Erneut müssen tausende Karstadt-Beschäftigte um ihre Arbeitsplätze bangen. Fast 40 Prozent der knapp 16.000 verbliebenen Arbeitsplätze sind gefährdet. Sowohl die klassischen Warenhäuser, die Karstadt-Sporthäuser, die Gastro-Tochter Le-Buffet und die Feinkostsparte Perfetto sind betroffen.
Bereits im Februar dieses Jahres hatten Verdi und der Betriebsrat der Entlassung von 1400 Beschäftigten zugestimmt. Nun legt die Karstadt-Geschäftsführung nach. Bei den letzten Tarifverhandlungen am 10. April habe der Konzern deutlich gemacht, dass sowohl bei den 81 Warenhäusern als auch bei den 28 Karstadt-Sporthäusern die Schließung von Filialen und zusätzlicher Personalabbau geplant seien, berichtete Verdi-Verhandlungsführer Arno Peukes.
Auf einer so genannten Fokusliste, man kann sie auch als Abschussliste bezeichnen, stehen statt 21 nun 28 Warenhäuser, die geschlossen werden sollen. Bei den Karstadt-Sport-Filialen sind es sechs. Hinzu soll in zehn Sport-Filialen Personal eingespart werden. Ferner will sich die Geschäftsleitung die Möglichkeit offen halten, Verkaufsflächen fremd bewirtschaften zu lassen.
Für sechs Karstadt-Filialen steht der Schließungstermin bereits fest. Die Warenhäuser in Hamburg-Billstedt und Stuttgart Ende sowie zwei auf eine jüngere Kundschaft ausgerichteten K-Town-Filialen in Göttingen und Köln werden im Juni geschlossen. Zwei sogenannte Schnäppchencenter schließen ebenfalls, das in Frankfurt (Oder) bereits Ende April und das in Paderborn Ende Juni.
Auch in der Karstadt Zentrale in Essen-Bredeney haben bereits 350 von insgesamt 1600 Beschäftigen ihren Arbeitsplatz verloren. Hinzu kommen 27 Stellen, die in der Essener Filiale im Einkaufszentrum Limbecker Platz gestrichen wurden. Wie die Regionalzeitung WAZ (Westdeutsche Allgemeine Zeitung) in ihrer Online-Ausgabe berichtet, haben 150 Beschäftigte der Zentrale vor wenigen Wochen ihre Kündigungen erhalten. Die restlichen 200 Mitarbeiter wurden in die Altersteilzeit abgeschoben oder mit Abfindungsregelungen aus dem Betrieb gedrängt.
Zu den jetzt verlangten neuen Angriffen zählt auch die Verschiebung der vollständigen Rückkehr in die Tarifbindung. Sie soll durch eine stufenweise Angleichung über einen Zeitraum von insgesamt sechs Jahren erfolgen. Verdi hatte in der Vergangenheit mehrmals hohen Lohnsenkungen zugestimmt. Zuletzt hatte sie im Mai 2013 eine „Lohnpause“ vereinbart.
Laut Verdi will Karstadt nach der bereits erfolgten Kürzung der Personalkosten in Höhe von 92 Millionen Euro weitere 240 Millionen Euro bei den Beschäftigten einsparen.
Die Reaktion von Verdi auf diese Ankündigungen ist zynisch. Wiederholt drohte die Gewerkschaft mit Protesten der Belegschaft. „Die Pläne, die die Arbeitgeber auf den Tisch gelegt haben – Tarifverzicht und weitere Kahlschlagpolitik – sind für uns absolut inakzeptabel“, behauptete Peukes. Die Arbeitgeber müssten ein „vernünftiges Angebot“ vorlegen: „Sonst sehen wir uns auf der Straße wieder.“ In Wirklichkeit ist dies nur die Begleitmusik, mit der die Geschäftsleitung ihre Pläne zusammen mit Betriebsrat und Gewerkschaft gegen die Belegschaft durchsetzt.
Denn nichts liegt Verdi ferner, als die Belegschaften aller Karstadt-Häuser zu mobilisieren – von Belegschaften anderer Kaufhäuser oder gar Branchen ganz zu schweigen. Schritt für Schritt besiegeln Verdi und Betriebsrat das Schicksal Tausender von Karstadt-Beschäftigten und ihrer Familien.
Für die drei Premiumhäuser – KaDeWe in Berlin, Oberpollinger in München und Alsterhaus in Hamburg – mit insgesamt 1800 Beschäftigten hat die Verdi-Tarifkommission bereits einem Deal mit der Konzernspitze zugestimmt. Hier werde man stufenweise binnen dreieinhalb Jahren wieder zu den regionalen Entgelttarifen zurückkehren. Karstadt soll für die Laufzeit des Vertrages bis zum 30. September 2018 versichert haben, auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten.
Mit der Einigung bei den profitablen Premiumhäusern haben Verdi und Betriebsrat freiwillig ihren besten Trumpf aus der Hand gegeben. Auf diese Art und Weise spalten Gewerkschaft und Betriebsrat die Belegschaft, spielen sie gegeneinander aus und verhindern so einen gemeinsamen Arbeitskampf.
Gleichzeitig haben sie bisher bei jedem Wechsel den neuen Investor und Geschäftsführer freudig begrüßt und einer neuen Runde von Kürzungen zugestimmt. Dem zwielichtigen österreichischen Immobilienmakler René Benko unterstellen sie genauso wie zuvor dem Investor Nicolas Berggruen ernsthafte und edle Absichten.
Der vorbestrafte Benko hatte letztes Jahr den Karstadt-Konzern vom Milliardär Berggruen für einen Kaufpreis von einem Euro übernommen, nachdem letzterer sich am Traditionskonzern bereichert hatte. Nun erklärt Verdi-Mann Peukes: „Die Pläne der Karstadt-Eigner haben nichts mehr mit der Entwicklung eines erfolgreichen Konzepts für das Warenhaus der Zukunft zu tun.“ Und Verdi-Vorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger sekundiert: „Herr Benko wird sich an seinen Taten messen lassen müssen: Will er die Immobilien oder will er den Handel?“
Für alle außerhalb der Gewerkschaft ist klar, was Benko will: die Immobilien. Es ist kein Geheimnis, wie er seine Milliarden „verdient“ hat. Inzwischen ist aus der Presse zu erfahren, dass gegen Benko erneut in einem Immobilienfall ermittelt wird.
Wie ein Sprecher der Wiener Staatsanwaltschaft den Vorarlberger Nachrichten sagte, geht es um den Vorwurfs der Vorteilnahme und Vorteilszuwendung. Benko soll für einen maroden Berggasthof in Österreich der Gemeinde eine halbe Million Euro bezahlt haben, um ihr das Vorkaufsrecht abzukaufen. Benko ließ den Gasthof abreißen und ein Luxus-Chalet bauen. Die Geldflüsse rund um das Verkaufsrecht werden nun untersucht. Sollte sich der Verdacht der Vorteilnahme und Vorteilszuwendung bestätigen und er in einem Prozess verurteilt werden, könnte ihm in Österreich eine Gefängnisstrafe drohen.