Der deutsche Rüstungskonzern ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) kämpft um einen milliardenschweren U-Boot-Auftrag in Australien und arbeitet dabei aufs engste mit der Bundesregierung und der Bundeswehr zusammen.
Die australische Regierung will in den kommenden zwanzig Jahren 89 Milliarden australische Dollar (60 Milliarden Euro) in den Bau neuer Kriegsschiffe investieren. Anfang letzter Woche gab Premierminister Tony Abbott bekannt, dass das Programm um drei Jahre vorgezogen wird.
Das riesige Flottenprogramm ist Bestandteil der Kriegsvorbereitungen gegen China, die die US-Regierung im Rahmen ihres „Pivot to Asia“ (Schwerpunktverlagerung nach Asien) vorantreibt. Australien ist dabei ein wichtiger Verbündeter und dient den USA als Aufmarschgebiet. Die US-Regierung drängt deshalb seit längerer Zeit auf eine Modernisierung und Aufrüstung der australischen Marine.
Teil des Projekts ist der Bau zwölf neuer U-Boote. Diesen Auftrag im Wert von 50 Milliarden australischer Dollar (35 Milliarden Euro) will sich TKMS unter den Nagel reißen.
TKMS ist ein Geschäftsbereich des ThyssenKrupp-Konzerns, der sich ausschließlich auf den Bau militärischer Schiffe, von Fregatten und U-Booten, sowie auf deren Wartung konzentriert. Im Laufe der Jahre durch den Zusammenschluss der ThyssenKrupp-Werften, der Howaldtswerke-Deutsche Werft AG und von Blohm + Voss entstanden, beschäftigt das Unternehmen mit Sitz in Kiel weltweit 3.200 Mitarbeiter.
Der lukrative australische U-Boot-Auftrag ist heiß umworben. Japanische, französische und deutsche Rüstungskonzerne kämpfen darum, einen möglichst großen Teil zu erhalten. Außerdem fordern australische Politiker und Medien, dass die neuen U-Boote in Australien selbst gebaut werden. Die australische Regierung verlangt von den Bewerbern, dass sie Vorschläge für mehrere Optionen anbieten: für den Bau in Australien, für den Bau im Ausland und für eine Mischform.
TKMS wird beim Werben um den Auftrag, der in den nächsten Monaten vergeben werden soll, von der Bundesregierung und dem Verteidigungsministerium unterstützt. Im April stattete der australische Verteidigungsminister Kevin Andrews in Begleitung hochrangiger Militärs der Kieler Werft von TKMS einen geheimen Besuch ab und reiste anschließend direkt nach Berlin zu einem Treffen mit Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) weiter.
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) äußerte sich im Vorfeld von Andrews Besuch optimistisch, dass die Kieler Werft den Zuschlag für den U-Bootauftrag bekommen werde: „Die Bundesregierung bis hin zur Kanzlerin, ich auch, haben uns sehr dafür eingesetzt, dass Australien die Qualität der deutschen Werft kennen lernt, und ich glaube, dass HDW große Chancen hat“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
Der Spiegel vom 1. August schildert unter der Überschrift „Laufburschen in Uniform“ die enge Zusammenarbeit von Regierung, Bundeswehr und Rüstungsindustrie im internationalen Waffengeschäft. So konnte TKMS zwei Fregatten im Wert von zwei Milliarden Euro an das autoritäre Regime in Algerien verkaufen, weil sich die Bundeswehr verpflichtete, algerische Marinesoldaten in der Bedienung der hochmodernen Technik der Fregatten auszubilden.
Der Spiegel kritisiert diese Praxis, weil er fürchtet, dass deshalb die Ausbildung der eigenen Soldaten zu kurz kommt. Er zitiert einen Insider mit den Worten: „Und Algerien ist nur ein Beispiel von vielen. Derzeit ist die deutsche U-Boot-Flotte nur noch bedingt einsatzbereit. Nicht zuletzt, weil die Besatzungen als ,Fahrlehrer’ für TKMS-Klienten wie Griechenland, Südafrika, Israel, Portugal, Kolumbien oder Singapur ranmüssen.“
Insgesamt haben seit den 1960er Jahren weltweit zwanzig Länder U-Boote aus Kiel gekauft. TKMS ist damit Weltmarktführer im konventionellen, nicht-nuklearen U-Boot-Bau. Insgesamt haben TKMS und seine Vorgänger in dieser Zeit 161 U-Boote gebaut, 50 davon in den Ländern der Auftraggeber.
Die deutsche Botschaft in Canberra betätigt sich direkt als Verkaufsbüro für den privaten Rüstungskonzern. Der Spiegel zitiert aus einem als „Verschlussache“ klassifizierten Bericht der Botschaft, der eine „kontinuierliche Abstimmung zwischen der Bundesregierung und TKMS“ fordert, um das Angebot „Deutschlands“ (sic) zu „formulieren und zu promovieren“. Dafür sei „eine deutliche Verstärkung des Militär-Attaché-Stabs“ in Canberra nötig.
ThyssenKrupp-Vorstandschef Heinrich Hiesinger forderte Verteidigungsministerin von der Leyen in einem Schreiben vom März auf, TKMS „Ansprechpartner aus Ihrem Hause zu benennen“ und einen „formalen Dialogprozess zwischen ThyssenKrupp Marine Systems und Ihrem Haus zu initiieren“. Dieser solle es ermöglichen, die geforderten „Konzepte, sowohl gemeinsam mit den Dienststellen der Bundeswehr als auch trilaterial mit den Australiern, zu erarbeiten und abzustimmen.“
Deutlicher kann man die Verflechtung zwischen Rüstungsindustrie, Regierung und Bundeswehr nicht zum Ausdruck bringen!
Nicht zufällig sind Konzerne wie ThyssenKrupp und Siemens, die Rüstungsgüter, Überwachungssysteme und Polizeiausrüstung exportieren, immer wieder mit Korruptions- und Bestechungsvorwürfen konfrontiert.
So liegen dem Handelsblatt einige Tausend Seiten interner Dokumente vor, die auf zweifelhafte Geschäftspraktiken beim Verkauf von U-Booten aus dem Hause ThyssenKrupp hindeuten. Vor einigen Jahren habe ein Londoner Konzernableger namens Marine Force International (MFI) Geld zu dubiosen Beratern in Abnehmerländern gelotst, um Aufträge zu sichern. Als Beispiele werden Griechenland, Südkorea und die Türkei genannt.
Die Förderung des Rüstungsexports ist Bestandteil des Bestrebens der Bundesregierung, Deutschland auch militärisch wieder zu einer Weltmacht zu machen. Die eigene Rüstungsindustrie, die dazu nötig ist, lässt sich nur finanzieren, wenn sie teure Waffen auch in großem Umfang exportiert. Entgegen den Ankündigungen von Wirtschaftsminister Gabriel hat die Bundesregierung die Rüstungsexporte deshalb nicht beschränkt, sondern verdoppelt. In der ersten Hälfte dieses Jahres wurden mit 6,35 Milliarden Euro Rüstungsexporte in einer Höhe genehmigt, wie im gesamten Jahr 2014.
Bereits Ende Juni hatte Der Spiegel berichtet, dass die Bundesregierung die Entwicklung von Panzern und U-Booten ressortübergreifend mit staatlichen Fördergeldern subventionieren will. Eine geheim tagende Runde aus Staatssekretären habe sich darauf geeinigt, diese Bereiche als sogenannt Schlüsseltechnologien zu definieren. Panzerschmieden wie Krauss-Maffei Wegmann oder die TKMS können dann Fördertöpfe anzapfen, wenn sie Waffensysteme entwickeln und dabei in neue Technik investieren. Bei einer Ausschreibung der Bundeswehr sollen sie im Zweifel den Zuschlag vor ausländischen Konkurrenten erhalten. Auch die Exportförderung gehört zu diesem Programm.
So findet weitgehend hinter dem Rücken der Bevölkerung eine gewaltige Aufrüstung statt, die die Kriegsgefahr weiter verstärkt und gleichzeitig der Rüstungsindustrie lukrative Aufträge sichert. Die Entwicklung erinnert an die Jahre vor dem Ersten Weltkrieg, als Unternehmen wie Krupp deutsche und andere Armeen in großem Umfang ausrüsteten und selbst zu den stärksten Kriegstreibern zählten. Krupp profitierte im Krieg zwischen Deutschland und Frankreich vom Einsatz seiner Waffen auf beiden Seiten der Front.
Der Revolutionär Karl Liebknecht warnte damals als Reichstagsabgeordneter der SPD unermüdlich vor den kriminellen Machenschaften der Rüstungsindustrie und ihren engen Verbindungen zum Militär und zum Kriegsministerium. Gegen Krupp wurde aufgrund der Enthüllungen Liebknechts sogar ein Prozess angestrengt.
Liebknecht beschränkte sich bei seinem Kampf gegen Militarismus und Kriegsgefahr aber nicht auf das Parlament. Er bemühte sich auch, den Kampf gegen das Rüstungskapital international zu organisieren und sprach auf Massenversammlungen und Veranstaltungen in Frankreich, Belgien, Holland und England.
Im April 1913 organisierte die SPD eine große Kampagne unter der Losung „Nieder mit der Militärvorlage!“, „Keinen Mann und keinen Groschen für neue Rüstungen!“, die von Karl Liebknecht geprägt war. Allein in Berlin und Umgebung protestierten am 6. April 1913 60 Volksversammlungen gegen die steigenden Rüstungslasten.
Die SPD-Mehrheit verriet allerdings bei Kriegsausbruch im Sommer 1914 ihr Programm und stimmte den Kriegskrediten zu, während Liebknecht seinen Überzeugungen treu blieb und gemeinsam mit Rosa Luxemburg den Widerstand gegen den Krieg organisierte.