Am Sonntag veröffentlichten die führenden internationalen Tageszeitungen Guardian und Le Monde Artikel über Analysen von unerlaubt weitergegebenen Daten, die zeigen, dass die Schweizer Tochtergesellschaft der Privatbankabteilung der größten Bank Europas, HSBC, jahrelang als Steuerhinterziehungs- und Geldwäschebetrieb tätig war. Die Zeitungen arbeiten mit dem Internationalen Konsortium für investigativen Journalismus (IKIJ) zusammen.
Den Berichten zufolge hatte das Unternehmen eine Abteilung, die Geldbündel im Wert von hunderttausenden Dollar in ausländischen Währungen in bar ausbezahlte und ihre vermögenden Kunden bei Fragen von Steuerbetrug beriet.
Internationale Finanzregulierungsbehörden und Regierungen auf der ganzen Welt - unter anderem die britische, französische und amerikanische - kannten diese Tatsachen seit Jahren und haben sie systematisch vertuscht. Weder die Bank, noch ihre Vorstände, noch ein einziger ihrer Kunden, die von ihrem Steuerbetrugsservice Gebrauch gemacht haben, wurden strafrechtlich verfolgt.
Niemand soll glauben, die HSBC sei eine negative Ausnahme. Zweifellos haben alle großen internationalen Finanzinstitute ähnliche Praktiken angewandt. Das HSBC-Datenleck hat einen Pfuhl von Korruption, Kriminalität, Bestechung und Verdunkelung enthüllt, in dem das gesamte kapitalistische System und die Regierungen stecken, die es verteidigen.
Die Enthüllungen über HSBC sind nur die aktuellsten einer Reihe von Skandalen, die fast alle großen Finanzinstitute belasten. Zu diesen Skandalen gehörte der Verkauf von betrügerischen, mit Subprime-Hypotheken gesicherten Wertpapieren, illegale Zwangsvollstreckungen, Betrug beim Warenhandel und die Manipulation des Libor und anderer internationaler Devisenreferenzkurse.
Die HSBC war eines der Finanzinstitute, deren Gier und Gesetzlosigkeit die Welt im Jahr 2008 in eine Krise gestürzt hat, von der sie sich bis heute nicht erholt hat. Sie hat Millionen Menschen ihre Arbeitsplätze gekostet und eine neue globale Austeritätswelle ausgelöst, in deren Rahmen Löhne und Sozialleistungen der Arbeiter ausgehöhlt wurden.
Die Dienste der HSBC wurden unter anderem von Unternehmensvorständen, Spendensammlern und wichtigen Spendern der Parteien in den USA, Großbritannien und Australien, sowie von Politikern aus mindestens siebzehn Ländern, u.a. aus Großbritannien, in Anspruch genommen.
Die Spur des schmutzigen Geldes reicht sogar bis zu dem ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton. Der britische Tycoon Richard Caring, der einmal mehr als fünf Millionen Schweizer Franken in bar von der Bank abgehoben hatte, spendete eine Million Dollar von seinem Schweizer Konto an Clintons Stiftung.
In dem Bericht des IKIJ heißt es, Caring habe einen Monat vor seiner Spende "eine opulente Veranstaltung im Winterpalast von Katharina der Großen in St. Petersburg finanziert. Die 450 eingeflogenen Gäste wurden bei Sekt und Kaviar von Sir Elton John und Tina Turner unterhalten, Bill Clinton hielt eine Rede."
Weiter ist zu lesen, dass Charles Barrington Goode, ein wichtiger Spendensammler für die Liberal Party und Vorsitzender der ANZ Bank, einem der größten Finanzinstitute Australiens, 30 Jahre lang unter falschem Namen ein Konto bei der Bank hatte.
Abgesehen von "legitimen" Geschäftsleuten und hochrangigen Politikern haben auch Drogenbarone, Waffenschmuggler und Händler mit illegalen "Blutdiamanten" die Dienste der HSBC beansprucht. Wenn man die Berichte liest, ist es unmöglich festzustellen, wo die kriminelle Unterwelt endet und die herrschende Klasse von Bankern und Unternehmensvorständen und ihren millionenschweren politischen Strohmännern beginnt.
Keiner der Vorstände und keiner ihrer wohlhabenden Kunden wurde strafrechtlich verfolgt. Der einzige aus diesem Morast der Kriminalität, dem ernsthafte juristische Folgen drohen, ist der Whistleblower, der ihn enthüllt hat.
Ein technischer Angestellter der HSBC namens Herve Falciani hatte im Jahr 2009 erkannt, dass die Privatbank der HSBC in riesigem Ausmaß Steuerhinterziehung betrieb, und begann, Informationen zu sammeln, die er an die Schweizer Behörden weitergab, die jedoch kein Interesse daran zeigten.
Anschließend übergab er die Daten, die etwa 130.000 Menschen wegen Steuerbetrugs belasteten, der französischen Polizei, die sie mit anderen Regierungen teilte, unter anderem der britischen und der amerikanischen. Falciani wurde wegen Verstoßes gegen das Schweizer Bankgeheimnis und wegen Wirtschaftsspionage angeklagt.
Im Jahr 2010 stellte die damalige französische Finanzministerin Christine Lagarde der griechischen Regierung eine Liste von 2000 mutmaßlichen Steuerhinterziehern zur Verfügung, die später in den Besitz von griechischen Verlegern kam, von denen sie veröffentlicht wurde. Sie wurden daraufhin angeklagt, Gesetze zum Schutz der Privatsphäre verletzt zu haben, jedoch für nicht schuldig befunden.
Le Monde kam vor kurzem in den Besitz eines Teils der Daten, die Falciani angehäuft hatte und teilte sie mit dem IKIJ und anderen Zeitungen. Die Daten betreffen fast 30.000 Konten, auf denen zusammen Vermögenswerte im Wert von fast 120 Milliarden Dollar liegen.
In Großbritannien führten Falcianis Daten zur Aufnahme von Verfahren gegen mehr als 3.000 Menschen, die Regierung hat jedoch keine Anklage gegen sie erhoben.
Für die wohl größte Vertuschung waren die USA verantwortlich. Im Jahr 2012 hatte das Justizministerium zugestimmt, im Gegenzug für die Zahlung von 1,2 Milliarden Dollar Ermittlungen gegen die HSBC wegen Geldwäsche für mexikanische Drogenkartelle einzustellen, ganz zu schweigen davon, dass die US-Regierung Beweise dafür hatte, dass die Bank ihren Kunden dabei geholfen hatte, Steuern zu hinterziehen.
Loretta Lynch, eine der wichtigsten Verantwortlichen für die Einigung mit der HSBC, war damals Staatsanwältin für den Eastern District von New York und wurde von Obama zur Nachfolgerin von Eric Holder als Justizministerin nominiert. Reverend Lord Stephen Green, der in der Zeit, die die Daten betreffen, Vorstandschef der HSBC war, wurde danach zum britischen Handelsminister ernannt.
Die britische Labour Party, die an der Regierung war, als tausende von Mitgliedern der britischen herrschenden Klasse die HSBC zur Steuerhinterziehung benutzten, erklärte: "Was wirklich schockierend ist, ist dass [britische Regierungsvertreter] alles über diese Praktiken wussten, aber dass kaum etwas dagegen getan wurde."
Das bemerkenswerteste an den Enthüllungen ist, wie niederträchtig die Kriminalität ist, die sie enthüllen. Schließlich haben diese Menschen bereits Millionen Dollar damit verdient, ihren Arbeitern Armutslöhne zu zahlen, die Renten zu kürzen und öffentliches Eigentum zu privatisieren. Müssen sie wirklich noch bei ihren Steuern betrügen? Haben sie es wirklich nötig, wie die Dokumente beschreiben, Bargeldbündel zu schmuggeln, teilweise im Wert von Millionen Dollar?
Für die globale Finanzelite gibt es keine Grenze zwischen "legitimer" Geschäftsaktivität und politischen Spenden auf der einen, und Betrug, Diebstahl und Bestechung auf der anderen Seite. Die kapitalistische Gesellschaft wird von Dieben und Verbrechern regiert, die das Gesetz als kleine Unannehmlichkeit betrachten. Leona Helmsley formulierte das so: "Nur kleine Leute zahlen Steuern."
Wir möchten all jene fragen, die noch immer glauben, die Gesellschaftsordnung, die diese Dokumente enthüllen, ließe sich noch immer irgendwie reformieren: wo soll man beginnen? Mit Appellen an die Politiker, die allesamt von Finanzkriminellen mit politischen Spenden gekauft wurden? Oder die Regulierungsbehörden, die diese Verbrechen systematisch vertuscht haben? Oder die Gerichte, die Whistleblower anklagen und Finanzkriminelle schützen?
Die ganze Struktur der modernen Gesellschaft, von den großen Konzernen bis zu den Regierungen und Regulierungsbehörden, wird von milliardenschweren Finanzoligarchen kontrolliert.
Das einzige Mittel, um die großen Banken wie die HSBC und die Millionäre und Milliardäre, die ihre Dienste für Betrügereien genutzt haben zur Verantwortung zu ziehen, ist eine vollständige Umgestaltung der Gesellschaft. Der unrechtmäßig erworbene Reichtum, der alle öffentlichen Institutionen korrumpiert, muss beschlagnahmt, die Großkonzerne müssen verstaatlicht und in allen Staaten müssen Arbeiterregierungen gebildet werden, deren erste Aufgabe es sein wird, demokratische Kontrolle über die grundlegenden Kräfte der Wirtschaft zu durchzusetzen.