Nach einem Bericht der New York Times vom Dienstag hat US-Verteidigungsminister Ashton Carter den obersten nationalen Sicherheitsberatern von Präsident Obama am 22. Februar einen detaillierten Plan für umfangreiche Militäroperationen in ganz Libyen vorgelegt.
Ausgearbeitet wurde der Plan vom Africa Command des Pentagon und dem Joint Special Operations Command (JSOC). Er sieht Berichten zufolge Luftschläge gegen 30 bis 40 Ziele vor, die mutmaßlich vom Islamischen Staat (IS) kontrolliert werden.
Die Times schrieb unter Berufung auf anonyme Regierungsvertreter, sobald Obama den Plan genehmigt habe, würden Kampfflugzeuge Angriffe auf mutmaßliche IS-Ausbildungslager, Kommandozentren und Munitionslager fliegen und verschiedenen von den USA unterstützten Milizen Luftunterstützung geben. Zu diesen Milizen gehören islamistische Elemente, ähnlich wie der IS.
Wie zu erwarten war, erwähnte die Times nicht, dass die Obama-Regierung selbst für die Destabilisierung Libyens und die Ausbreitung des IS und anderer islamistischer Milizen in der Region verantwortlich ist.
Im Jahr 2011 begannen die USA und ihre imperialistischen Verbündeten in Europa eine Operation zum Regimewechsel in Libyen mit dem Ziel, den langjährigen Staatschef des ölreichen Landes, Muammar Gaddafi, zu stürzen. Als scheinlegale Rechtfertigung diente ihnen die Behauptung, die „Schutzverantwortung gegenüber der Bevölkerung“ (Responsibility to Protect) verpflichte sie dazu, regierungsfeindliche Demonstranten in Bengasi vor einem drohenden Massaker zu schützen.
Diese angeblich humanitäre Operation unter Führung von Obamas damaliger Außenministerin Hillary Clinton forderte fast 30.000 Todesopfer. Nach dem brutalen Lynchmord an Gaddafi folgten der faktische Zerfall Libyens in mehrere rivalisierende Teile und die Destabilisierung von Ländern im ganzen Nahen Osten und in Westafrika.
Seit 2011 haben die USA und ihre Verbündeten in Libyen immer wieder Luftangriffe geflogen und ihre Spezialeinheiten auf Missionen geschickt. Laut US-Regierungsvertretern wird diese Praxis unabhängig von den Plänen für weitere Militäroperationen fortgeführt. Letzten Monat flogen die USA einen Luftangriff auf ein mutmaßliches Ausbildungslager des IS nahe der tunesischen Grenze, bei dem bis zu 50 Menschen getötet wurden.
Am Montagabend forderte die demokratische Spitzenkandidatin des diesjährigen Vorwahlkampfs Hillary Clinton bei einer von Fox News organisierten Diskussionsveranstaltung erneut eine militärische Intervention. Sie sprach sich für die Entsendung von Spezialeinheiten nach Libyen und eine Ausweitung der amerikanischen Militäroperationen aus.
Clinton erklärte ihrem Publikum: „Wie Sie bereits aus den Schlagzeilen und den Nachrichten wissen, setzen wir bereits Spezialeinheiten und Luftangriffe ein, um die IS-Führung zu verfolgen. Wir sollten [die Libyer] unterstützen, nicht nur mit Spezialkräften und Luftangriffen gegen Terroristen, sondern auch bei der Sicherung ihrer Grenze und im Kampf gegen einige der inneren Herausforderungen.“
Offiziell behaupten die USA und ihre europäischen Verbündeten, sie würden erst dann mit Militäroperationen beginnen, wenn in Libyen eine Allparteienregierung gebildet worden sei. In Wirklichkeit wurden in den letzten Wochen schon hunderte von Spezialkräften heimlich nach Libyen entsandt, um die Grundlagen für einen größeren Angriff zu schaffen. Amerikanische, französische und britische Flugzeuge führen bereits Aufklärungsflüge über dem Land durch.
Amerikanische, britische, italienische und französische Soldaten wurden nach Misrata in Westlibyen und nach Bengasi im Osten des Landes verlegt, um Milizen auszubilden und zu bewaffnen. Diese sind mit einem immer größer werdenden Ableger des IS konfrontiert, dessen Hauptquartier in Sirte liegt.
Zu den größten Gruppen, die Unterstützung erhalten, zählen die dem islamistischen Neuen Allgemeinen Nationalkongress in Tripolis angeschlossene Lybische Morgenröte. Zu ihr gehören auch mit Al Qaida verbündete Kämpfer. Ebenfalls unterstützt werden Truppen des Abgeordnetenrates aus Tobruk, darunter auch die des libyschen Generals Khalifa Hifter, der von der CIA gestützt wird.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Italien spielt eine besonders wichtige Rolle bei der Vorbereitung neuer Militäroperationen in seiner ehemaligen Kolonie. In Rom wurde ein gemeinsames militärisches Operationszentrum eingerichtet. Im Februar wurde mit den USA ein Abkommen ausgehandelt, das diesen erlaubt, vom Luftwaffenstützpunkt Sigonella auf Sizilien aus mit bemannten Flugzeugen und Drohnen Luftangriffe zur Verteidigung der Spezialkräfte in Libyen zu fliegen.
Letzten Freitag sagte der amerikanische Botschafter in Italien, John Phillips, der Zeitung Corriere della Sera, Italien bereite die Entsendung von 5.000 Soldaten nach Libyen vor, um gegen den IS zu kämpfen. Er erklärte: „Wir müssen Tripolis sicher machen und sicherstellen, dass der IS nicht mehr ungehindert Anschläge verüben kann.“
Der italienische Premierminister Matteo Renzi dementierte daraufhin am Wochenende in einem Fernsehinterview, dass Italien eine Invasion vorbereite, schloss jedoch eine größere Militärintervention nicht grundsätzlich aus. Er erklärte: „Sollte eine Intervention notwendig werden, dann wird sich Italien nicht zurückhalten. Aber diese Situation besteht momentan nicht. Die Option, 5.000 Soldaten zu schicken, erwägen wir nicht.“
Trotz Renzis öffentlicher Dementis hat die italienische Regierung bereits mindestens 40 Geheimagenten und 50 Spezialkräfte entsandt, um eine noch größere Operation vorzubereiten. Die Financial Times zitierte einen anonymen westlichen Diplomaten in Rom, laut dem Italien „ziemlich gut auf Operationen vorbereitet ist, wenn es erst einmal grünes Licht dafür gibt. Sie haben eine klare Vorstellung davon, was sie tun wollen.“
Ein wichtiger Faktor in der derzeitigen Kampagne für eine Ausweitung der Militäroperationen in Libyen sind die verstärkten Bemühungen, hunderttausende von Flüchtlingen aufzuhalten, die weiterhin aus ihren Heimatländern im Nahen Osten und Nordafrika ins sichere Europa fliehen, nachdem ihre Heimatländer durch die imperialistischen Militäroperationen der letzten eineinhalb Jahrzehnte zerstört worden sind.
Ludovico Carlino, Chefanalyst für Risiken der Länder im Nahen Osten und Nordafrika bei IHS, erklärte Ende letzten Monat auf Tunisia Live: „Der herannahende Frühling und die Aussicht auf einen neuen Strom von Flüchtlingen aus Libyen bringen den Westen eindeutig dazu, sich über eine Militärintervention und ihre Eckpunkte einig zu werden.“ In den letzten Tagen haben die Europäische Union und die Nato ihre Militäroperationen in der Ägäis verstärkt. Ihr Ziel ist es, die hauptsächlich aus Syrien, dem Irak und Afghanistan stammenden Flüchtlinge zurückzudrängen, die versuchen, per Boot von der Türkei nach Griechenland zu kommen.