WikiLeaks-Dokument enthüllt: Citigroup bestimmte 2008 Obamas Kabinettsauswahl

Einen Monat vor der Präsidentschaftswahl 2008 hat die Wall Street-Großbank Citigroup Obamas Wahlkampfteam eine Liste ihrer Wunschkandidaten für Kabinettsposten in einer möglichen Obama-Regierung vorgelegt. Diese Liste stimmte fast vollständig mit der endgültigen Zusammensetzung von Barack Obamas Kabinett überein.

Das Memorandum ist Teil einer Veröffentlichung von Dokumenten aus dem E-Mail-Account von Hillary Clintons Wahlkampfleiter John Podesta durch WikiLeaks. Es wurde von Michael Frohman geschrieben, der damals im Vorstand der Citigroup saß und derzeit als Handelsbeauftragter der USA tätig ist. Als Datum ist der 6. Oktober 2008 angegeben, der Betreff lautet „Listen“. Nur einen Monat später wurde Podesta zum Vorsitzenden des Übergangsteams des neuen Präsidenten Obama ernannt.

Die E-Mail wurde auf dem Höhepunkt des Finanzzusammenbruchs geschickt, der nach der Pleite von Lehman Brothers am 15. September begann. Die E-Mail zeigt, dass Citigroup und die anderen Wall Street-Riesen die wahre Macht hinter der Fassade der amerikanischen Demokratie und ihres Wahlprozesses blieben, obwohl sie die amerikanische und die Weltwirtschaft in die tiefste Krise seit den 1930er Jahren gestürzt hatten.

Frohmans Liste hat sich als äußerst vorausschauend erwiesen. Genau wie er vorgeschlagen hatte, blieb Robert Gates, wie im Kabinett von George W. Bush Verteidigungsminister; Eric Holder wurde Justizminister; Janet Napolitano Ministerin für Innere Sicherheit; Rahm Emanuel Stabschef des Weißen Hauses; Susan Rice wurde UNO-Botschafterin; Arne Duncan Bildungsminister; Kathleen Sebelius Gesundheitsministerin; Peter Orszag Leiter des Amts für Verwaltung und Haushaltswesen; Eric Shinseki Kriegsveteranenminister; Melody Barnes wurde zur Leiterin des Innenpolitischen Rats ernannt.

Für die äußerst wichtige Position des Finanzministers wurden drei mögliche Kandidaten genannt: Robert Rubin, dessen enger Vertrauter Lawrence Summers und Timothy Geithner. Obama entschied sich für Geithner, der damals Präsident der Federal Reserve Bank von New York war. Geithner hatte gemeinsam mit Bushs Finanzminister und ehemaligem Goldman Sachs-Vorstandschef Henry Paulson und dem Fed-Vorsitzenden Ben Bernanke die Hauptrolle bei der Rettung der Wall Street gespielt.

Rubin war von 1995 bis 1999 Finanzminister unter Bill Clinton gewesen und Summers sein Nachfolger. Im Rahmen dieser Tätigkeit waren Rubin und Summers für die Abschaffung des Glass-Steagall Act von 1933 verantwortlich, der eine rechtliche Barriere zwischen Geschäfts- und Investmentbanken errichtet hatte. Direkt nach seinem Rücktritt als Finanzminister nahm Rubin einen hohen Vorstandsposten bei Citigroup an, auf dem er bis 2009 blieb.

Ein wichtiger Aspekt von Frohmans Nachricht ist ihre Instrumentalisierung der Identitätspolitik. Zu den Wunschlisten der Citigroup an Podesta gehörte eine „Diversitätsliste,“ auf der „afroamerikanische, lateinamerikanische und asiatisch-amerikanische Kandidaten“ aufgelistet waren, „geordnet nach Kabinetts-, Stellvertreter und Unterstellvertreterposten, Staatssekretären und stellvertretenden Staatssekretären“ und, wie Frohman schrieb, „ein ähnliches Dokument mit Frauen.“ Frohman legte bei seiner Kabinettsliste für das Weiße Haus auch Wert auf Vielfältigkeit und wog die Wahrscheinlichkeit der Ernennung eines Kandidaten aus einer Randgruppe für jede Position ab. Diese Liste endete mit einer Tabelle, auf der 31 Ernennungen nach Hautfarbe und Geschlecht geordnet waren.

Nur drei Tage vor der E-Mail mit den Empfehlungen der Citigroup hatte der damalige Präsident George W. Bush das Troubled Asset Relief Program (TARP) unterzeichnet, durch das 700 Milliarden Dollar Steuergelder zur Rettung der größten Wall Street-Banken bereitgestellt wurden. Der größte individuelle Nutznießer war die Citigroup. Die Regierung kaufte Aktien im Wert von 45 Milliarden Dollar auf und garantierte außerdem mit 306 Milliarden Dollar für ihre wertlosen Vermögenswerte aus dem Hypothekenhandel.

Der damalige Präsidentschaftskandidat Obama spielte eine wichtige Rolle dabei, die höchst unpopuläre Bankenrettung durch den Kongress zu bringen. Der Zusammenbruch des Finanzmarktes im September überzeugte entscheidende Teile der amerikanischen Wirtschafts- und Finanzelite, dass der Demokratische Kandidat der „Hoffnung“ und des „Wandels“ den Widerstand der Bevölkerung gegen die Bankenrettung besser kontrollieren könne als sein Republikanischer Rivale Senator John McCain aus Arizona.

Als Präsident hat Obama nicht nur Billionen Dollar in die Banken gepumpt, sondern auch dafür gesorgt, dass kein einziger führender Wall Street-Vorstand für die Spekulations- und Betrugsorgie angeklagt wurde, die zum Zusammenbruch des Finanzsystems und der Großen Rezession führte. Er schritt persönlich ein, um Gesetze zu blockieren, die die Vorstandsgehälter von Firmen begrenzten, die Geld aus dem Rettungspaket in Anspruch genommen hatten.

Der gleiche hinterhältige und korrupte Prozess findet auch bei einer möglichen Regierung unter Hillary Clinton oder Donald Trump statt. Frohmans E-Mail ist eine von tausenden, die WikiLeaks von Podestas Account veröffentlicht hat. Nachrichten wie die Frohman-Mail, die enthüllen, wer Amerika wirklich regiert, wurden von den Medien fast vollständig ignoriert. Die den Demokraten nahestehende New Republic wies am Freitag in einem Artikel zwar kurz darauf hin, aber die Story wurde nicht weiter oder kaum aufgegriffen.

Die Medien konzentrierten sich stattdessen auf die schlüpfrigen Details der sexuellen Aktivitäten des Republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump. Damit versuchen sie, die Aufmerksamkeit vom Inhalt der Veröffentlichungen von Clintons Wahlkampf-E-Mails und anderen Enthüllungen durch WikiLeaks abzulenken.

Die New Republic wies nicht deshalb auf die Frohman-Mail hin, weil sie solche Machenschaften ablehnt, sondern als Warnung an diejenigen, deren Interessen sie repräsentiert. Sie sollten jetzt handeln, um die Zusammensetzung einer Regierung unter Hillary Clinton zu beeinflussen.

Der New Republic-Autor David Dayen schrieb: „Wenn die Podesta-Mails von 2008 etwas deutlich machen, dann dass die Politik der nächsten vier Jahre bereits jetzt hinter verschlossenen Türen entschieden wird. Und wenn Liberale einen Einfluss auf diesen Prozess haben wollen, dürfen sie nicht bis nach der Wahl warten, sonst ist es zu spät.“

Loading