Agent Orange: Opfer des Vietnamkriegs in der vierten Generation

Am 13. Dezember strahlte die ARD eine Dokumentation mit dem Titel „Auf ewig verseucht“ über die grausamen Spätfolgen des Dioxin-Gifts Agent Orange aus, das die amerikanischen Streitkräfte vor 40 Jahren im Vietnamkrieg einsetzten. Das Gift sollte die Wälder entlauben, in denen sie Vietkong-Kämpfer vermuteten, die sie bombardieren wollten.

Von 1964 bis 1975 führten die USA unterstützt von einer Reihe Verbündeter einen Kolonialkrieg gegen das kommunistische Nordvietnam und die Nationale Befreiungsfront Südvietnams (Vietcong), der mit der Niederlage der USA endete. Im Krieg starben zwei bis fünf Millionen Vietnamesen und über 60.000 Soldaten der USA und ihrer Verbündeten.

In den 70er Jahren versprühten die USA 70 Millionen Tonnen Agent Orange über Vietnam. Drei Millionen Menschen leiden noch immer an schlimmen Haut- und anderen Krankheiten. Die meisten sind missgebildet, andere haben organische Schäden, Krebs oder leiden psychisch. Die US-Regierung weigert sich bis heute, die Opfer zu entschädigen.

Inzwischen ist die vierte Generation betroffen und ein Ende ist nicht abzusehen. Weil Dioxin eine Schädigung der Gene verursacht, werden von Eltern, die dem Gift ausgesetzt waren, bis heute Kinder mit furchtbaren Missbildungen oder Krankheiten geboren. Viele sind mit ihren verkümmerten Gliedmaßen unfähig zu laufen. Andere haben Tumore, viele haben riesige schwarze Flecken überall auf der Haut, andere haben keine Augen oder kein Gehör.

Nur ganz wenige öffentliche Einrichtungen, Heime oder Kliniken in dem armen Land, die aus Spenden finanziert werden, sind in der Lage, den betroffenen Familien zu helfen. Die meisten sind sich selbst überlassen und haben keine Hoffnung, dass sich ihre Lage oder die ihrer Kinder bessern könnte.

Vor zehn Jahren hatte das ARD-Team mit dem britischen Regisseur James Pasouna Menschen besucht, deren Kinder durch das Agent Orange schwer geschädigt worden waren. Das Team hatte Vietnamesen begleitet, die sich für eine Entschädigung durch die US-Amerikaner einsetzen. Der Film löste damals eine Welle von Unterstützungen aus Deutschland aus.

Ein Jahrzehnt später, im August 2015, suchten die Filmleute die Betroffenen von damals erneut auf und wollen herausfinden, was aus ihnen geworden ist und ob es ihnen inzwischen besser geht. Aber die Hoffnung auf ein besseres und gesünderes Leben in der Zukunft für ihre Kinder und Kindeskinder, auf saubere Flüsse, Seen und Boden hat sich nicht erfüllt.

Im Gegenteil. Viele Eltern sind in größter Sorge. Ihre inzwischen erwachsenen kranken oder schwerstbehinderten Kinder waren nicht in der Lage, eine Schule zu besuchen oder einen Beruf zu lernen und sind permanent auf Hilfe und Pflege angewiesen. Aber die Eltern werden alt und wissen nicht, was aus den Kindern wird, wenn sie zu schwach werden oder sterben.

Die Väter oder Mütter leiden selbst oft unter schweren Depressionen. Das Team besuchte zusammen mit einer Hilfsorganisation u. a. eine Familie, eine alleinstehende todkranke Mutter, die weiß, dass sie bald stirbt, mit vier schwerkranken Kindern. Ihre größte Sorge dreht sich um die Zukunft ihrer Kinder. Sie hofft, dass die Organisation sich um sie kümmern kann, aber diese verfügt über so knappe Mittel, dass sie eine strenge Auswahl unter den Hilfsbedürftigen treffen muss.

Etliche der vor zehn Jahren besuchten Opfer sind bereits gestorben. Aber es sind neue dazugekommen, denn immer noch sind große Gebiete verseucht. So wurde eine Familie gezeigt, die in der Nähe des ehemaligen amerikanischen Militärflughafens von Da Nang wohnt. Das Gelände ist hochgradig verseucht. Der Vater der Familie erhielt Arbeit auf dem Flughafengelände. Er und seine Kollegen wussten nichts von der Kontamination. Sie arbeiteten dort, gingen sogar in einem angrenzenden See angeln und aßen die Fische. Das Gelände weist heute noch das 350-fache des zulässigen Dioxin-Werts im Boden auf.

Die Familie hat drei Kinder. Eine Tochter, die geboren wurde, bevor der Vater die Arbeit am Flughafen bekam. Sie ist vollkommen gesund. Die beiden jüngsten Kinder sind vollkommen missgebildet. Zwar hat sich inzwischen die US-Regierung bereiterklärt, das Gelände zu sanieren, aber es ist bei weitem nicht das einzige schwer kontaminierte. Die Geschädigten gehen weiterhin leer aus, weil die US-Regierung den Zusammenhang zwischen den Erkrankungen und Agent Orange bestreitet. Es gibt mindestens 28 verseuchte Regionen im Land.

Eine andere Familie hat zwei schwerkranke Töchter. Eine musste bereits fünf Gehirnoperationen über sich ergehen lassen. Die übrigen elf Kinder, die die Mutter zur Welt brachte, sind alle als Säuglinge bereits kurz nach der Geburt gestorben. Die Eltern hofften jedes Mal, es würde ein gesundes Kind werden.

Ho Shi Hai, ein Vater von drei gehörlos geborenen Söhnen, setzt sich für die Opfer ein und kämpft dafür, dass sie entschädigt werden. Durch seine Bemühungen konnte, finanziert durch Spenden, ein Heim gebaut werden, das bis zu 100 Menschen aufnehmen könnte. Aber das Geld für deren Unterhalt fehlt, so dass es zur Zeit nur 25 aufnehmen kann.

Nur in ganz wenigen Fällen kann den Opfern medizinisch geholfen werden. In der Regel gibt es in Vietnam keine Kliniken, die dazu ausreichend ausgestattet sind. Eine Studentin, die einen großen Tumor im Gesicht hatte, konnte in England operiert und geheilt werden. Aber das war der einzige derartige Fall, den die Dokumentation zeigen konnte.

Im Gegensatz zur US-Regierung, die nichts tut, um den Opfern zu helfen, bemühen sich ehemalige Soldaten, die in den 70er Jahren in Vietnam kämpfen mussten, mit bescheidenen Mitteln, Opferfamilien zu unterstützen. So wurde ein ehemaliger Offizier gezeigt, der jetzt in Vietnam lebt. Er lässt seine Agent Orange-Entschädigung in Höhe von 300 Dollar, die seine Regierung ihm zahlt, einer Opfer-Familie zukommen. Er ist jetzt Rentner und kümmert sich um sie. Da er Ingenieur war, hat er auch Untersuchungen angestellt, auf welche Weise das Gift vom Flughafen ins Wassersystem gelangt und so immer weitere Menschen bedroht.

Das Filmteam zeigt die Opfer sehr behutsam und voller Respekt. Im Krankenhaus in Ho-Chi-Minh-Stadt gibt es immer wieder neue Fälle von Dioxin-Opfern. Eine Krankenschwester einer Station, die sich liebevoll um die schwerkranken Kinder kümmert, meinte resigniert: „Es hört einfach nicht auf.“

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