Die Partei für Soziale Gleichheit begrüßt und unterstützt den Streik der hessischen Busfahrer, die sich seit fast zwei Wochen gegen Niedriglöhne und miserable Arbeitsbedingungen zur Wehr setzen.
Die Gewerkschaft Verdi hatte ursprünglich einen zweitägigen Protest geplant. Sie wollte Dampf ablassen und dann einen neuen Tarifvertrag mit dem Landesverband Hessischer Omnibusbetreiber (LHO) unterschreiben. Sie hatte aber nicht mit der Kampfbereitschaft der Busfahrer gerechnet, die sich weigerten, die Arbeit wieder aufzunehmen. Verdi musste den Streik von Tag zu Tag verlängern.
Ein hessischer Busfahrer verdient derzeit einen Tariflohn von 12 Euro brutto in der Stunde, in Wirklichkeit aber weniger, da Pausenzeiten pauschal abgezogen werden, obwohl die Pausen oft ausfallen. Dafür muss er unregelmäßige Arbeitszeiten in Kauf nehmen und täglich tausende Menschen – Alte und Gebrechliche, Kleinkinder und Schulkinder – durch den hektischen und chaotischen Verkehr fahren. Passiert etwas, trägt er alleine die Verantwortung.
Verdi fordert eine Anhebung des Stundenlohns auf 13,50 Euro, was immer noch sehr niedrig wäre. Der LHO bietet aber nur 13 Euro – und das erst ab Januar 2019!
Der Streik der hessischen Busfahrer ist so bedeutsam, weil Millionen Arbeiterinnen und Arbeiter in Deutschland, in Europa und auf der ganzen Welt unter ähnlichen Bedingungen leiden. Nach Jahrzehnten der Kürzungen, Privatisierungen, des Lohn- und Sozialabbaus werden gesellschaftlich notwendige, verantwortungsvolle und anstrengende Arbeiten derart schlecht bezahlt, dass sie davon nicht mehr leben können. Die Löhne decken kaum die Kosten für die rasant steigenden Mieten und den notwendigsten Lebensbedarf, geschweige denn für die Ernährung einer Familie, Erziehungskosten und Urlaub.
Das gilt nicht nur für den öffentlichen Nahverkehr, sondern auch für den Gesundheits- und Erziehungsbereich und zahlreiche andere soziale Berufe. Selbst in den großen Werken der Auto- und Metallindustrie arbeiten heute miserabel bezahlte Leih- und Werkarbeiter Seite an Seite mit fest eingestellten Kollegen.
Das ist der Grund, weshalb die Kampfbereitschaft der Busfahrer auf breite Solidarität und Unterstützung stößt. Während die Medien wie üblich hetzen und „Hinter die Lenkräder!“ (Frankfurter Rundschau) rufen, werden sie mit Zuschriften überflutet, die den Streik unterstützen. In Darmstadt streiken aus Solidarität die Straßenbahnfahrer, und auch in anderen Städten kam es zu Solidaritätsstreiks.
Man darf sich trotzdem keiner Illusion hingeben. Ohne sich Rechenschaft über die Ursachen abzulegen, die zu den miserablen Arbeitsbedingungen geführt haben, und eine neue Strategie zu entwickeln, ist ein Erfolg des Streiks nicht möglich.
Die Busfahrer sind nicht nur mit dem Arbeitgeber LHO und seinem arroganten und selbstherrlichen Geschäftsführer Volker Tuchan konfrontiert, der ihre Erwartungen für „unerfüllbar“ erklärt. Ein viel größeres Problem sind die Gewerkschaft Verdi und die Parteien, mit denen sie eng verbunden ist – die SPD, die Linke und die Grünen.
Die Verwandlung des öffentlichen Diensts in einen Niedriglohnsektor wäre ohne ihre tatkräftige Unterstützung nicht möglich gewesen. Und jetzt sehen sie ihre Aufgabe darin, jeden Widerstand dagegen aufzufangen, zu isolieren und abzuwürgen.
Das Grünen-Mitglied Frank Bsirske, der seit 17 Jahren an der Spitze von Verdi steht, war vorher Personaldezernent der Stadt Hannover und baute dort 1000 von 16.000 Stellen ab. Als Verdi-Chef hielt er dann der rot-grünen Bundesregierung den Rücken frei, als diese die Hartz-Gesetze und die Agenda 2010 beschloss. Sie schuf damit einen riesigen Niedriglohnsektor, in dem mittlerweile 40 Prozent aller abhängig Beschäftigten in Deutschland arbeiten.
In Berlin arbeitete Bsirske zur selben Zeit eng mit dem rot-roten Senat zusammen, der die Löhne im öffentlichen Dienst um 12 Prozent senkte und die Zahl der Arbeitsplätze um ein Drittel reduzierte. Er saß oder sitzt in den Aufsichtsräten von Lufthansa, der Deutschen Bank und des Energiekonzerns RWE, die alle einen massiven Lohn- und Stellenabbau durchgeführt haben, und kassiert dafür im Jahr rund eine halbe Million Euro.
Verdi vertritt nicht die Interessen ihrer Mitglieder. Sie ist ein Dienstleitungsunternehmen für die Arbeitgeber. Sie hilft ihnen, den Angriff auf Löhne und Sozialleistungen möglichst „sozialverträglich“ durchzuführen – d.h. ohne dass sich dagegen sozialer Widerstand erhebt.
Das ist auch ihre Rolle im Busfahrerstreik. Verdi-Verhandlungsführer Jochen Koppel, der gleichzeitig im Aufsichtsrat der Verkehrsgesellschaft Frankfurt am Main mbH (VGF) sitzt, sieht seine Aufgabe darin, den Streik zu isolieren und möglichst schnell zu einem Abschluss zu bringen.
Nachdem der LHO bei den Verhandlungen am Donnerstag kein neues Angebot vorlegte und nicht bereit war, über inhaltliche Fragen zu sprechen, erklärte er den Streik ohne Rücksprache mit den Busfahrern ab Montag für beendet und kündigte die Schlichtung an. „Die Schlichtung beginnt am kommenden Montag mit Schichtbeginn“, heißt es in der Presseerklärung von Verdi. „Dann herrscht Friedenspflicht, Streiks sind während der Dauer der Schlichtung ausgeschlossen.“
Die Privatisierung von öffentlichen Betrieben und Dienstleistungen wäre ohne die aktive Mithilfe von Verdi, SPD, Linken und Grünen nicht möglich gewesen. Vor 25 Jahren befanden sich Nahverkehr und Krankenhäuser noch weitgehend in öffentlicher Hand. Die Beschäftigten hatten zwar kein hohes, aber ein ausreichendes Einkommen und eine gute soziale Absicherung. Heute sind sie weitgehend privatisiert, dienen Kapitalanlegern als Profitquelle und sind einem gnadenlosen Wettbewerb unterworfen, der auf den Knochen der Beschäftigten sowie der Passagiere und Patienten ausgefochten wird.
In den Kommunen vergeben sozialdemokratische, grüne und linke Politiker – die meist auch Mitglied bei Verdi sind – den Nahverkehr an das Unternehmen mit dem niedrigsten Angebot, das in der Regel auch die niedrigsten Löhne zahlt. Hinterher heucheln einige von ihnen dann Solidarität mit den Arbeitern, die sich dagegen zur Wehr setzen.
Ein führende Rolle bei der Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen spielt die „Wettbewerbspolitik“ der Europäischen Union. Verdi, SPD, Grüne und Linke unterstützen alle die Europäische Union. Sie haben den Widerstand gegen diese Interessenvertretung der mächtigsten Finanzkonzerne rechten Parteien überlassen, die ihn in eine gefährliche, nationalistische Richtung lenken.
Der Angriff auf die Löhne und sozialen Errungenschaften der Arbeiter findet weltweit statt. Während der Lebensstandard der großen Mehrheit der Bevölkerung sinkt, bereichert sich eine kleine Clique hemmungslos. Laut einem Bericht von Oxfam besitzen inzwischen die acht reichsten Milliardäre der Welt ebenso viel Vermögen wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung, d.h. 3,6 Milliarden Menschen!
Vor allem in den USA hat sich die Kluft zwischen Arm und Reich massiv vergrößert. Nun übernimmt mit Präsident Donald Trump eine Regierung von Milliardären, Militärs und Rechtsextremen die Macht, die der ganzen Welt mit Krieg droht.
Grund für diese Entwicklung ist die unlösbare Krise des kapitalistischen Systems. Das Privateigentum an den Produktionsmitteln, das Profitprinzip und der Nationalstaat, auf denen der Kapitalismus beruht, lassen sich nicht mit der globalen Wirtschaft vereinbaren, die auf Arbeitsteilung und weltweitem Austausch beruht.
Wie vor hundert Jahren reagieren die Kapitalisten auf die Krise ihres Systems mit Angriffen auf die Arbeiterklasse, mit Diktatur und mit Krieg. Das gilt auch für Deutschland. Seit drei Jahren wird die Rückkehr des deutschen Militarismus systematisch vorangetrieben. Die Flüchtlingskrise und die Terrorgefahr dienen als Vorwand für den Aufbau eines Polizeistaats. Und auch die Angriffe auf Löhne und Sozialleistungen werden weitergehen, um die Kosten für Handelskrieg und Militarismus zu finanzieren.
Der Kampf gegen niedrige Löhne kann deshalb nur Erfolg haben, wenn er mit dem Kampf gegen Kapitalismus und Krieg verbunden wird. Für den Streik der Busfahrer ergeben sich daraus folgende Schlussfolgerungen:
1. Der Streik ist zur Niederlage verurteilt, wenn er unter der Kontrolle von Verdi bleibt. Bildet eigene, von Verdi unabhängige Aktionskomitees, die den Streik leiten und Verbindung zu anderen Arbeitern aufbauen!
2. Der Streik muss ausgedehnt werden und Unterstützung bei Arbeitern im gesamten öffentlichen Dienst und in der Privatwirtschaft mobilisieren, die vor denselben Problemen stehen. Es müssen Kontakte zu Arbeitern in ganz Europa, den USA und in anderen Ländern aufgebaut werden.
3. Der Kampf gegen Niedriglöhne und Sozialabbau erfordert eine sozialistische Strategie. Nur im Rahmen einer Politik, die darauf abzielt, die Arbeiter weltweit, unabhängig von Herkunft und Nationalität gegen den Kapitalismus zu vereinen, kann der Streik die notwendige Härte und Ausdauer entwickeln.
4. Arbeiter brauchen eine neue Partei, die für eine internationale sozialistische Politik kämpft. Nehmt Kontakt zur World Socialist Web Site und zur Partei für Soziale Gleichheit auf, um diese Fragen zu diskutieren. Beteiligt Euch am Aufbau der PSG und des Internationalen Komitees der Vierten Internationale.