land damit schon bald mehr Bundeswehrsoldaten stationiert sein als in jedem anderen Land der Welt. In dem bisher größten Einsatz in Afghanistan liegt die Obergrenze bei 980 Soldaten. Im Kosovo, wo die Bundeswehr seit 18 Jahren im Einsatz ist, sind gegenwärtig 517 Soldaten stationiert.
Bereits am heutigen Freitag beginnt die Bundeswehr am Flughafen Leipzig-Halle mit der Verlegung acht deutscher Kampf- und Transporthubschrauber nach Mali. Dort sollen die Maschinen der Typen NH90 und Tiger MINUSMA unterstützen. Laut Bundeswehr werden sie zum Transport und zur Rettung von Verletzten eingesetzt. Außerdem sind Einsätze zur Begleitung von Konvois oder zur Überwachung und Aufklärung geplant.
Am kommenden Dienstag wird dann Oberst Oliver Walter, Kommandeur des Objektschutzregimentes „Friesland“ der Luftwaffe, im Rahmen eines militärischen Appells auf dem ehemaligen Fliegerhorst in Upjever das nächste Kontingent in den Einsatz verabschieden. Die ersten Soldaten verlegen am 15. Februar. Bis zum 1. März soll das gesamte Kontingent in Gao, im gefährlichen Norden des Landes, eingetroffen sein.
Offiziell versucht die Bundesregierung den Einsatz als humanitäre Friedensmission zu verkaufen. In der Begründung der Bundesregierung für das neue Bundeswehrmandat heißt es: „Die Stabilisierung Malis ist ein Schwerpunkt des deutschen Engagements in der Sahel-Region und ein wichtiges Ziel der Afrikapolitik der Bundesregierung.“ Es gehe darum, „Mali in eine friedliche Zukunft führen zu helfen und die strukturellen Ursachen von Flucht und Vertreibung zu beseitigen“.
In Wirklichkeit führt die Bundeswehr Mali nicht „in eine friedliche Zukunft“, sondern verstärkt dort den Terror und das Chaos. Vor wenigen Tagen sind bei einem fatalen Selbstmordanschlag nahe einem Militärstützpunkt mehr als 70 Menschen getötet und viele weitere verletzt worden. „Das Krankenhaus ist überfüllt. Überall sind verstümmelte Körper“, sagte Arboncana Maiga, ein Bewohner des betroffenen Stadtviertels am Telefon. „So etwas haben wir in Gao noch nicht erlebt.“
Die Verschlechterung der Sicherheitslage vor Ort ist so dramatisch, dass die Bundeswehr den sogenannten Gefahrenzuschlag auf 110 Euro pro Tag angehoben hat. Dies entspricht Stufe sechs, also der höchsten Gefahrenstufe. Bislang galt diese nur für den Militäreinsatz in Afghanistan.
All dies wirft ein Schlaglicht auf den wirklichen Charakter des deutschen Einsatzes in Mali und seine Hintergründe. Deutschland führt dort Krieg und arbeitet mit einem autoritären und korrupten Regime zusammen, um Flüchtlinge schon in Afrika von Europa fernzuhalten und vor allem um seine wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen auf dem bevölkerungs- und rohstoffreichen Kontinent durchzusetzen.
Afrika stand von Anfang an im Zentrum der außenpolitischen Wende Deutschlands. Bereits wenige Wochen nachdem Präsident Gauck und die Bundesregierung auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Januar 2014 das Ende der außenpolitischen Zurückhaltung verkündet hatten, verabschiedete das Kabinett im Mai die „Afrikapolitischen Leitlinien der Bundesregierung“. Sie lesen sich wie ein Strategiepapier des deutschen Imperialismus zur Ausbeutung Afrikas im 21. Jahrhundert.
In den Leitlinien ist von einer „wachsende[n] Relevanz Afrikas für Deutschland und Europa“ die Rede, und es heißt: „Potenziale Afrikas ergeben sich aus einer demographischen Entwicklung mit einem Zukunftsmarkt mit hohem Wirtschaftswachstum, reichen natürlichen Ressourcen, Potenzialen für die landwirtschaftliche Produktion und Ernährungssicherung aus eigener Kraft... Afrikanische Märkte entwickeln sich dynamisch und werden – über die Rohstoffwirtschaft hinaus – für die deutsche Wirtschaft ... zunehmend interessanter.“
Das Ziel der Bundesregierung sei es deshalb, „das politische, sicherheitspolitische und entwicklungspolitische Engagement Deutschlands in Afrika gezielt“ zu stärken. Man verfolge den Anspruch “interessenorientiert, früh, schnell, entschieden und substanziell zu handeln“, wozu auch militärische Interventionen gehörten. Die Bundesregierung wolle „ressortübergreifend … das gesamte Spektrum ihrer vorhandenen Mittel einsetzen, politisch, sicherheitspolitisch, entwicklungspolitisch, regionalpolitisch, wirtschaftlich, wissenschaftlich, kulturell“. (Hervorhebung im Original)
Seit der Veröffentlichung der Leitlinien bemüht sich Deutschland verstärkt, seine imperialistischen Interessen unter dem Deckmantel des Kampfs gegen den Terror und der Bekämpfung von „Fluchtursachen“ in Afrika durchzusetzen. Bereits Anfang 2013 beschloss der Bundestag, die französische Militärintervention in Mali zu unterstützen und die Bundeswehr in dem Land zu stationieren. Weitere deutsche Einsätze laufen derzeit im Senegal, in Zentralafrika, am Horn von Afrika, in der Westsahara, im Sudan, im Südsudan und in Somalia.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Die nun beschlossene Ausweitung des militärischen Engagements in Mali leitet ein neues Stadium in der Rückkehr des deutschen Militarismus nach Afrika ein. Es steht in direktem Zusammenhang mit den geopolitischen Veränderungen und den wachsenden Konflikten zwischen den imperialistischen Mächten nach dem Amtsantritt des neuen amerikanischen Präsidenten Donald Trump.
In einem Interview im Handelsblatt fordert die deutsche Außenministerin Ursula von der Leyen den „klaren politischen Willen“, das Nato-Limit von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Militärausgaben zu erreichen und bei der geplanten militärischen Aufrüstung keine Zeit zu verlieren. „Schiffe, Hubschrauber, gepanzerte Fahrzeuge, Personal – selbst wenn das Geld da ist, muss ja erst einmal gebaut beziehungsweise rekrutiert und ausgebildet werden.“
Gleichzeitig müssten die Europäer ihre Außenpolitik neu justieren und „als Europäer für Sicherheit in unserer Region sorgen“. Mit Blick auf Afrika bedeute das, „gemeinsam mit den afrikanischen Staaten das Wachstum ihrer Bevölkerung mit der wirtschaftlichen Entwicklung in Einklang zu bringen und sie gegen Terror zu stabilisieren“. Die „Zusammenarbeit mit Afrika“ sei dabei „keine Aufgabe der Nato. Ich sehe da vielmehr uns Europäer in der Pflicht.“
Die Linkspartei, die als einzige Fraktion geschlossen gegen die Ausweitung stimmte, unterstützt die Offensive des deutschen Imperialismus genauso wie allen anderen Bundestagsparteien und kommt in Afrika seit langem ihrer „Pflicht“ nach.
Im Dezember reiste die verteidigungspolitische Sprecherin der Linkspartei, Christine Buchholz, zum zweiten Mal gemeinsam mit Verteidigungsministerin von der Leyen (CDU) zum Truppenbesuch nach Mali. Zum ersten Mal hatte sie sie 2014 dorthin begleitet. In ihrer Rede vor dem Bundestag lehnte Buchholz den Einsatz der Bundeswehr nicht grundsätzlich ab, sondern warnte vor allem vor der wachsenden Gefahr für die deutschen Soldaten. „Mit der Fähigkeit, Rettungsaktionen durchzuführen, vergrößert sich der Aktionsradius der Bundeswehr und damit auch das Risiko, selbst Zielscheibe von Angriffen zu werden.“
Vor allem fürchten Buchholz und die Linkspartei einen Aufstand der malischen Massen gegen die ausländischen Besatzer. „Die deutschen Soldaten bewegen sich in Gao als Fremde, abgeschottet von der Bevölkerung. Je unsicherer die Lage wird, desto mehr wird sich das deutsche Kontingent einigeln“, rief Buchholz den Abgeordneten zu. Das Magazin des Reservistenverbandes Loyal habe jüngst berichtet, „wie eine deutsche Patrouille in Gao nicht nur mit der extremen Hitze, sondern auch mit unterkühlten Reaktionen der Bevölkerung zu kämpfen hat. Sogar ein Stein flog auf das geschützte und bewaffnete Transportfahrzeug der Bundeswehr.“