Am Sonntag identifizierte die dänische Polizei den Todesschützen von Kopenhagen als Omar Abdel Hamid El-Hussein. Er wird beschuldigt, eine Konferenz über Meinungsfreiheit und danach eine Synagoge angegriffen zu haben.
Der Schütze wurde am Sonntagmorgen von der Polizei in der Nähe eines Bahnhofs im Kopenhagener Stadtteil Norrebro erschossen. Er kehrte, wie es hieß, zu einer Adresse zurück, die schon von der Polizei überwacht wurde. Polizeichef Thorkild Fogde sagte, dass der Verdächtige „mit Pistolen bewaffnet“ gewesen sei, als er bei der Polizeiaktion erschossen wurde.
Wieder einmal war ein in einen tödlichen Terroranschlag verwickelter Mann der Polizei und den Sicherheitsdiensten bekannt. Er war auch „auf dem Radar“ der Geheimdienste. Er war 22 Jahre alt und in Dänemark geboren. Die Polizei wusste von seinen Verbindungen zu kriminellen Gangs und seinen Verurteilungen aufgrund von Gewaltdelikten und Waffenhandels. Der Chef der dänischen Aufklärung sagte Reportern, die Polizei arbeite daran festzustellen, ob er schon einmal nach Syrien oder in den Irak gereist sei.
Die Schüsse auf die Konferenz ereigneten sich zwischen 15.30 und 16.00 Uhr. Der 55-jährige finnische Filmregisseur Nørgaard starb in dem Kugelhagel, als vierzig Kugeln durch das Fenster des Konferenzcafes schlugen, in dem auch der schwedische Karikaturist Lars Vilks anwesend war, der schon Todesdrohungen erhalten hat, weil der den Propheten Mohammed karikiert hat.
Vilks blieb unverletzt, aber drei Polizisten wurden verwundet.
Der Schütze floh in einem gestohlenen VW Polo, der später ein paar Kilometer entfernt von der Polizei gefunden wurde.
Kurz nach Mitternacht, ca. eine halbe Stunde zu Fuß von dem Tagungsort entfernt, wurde Dan Uzan in den Kopf geschossen und verstarb später. Uzan hatte als Freiwilliger eine Bat Mitzvah Party in einer Synagoge in Krystalgade bewacht. Zwei Polizisten wurden ebenfalls verwundet. Sie erlitten Schüsse in die Arme und Beine, berichtete der Sprecher der Polizei von Kopenhagen, Allan Wadsworth-Hansen.
Die Behauptung, die Konferenz habe sich für Meinungsfreiheit eingesetzt, ist unzutreffend. Vilks war als Hauptsprecher in der Debatte mit dem Titel „Kunst, Blasphemie und Meinungsfreiheit“ vorgesehen. 2005 hatte sich die dänische Tageszeitung Jyllands Posten an die Spitze antimuslimischer Provokationen gestellt, die vergangenen Monat drei islamistische Attentäter dazu veranlasste, in den Büros von Charlie Hebdo und in einem koscheren Lebensmittelladen siebzehn Menschen zu töten. Jyllands Posten hatte damals zwölf Karikaturen veröffentlicht, von denen die meisten den Propheten Mohammed darstellten. Das wurde als Beitrag zur „Meinungsfreiheit“ verkauft.
Vilks Zeichnungen von 2007 bildeten Mohammed als Hund ab, was zu Todesdrohungen führte. Seit 2010 musste er in Schweden unter Polizeischutz leben. Vor zwei Jahren wurde in den USA eine Frau zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt, weil sie geplant hatte, ihn zu töten. Wie schon bei Charlie Hebdo scheinen die Sicherheitsmaßnahmen bei der kontroversen Debatte völlig versagt zu haben. Der französische Botschafter Francois Zimeray hatte nur wenige Minuten vor dem Beginn der Schießerei die Debatte mit einem Lob auf Dänemarks Unterstützung für die Meinungsfreiheit nach den Angriffen in Paris eröffnet.
Unmittelbar nach dem Anschlag hatten die Medien Befürchtungen vor einem Massenmord geäußert, wie er 2011 von dem Faschisten Anders Behring Breivik begangen worden war, der 77 Menschen ermordet hatte, überwiegend Jugendliche, die an einem Jugendlager der damals regierenden norwegischen Arbeiterpartei teilgenommen hatten.
Wieder einmal folgen die Ereignisse auffällig dem gleichen Muster wie bei dem Anschlag auf Charlie Hebdo:
Durch das Anheizen von Feindseligkeiten gegen Muslime wird eine Provokation organisiert.
Die Polizei verhindert den Anschlag nicht, obwohl sie sich bewusst ist, dass die Veranstaltung gefährdet ist.
Der mutmaßliche Angreifer wird erschossen.
Polizei und Sicherheitsdienste geben zu, gewusst zu haben, dass sie den Angreifer vorher kannten und dass er unter Beobachtung stand.
Das Muster setzt sich fort mit einer massiven Polizeioperation. In Kopenhagen werden Teile der Hauptstadt abgeriegelt und mindestens ein Internet-Cafe wird durchsucht.
Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt bezeichnete die Schüsse als “einen zynischen Terroranschlag gegen Dänemark” und “gegen unsere Werte”. Das deckt sich mit der rechten Bilanz der herrschenden Elite. Sie hat schon wiederholt die antiislamische und Anti-Einwandererkarte gezogen, um Spaltungen zu fördern und die Aufmerksamkeit von der sozialen Krise abzulenken, vor der die Arbeiterklasse steht.
Einer der Pioniere dieser Strategie war der frühere Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen, der später Nato-Generalsekretär wurde und die aggressive Strategie gegen Russland wegen der Ukraine vorantrieb.
Rasmussen war von 2001 bis 2009 Ministerpräsident. 2002 führte er Antiterrorgesetze ein, verschärfte die Einwanderungsregeln entsprechend den Forderungen der Rechtpopulisten und griff Sozialprogramme an. 2005 unterstützte er die Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen und benutzte das Thema auch, um ein enges Bündnis mit dem US-Imperialismus zu rechtfertigen. So schickte Dänemark auch ein Truppenkontingent in den Irakkrieg.
2008 druckten praktisch alle Medien die Karikaturen von Jyllands Posten nach, nachdem nur wenige Tage vorher zwei ausländische Bürger aufgrund von Terrorismusvorwürfen festgenommen worden waren. An dieser Kampagne beteiligte sich auch die normalerweise „linksliberale“ Politiken.
Die herrschenden Kreise Dänemarks zündeln weiter mit einwandererfeindlichem Chauvinismus. Im Dezember veröffentlichte Jyllands Posten eine Studie, die behauptete, dass über 30.000 illegale Einwanderer im Land lebten und ein ernstes Problem für das Sozialsystem darstellten. In der Studie hieß es, dass sich diese Zahl seit 2008 verdoppelt habe, aber es wurde verschwiegen, dass die Einwanderungsgesetze seitdem deutlich verschärft wurden. Es wurde ein Punktesystem eingeführt, dass zu den restriktivsten in Europa zählt.
Die sozialdemokratisch geführte Regierung hat an der brutalen Einwanderungspolitik nichts geändert. Als Ex-Justizministerin Karen Häkkerup 2013 ins Amt kam, erklärte sie, dass eine erfolgreiche Integration nur möglich sei, wenn die Einwanderung begrenzt werde.
“Es ist wichtig für den Zusammenhalt Dänemarks, dass wir eine strenge Einwanderungspolitik haben”, sagte Häkkerup. „Für ein kleines Land wie Dänemark kommt es schon auf Zahlen an, wenn wir unsere Ausländer integrieren wollen, damit sie Dänen und Teil von Dänemark werden.“
Im Oktober 2014 trat Häkkerup zurück und nahm einen Job in der Privatwirtschaft an. Ihre Nachfolgerin Mette Frederiksen schlug den Einsatz von Fußfesseln für illegale Einwanderer vor. „Ich habe kein Problem mit diesem Mittel“, sagte sie. „Wenn es stimmt, dass dieses Instrument noch nie genutzt wurde, dann sollte es in dem Bericht stehen, den ich von den Behörden erhalte.“
Diese Politik ermutigt die rechtesten Elemente. Dem Beispiel der antimuslimischen Pegida Proteste in Deutschland folgend, gab es auch in Kopenhagen im vergangenen Monat die erste derartige Demonstration, die mehrere hundert Menschen anzog.