Hamburger AStA protestiert gegen Humboldt-Professor Jörg Baberowski

Die Proteste gegen den rechtslastigen Professor Jörg Baberowski an deutschen Universitäten weiten sich aus. Wenige Wochen nachdem Studierende an der Universität Bremen einen geplanten Auftritt Baberowskis an ihrer Universität kritisiert hatten, demonstrierten am vergangenen Donnerstag Studierende der Universität Hamburg gegen eine Veranstaltung mit Baberowski, die von der Evangelischen Akademie der Nordkirche und der Landeszentrale für politische Bildung in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg durchgeführt wurde.

Vor der Veranstaltung hatte der AStA (Allgemeiner Studierendenausschuss) der Uni Hamburg, das höchste Organ der studentischen Selbstverwaltung, zum Protest aufgerufen. In einem Flugblatt des AStA mit dem Titel „Rechtspopulistischer Osteuropaforscher Prof. Baberowski in der StaBi? Keine Uni dem Rassismus! Rechtsradikalen das Podium nehmen!“, das rund 30 Studierende vor dem Veranstaltungsraum an die ca. 60 Besucher verteilten, heißt es:

„Baberowski wurde – obwohl der AStA der Uni Hamburg darauf gedrängt hat – nicht ausgeladen. Deswegen wollen wir deutlich machen, dass es an der Uni keinen Platz für Rassismus gibt!“ Aufgabe der Uni sei es, „wie es in ihrem Leitbild heißt, ‚Wissenschaft im Dienst der Menschen’ zu betreiben, das bedeutet, aufklärend gegen alle Ungleichheitsideologien zu sein und an einer Welt mitzuarbeiten, in der Krieg, Ungleichheit und Ausgrenzung der Vergangenheit angehören“.

Ähnlich wie zuvor schon der Bremer AStA erklärt die Hamburger Studierendenvertretung: „Baberowski, umstrittener Dozent der Humboldt-Universität zu Berlin, rechtfertigte in der jüngeren Vergangenheit wiederholt gewalttätige Ausschreitungen gegen Geflüchtete und Anschläge auf deren Unterkünfte, bedient sich nationalistischen Vokabulars und vertritt rechtspopulistische Positionen im politischen Streit um migrationspolitische Fragen. Wir protestieren dagegen, dass einem Mann, der Menschen mit blankem Hass begegnet, die Möglichkeit geboten wird, auf einem Campus aufzutreten, der vorgeblich Offenheit ausstrahlen will.“

Das Statement belegt Baberowskis rechte Hetze anhand vieler Quellen und Zitate und schlussfolgert: „Baberowski steht der AfD in nichts nach. Seine Zeitungsinterviews lesen sich wie stumpfe Aneinanderreihungen altbekannter rechtspopulistischer Figuren wie das Gegeneinanderaufwiegeln sozial Benachteiligter [...], das Postulat der öffentlichen Meinungsdiktatur […] und der Lobgesang auf Nachbarstaaten mit restriktiveren Asyl- und Einwanderungsgesetzen.“ Zudem legitimiere und verharmlose er „Angriffe auf Geflüchtetenunterkünfte […] ganz im Ton des Pegida’schen ‚Wir sind das Volk’“.

Der Hamburger AStA kritisiert auch Baberowskis sogenannte „Gewaltforschung“, die „sich bestenfalls fragwürdig nennen“ könne. „Sie verzichtet größtenteils auf die Erforschung der Ursachen von Gewalt, negiert tendenziell die Möglichkeit von Gewaltprävention und erklärt ein noch härteres Durchgreifen des Staates als Souverän zur besten Möglichkeit, wie Gewalt entgegenzukommen sei.“ Baberowskis „Hobbe’sches Menschenbild nach dem Motto ‚Der Mensch ist des Menschen Wolf’“ ziehe sich auch durch dessen „politische Polemik gegen Geflüchtete, die er lieber gleich ‚illegale Einwanderer’ nennt“.

Die Erklärung endet mit den Worten: „Wir sind empört darüber, dass dem Verharmlosen rechter Gewalt überhaupt Raum geboten werden soll. Es liegt an uns, zu verhindern, dass rechtspopulistische Ideolog*innen ihre Lehren an dieser Universität propagieren.“ Und: „Es ist nicht richtig unter dem Deckmantel von ‘Meinungspluralität’, ‘Toleranz oder ähnlichem, Rechtspopulist*Innen ein Podium zu geben.“

Vertreter des Hamburger AStA berichteten der World Socialist Web Site, dass Baberowski seinen Hamburger Vortrag mit dem Titel „Zwischen Furcht und Faszination. Die Sowjetunion im Jahrhundert der Moderne“ nutzte, um seine rechten Standpunkte zu verbreiten. Oliver Vornfeld vom Referat für Öffentlichkeitsarbeit sagte, Baberowskis Vortrag sei letztlich auf die Argumentation hinausgelaufen, „die Thesen von Ernst Nolte im Historikerstreit zu wiederholen“. Er habe immer „wieder subtil eingestreut, dass der Nationalsozialismus in Deutschland eine Reaktion auf den Bolschewismus war und sich auch seine Organisationsform abgeguckt hätte von den Bolschewiki“.

Vornfeld berichtete, er habe in der Diskussion nach dem Vortrag einige Bemerkungen dazu gemacht. Unter anderem habe er die Wissenschaftlichkeit von Baberowskis Vortrag hinterfragt und darauf hingewiesen, dass der mittlerweile verstorbene Historiker und Nazi-Apologet Nolte „die letzten Jahrzehnte nur noch von Burschenschaftlern und anderen Rechtsradikalen in der BRD eingeladen“ worden sei. Baberowski habe ihm jedoch „nicht inhaltlich geantwortet, sondern mir implizit vorgeworfen, ich sei dumm und auf Verleumdung gehe er nicht ein“. Als eine weitere Person im Publikum Baberowskis Bezugnahmen auf Nolte kritisierte, sei dieser regelrecht „ausgerastet“ und habe „angefangen rumzuschreien und einzuschüchtern“.

Es steht außer Frage, dass Vornfeld Baberowskis Unterstützung für Nolte richtig erkannt und völlig zurecht kritisiert hat. Baberowski trat im Februar 2014 in einem langen Artikel im Spiegel, der auch in der internationalen Ausgabe von Spiegel Online veröffentlicht wurde, als offener Verteidiger von Nolte und dessen Thesen auf. „Nolte wurde Unrecht getan. Er hatte historisch recht“, sagte er dem Magazin. Im gleichen Artikel stellte er selbst Adolf Hitler in einem günstigen Licht dar: „Hitler war kein Psychopath, er war nicht grausam. Er wollte nicht, dass an seinem Tisch über die Judenvernichtung geredet wird.“

Bereits im Jahr 2012 hatten Historiker in der Zeitschrift Osteuropa darauf verwiesen, dass Baberowski in seinen Schriften zum Stalinismus implizit Noltes Standpunkte wiederholt und die nationalsozialistischen Verbrechen verharmlost.

So warf etwa Benno Ennker, der in Tübingen und St. Gallen lehrt, Baberowskis Buch Verbrannte Erde „eine implizite Entlastung der Wehrmacht“ vor und schrieb zu Baberowskis Behauptung, die Nationalsozialisten hätten ihren Vernichtungskrieg „nicht mehr unter Kontrolle bringen“ können: „Eine solche – durch nichts belegte – Exkulpation der ideologisch geplanten Vernichtungspolitik im Osten durch ‚Situation und Umstände’ ist bisher nur vom polnischen Skandal-Historiker Bogdan Musial bekannt gewesen.“[1]

Christoph Dieckmann vom Fritz Bauer Institut zur Geschichte und Wirkung des Holocaust warf Baberowski vor, er verkenne „die Forschungslage, die den weitgehenden Konsens der deutschen Führung und Wehrmachtspitzen vor dem Angriff auf die Sowjetunion belegt, binnen weniger Monate viele Millionen Sowjetbürger dem Hungertod auszuliefern.“ Angesichts dieser Forschungslage wirkten Baberowskis Ausführungen „apologetisch“.[2] Eine ausführliche Auseinandersetzung mit Baberowskis „Apologetik“ des Nationalsozialismus liefert der Artikel „Jörg Baberowskis Geschichtsfälschung“ von Christoph Vandreier im Buch „Wissenschaft oder Kriegspropaganda?“[3]

Baberowskis Verhalten in Hamburg war typisch für ihn. Er selbst beansprucht zwar für sich das Recht, ständig und überall seine rechten historischen und politischen Standpunkte zu verbreiten, für Krieg und gegen Flüchtlinge zu hetzen und selbst die Bundeskanzlerin aufs heftigste anzugreifen. Sobald es aber jemand wagt, ihm entgegenzutreten, versucht sich der Humboldt-Professor als Opfer einer Verleumdungskampagne darzustellen und verliert die Contenance. Baberowski ist berüchtigt dafür, Kritiker aus seinen Veranstaltungen zu werfen und missliebige Positionen zu unterdrücken.

Als Mitglieder der Hochschulgruppe der IYSSE an der Humboldt-Universität die rechten Standpunkte Baberowskis in Flugblättern und auf Veranstaltungen kritisierten, bezeichnete dieser die kritischen Studierenden als „Spinner“ und forderte, ihnen Hausverbot zu erteilen und sie strafrechtlich zu verfolgen.

Bereits im Februar 2014 hatte Baberowski ein öffentliches Kolloquium an der HU in einen geheimen Raum zu verlegt und einen Sicherheitsdienst engagiert, um jede inhaltliche Kritik an der Trotzki-Biographie des umstrittenen Historikers Robert Service zu unterdrücken. Dabei verwehrte er nicht nur David North, dem Chefredakteur der World Socialist Web Site und bekanntesten Kritiker von Service den Zugang zum Kolloquium, sondern auch Fachhistorikern wie Professor Mario Kessler von der Universität Potsdam sowie zahlreichen Studenten der Humboldt-Universität, die er verdächtigte, sie könnten kritische Fragen stellen.

Auch in Bremen war Baberowski offensichtlich nicht bereit, sich der Kritik der Studierenden zu stellen. Nachdem unter den Studierenden Protest an seinem Auftritt in den Räumen der Universität laut geworden war, verlegte er den Vortrag in die Privaträume der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), die ihn nach Bremen eingeladen hatte. Dort wurde der Vortrag durch zwei Dutzend Polizisten und einen privaten Sicherheitsdienst abgeschirmt, um jede kritische Stimme zu ersticken.

Während rechte Vertreter im Staatsapparat und in den Medien Baberowski umso heftiger verteidigen, je weiter dieser nach rechts rückt, sind Studierende nicht bereit, die Umwandlung ihrer Universitäten in Zentren für Kriegspropaganda und Militarismus hinzunehmen.

Der Vorstand des Hamburger AStA Philipp Droll berichtete der WSWS: „Wir haben eine Reihe von Auseinandersetzungen hinter uns. Z.B. gibt es einmal im Jahr vom Studierendenwerk eine Jobmesse. Da wollte die Bundeswehr einen Stand machen und da haben wir als Studierendenschaft eine längere Kampagne gemacht und erklärt, dass das nicht geht – und das Ganze hat dann auch nicht stattgefunden. Als es in der letzten Woche Werbung der Bundeswehr in den Mensen gab, haben wir beim Studierendenwerk dagegen Protest eingelegt und sie wurde gestoppt.“

Anmerkungen

[1] Ennker, Benno (2012): „Ohne Ideologie, ohne Staat, ohne Alternative? – Fragen an Jörg Baberowski“, in: Osteuropa, Jahrgang 62, Heft 4, April 2012, S. 112.

[2] Dieckmann, Christoph (2012): „Die Suche geht weiter – Stalin, der Stalinismus und das Rätsel der Gewalt“, in: Osteuropa, Jahrgang 62, Heft 4, April 2012, S. 131

[3] Vandreier, Christoph (2015): „Jörg Baberowskis Geschichtsfälschung“, in: Wissenschaft oder Kriegspropaganda? Die Wiederkehr des deutschen Militarismus und die Auseinandersetzung an der Berliner Humboldt-Universität, S. 95-132.

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