Perspektive

Sprache des Kriegs gegen Russland in Washington

Bedeutende Teile des politischen Establishments in Amerika bereiten aktiv einen Krieg gegen Russland vor. Das ist die einzig plausible Erklärung für die Wortwahl, die führende Republikaner und Demokraten seit Wochen in Bezug auf Russland und seinen Präsidenten Putin verwenden.

„Ist Wladimir Putin ein Kriegsverbrecher?“, fragte etwa der republikanische Senator Marco Rubio (Florida) Trumps designierten Außenminister Rex Tillerson während einer Anhörung am 11. Januar. „Sind Wladimir Putin und seine Gefolgsleute Ihrer Ansicht nach verantwortlich für den Befehl zur Ermordung zahlloser Dissidenten, Journalisten und politischer Gegner?“

In seiner Antwort bezeichnete Tillerson Russland zwar als bedeutende Bedrohung der US-amerikanischen Interessen, übernahm aber nicht Rubios Wortwahl. Empört gab Senatorin Jeanne Shaheen von den Demokraten daraufhin zu bedenken, dass Tillerson „nicht bereit ist, Senator Rubios Charakterisierung von Wladimir Putin als Kriegsverbrecher zuzustimmen“.

Dieses Muster wiederholte sich während der Nominierungsanhörung des designierten Verteidigungsministers, General James Mattis, vor dem Senat am 12. Januar. Der republikanische Senator John McCain, der Putin im Dezember als „Schurken und Mörder“ und das angebliche Ausspionieren von E-Mails der Demokraten als „Kriegsakt“ bezeichnet hatte, kündigte an, dass die USA „in absehbarer Zukunft in einen globalen Konflikt eintreten werden ... Wir haben handfeste [d. h. militärische] Machtmittel, wir werden damit drohen, sie zu diplomatischen Zwecken nutzen und zuweilen auch einsetzen.“

Seit Jahrzehnten, insbesondere in den 25 Jahren seit der Auflösung der Sowjetunion, spulen die Medien und das politische Establishment in Washington vor jedem Angriffskrieg das gleiche, mittlerweile sattsam bekannte Drehbuch ab. Vor der Bombardierung Serbiens 1999 wurde Slobodan Milosevic, einstiger Bündnispartner der USA, als Reinkarnation Adolf Hitlers gebrandmarkt. Als die USA den Einmarsch im Irak vorbereiteten, wurde Saddam Hussein, ebenfalls ein ehemaliger Verbündeter, zum „Schlächter von Bagdad“ erklärt. 2011 hetzten die Politiker und Leitartikler gegen den libyschen Staatschef Muammar Gaddafi, der ermordet wurde, bevor er vor den Internationalen Gerichtshof treten konnte, wo er wegen Kriegsverbrechen angeklagt war.

Das Ende ist immer dasselbe. Mit „Kriegsverbrechern“, „Schlächtern“ und „Schurken“ wird nicht verhandelt, sondern die USA betreiben in ihren Ländern Regimewechsel, führen Kriege und bringen den Gegner in der Regel um.

Und nun richtet sich die Propaganda-Offensive gegen den Präsidenten des Landes mit dem zweitgrößten Atomwaffenarsenal der Welt. Das nächste Stadium dieser Offensive droht für die ganze Welt furchtbare Folgen zu haben.

Werfen wir einen genaueren Blick auf die Vorwürfe. Russland ist ein kapitalistischer Staat, und Putin ist der Vertreter der Oligarchie, die nach der Auflösung der Sowjetunion aus der stalinistischen Bürokratie hervorgegangen ist. Moskaus Außenpolitik spiegelt die Interessen dieser Klasse wider, die sich im Nahen Osten und in Osteuropa angesichts des ständigen Vorrückens des amerikanischen und europäischen Imperialismus ihre Verbündeten und Militärstützpunkte erhalten will.

Das Vorgehen des Kreml in der Ukraine und in Syrien, das den reaktionären Interessen der russischen Oligarchie entspringt, kann von Marxisten und klassenbewussten Arbeitern nicht gutgeheißen werden. Dennoch ist es eine im Wesentlichen defensive Reaktion auf die aggressiven Versuche der USA, russlandfreundliche Regierungen – wie die ehemalige Staatsführung in Kiew und die derzeitige in Syrien – abzusetzen, um Russland zu isolieren, zu schwächen und letztlich zu zerschlagen, damit es der Vorherrschaft Amerikas über den eurasischen Kontinent nicht länger im Wege steht.

Die Äußerungen der Politiker in Washington – Demokraten wie Republikaner – sind der Gipfel der Heuchelei. In Syrien, wo Russland seinen Verbündeten Baschar al-Assad unterstützt, heizen die USA seit fünf Jahren den Bürgerkrieg an, indem sie islamistische Rebellen mit Geld und Waffen versorgen. In der Ukraine, wo Russland wegen der Annexion der Krim in Grund und Boden verdammt wird (nachdem sich in einem Referendum 96 % der Bevölkerung für die Lostrennung von der Ukraine und den Anschluss an die Russische Föderation ausgesprochen hatten), organisierten die USA 2014 einen von Rechtsextremen und Faschisten angeführten Putsch gegen die bis dahin prorussische Regierung.

Und zu den völlig unbewiesenen Vorwürfen, Russland habe den US-Wahlkampf manipuliert, ist anzumerken, dass sich die US-Regierung in die politischen Angelegenheiten aller Länder der Welt einmischt. (Es sei nur daran erinnert, dass sich die stellvertretende US-Außenministerin Victoria Nuland im Februar 2014 damit brüstete, dass Washington seit dem Ende der Sowjetunion fünf Milliarden Dollar in den Aufbau US-freundlicher Verbände in der Ukraine „investiert“ habe.)

Die Politiker, die heute die Kampagne gegen Russland führen, einschließlich des scheidenden Präsidenten Barack Obama, sind allesamt mehrfache Kriegsverbrecher.

Sie alle stimmten für den Einmarsch der USA in Afghanistan. Seit mehr als 15 Jahren verüben dort US-Besatzungstruppen Gräueltaten an der Zivilbevölkerung und greifen Hochzeiten, Schulen und Krankenhäuser mit Bomben und Drohnen an.

Am 12. Januar berichteten einige Zeitungen, z. B. die New York Times, versteckt auf den Innenseiten, dass der Bericht des US-Militärs in Afghanistan zum Bombenangriff in der Provinz Kundus erschienen sei. Dieses Kriegsverbrechen, bei dem 33 Zivilisten getötet wurden, wird damit gerechtfertigt, dass die Taliban „zivile Gebäude als Feuerstellungen“ benutzt hätten. Vor etwas mehr als einem Jahr, im Oktober 2015, starben bei einem Angriff der US-Luftwaffe auf ein Krankenhaus der Ärzte ohne Grenzen ebenfalls in Kundus 42 medizinische Fachkräfte und Patienten. Zu Beginn des Kriegs in Afghanistan erklärten die USA, dass sie die Genfer Konvention nicht beachten würden. Diese Haltung haben sie seither nicht zurückgenommen.

Mattis, der bei seiner Nominierungsanhörung von demokratischer und republikanischer Seite für seine aggressiven Drohgebärden gegenüber Russland in den höchsten Tönen gelobt wurde, leitete 2004 den Angriff auf Falludschah, der zu den blutigsten Ereignissen im Irakkrieg zählte. Wenige Wochen nach dieser Offensive befahl Mattis die Bombardierung einer Hochzeitsfeier in Mukaradib. Dabei kamen 52 Zivilisten ums Leben, darunter viele Kinder.

Während des fünfzehnjährigen „Kriegs gegen den Terror“ starben Hunderttausende durch Bombenangriffe des USA-Militärs oder von den USA gelieferte Geschosse im Irak und in Syrien, Libyen, Jemen, Palästina, Afghanistan und Pakistan. Die USA betreiben Folterzentren im Irak, in Afghanistan und in weiteren Ländern.

Nun haben sie Russland ins Visier genommen – nicht wegen Menschenrechtsverletzungen oder Kriegsverbrechen, sondern weil Russland den US-Operationen im Nahen Osten und Osteuropa im Wege steht. Die Geheimdienste und das Militär der USA, die sowohl über den Kongress als auch das Weiße Haus bestimmen, sind nicht zufrieden mit den Ergebnissen, zu denen die Auflösung der Sowjetunion 1991 bisher geführt hat. Immerhin sollte der Untergang der UdSSR das „Ende der Geschichte“ und den Anbruch einer „neuen Weltordnung“ bedeuten, in der nichts mehr den amerikanischen Imperialismus daran hindern könnte, seine Interessen überall auf der Welt aggressiv durchzusetzen, ohne auf regionale, geschweige den globale Konkurrenten zu stoßen.

Doch alle Kriege, die die USA bislang geführt haben, endeten in einer Katastrophe. Heute fühlen sie sich von Feinden umzingelt. In diese Kategorie fällt nicht nur Russland, sondern auch China. Im gleichen Atemzug, in dem Tillerson und Mattis den Senatoren ihre Feindschaft gegen Russland versicherten, verdoppelten sie auch ihre Drohungen gegen China. Tillerson erklärte, dass die kommende Regierung China den Zugang zu den Atollen im Südchinesischen Meer verwehren werde, was die chinesischen Medien tags darauf prompt als Kriegshandlung bezeichneten.

Wie viele Millionen Menschenleben sollen für den Weltherrschaftswahn der amerikanischen herrschenden Klasse geopfert werden? Wie viele Billionen Dollar sollen dafür ausgegeben und welche Sozialprogramme gestrichen werden? Wer soll dafür bezahlen? Was wären die Folgen eines Kriegs zwischen Atommächten? Diese Fragen werden von den Medien und den kapitalistischen Politikern nicht gestellt, geschweige denn beantwortet.

Mit Unterstützung der korrupten reaktionären Medien agieren Militärs, Geheimdienste und die Wirtschafts- und Finanzoligarchie hinter dem Rücken der amerikanischen und internationalen Arbeiterklasse. Während ihrer Kampagne zu den Präsidentschaftswahlen haben die World Socialist Web Site und die Socialist Equality Party immer wieder betont, dass die brennendste Frage, vor der die Weltbevölkerung steht – die Kriegsfrage – nicht erwähnt wird. Diese Warnung hat sich seither bestätigt. Nun gibt es eine dringende politische Aufgabe: den Aufbau einer internationalen Bewegung der Arbeiterklasse gegen imperialistischen Krieg und seine Ursache, das kapitalistische System.

Loading