Der große Verrat der LSSP in Sri Lanka – Teil 2

LSSP weist Verteidigung des Trotzkismus durch IKVI zurück

Dies ist der zweite von vier Artikeln über die politischen Lehren aus dem Verrat der Lanka Sama Samaja Party (LSSP), die im Juni 1964 in die Regierung von Sirima Bandaranaike und der Sri Lanka Freedom Party (SLFP) eintrat. Es war das erste Mal, dass eine angeblich trotzkistische Partei einer bürgerlichen Regierung beitrat – ein solcher Schritt bedeutet immer einen offenen Bruch mit den grundlegenden Prinzipien des internationalen Sozialismus.

Der Verrat der LSSP war von großer Bedeutung für die internationale trotzkistische Bewegung. Er bestätigte den opportunistischen Charakter der politischen Tendenz, die von Michel Pablo und Ernest Mandel angeführt wurde. Die wahren Trotzkisten hatten 1953 mit dieser Tendenz gebrochen und das Internationale Komitee der Vierten Internationale gegründet. Die Pablisten erleichterten und unterstützten jeden einzelnen Schritt im politischen Niedergang der LSSP und schufen die Bedingungen, unter denen jene in die Bandaranaike-Regierung eintreten konnte.

Der zweite Artikel befasst sich mit dem prinzipienlosen Widerstand der LSSP gegen die Gründung des IKVI und ihre darauf folgende politische Degeneration als Teil des pablistischen Internationalen Sekretariats. Die anderen Teile der Serie sind hier zu finden:Teil 1, Teil 3, Teil 4.

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Ein wichtiger Wendepunkt in der Degeneration der Lanka Sama Samaja Party (LSSP) war ihre Zurückweisung des Offenen Briefs von James P. Cannon, dem Führer der amerikanischen Socialist Workers Party (SWP). Der Offene Brief, der zur Gründung des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI) führte, repräsentierte die maßgebliche Stimme des orthodoxen Trotzkismus. Sie rief zum unversöhnlichen Kampf gegen den Opportunismus von Michel Pablo und seiner Clique in der Führung der Vierten Internationale auf.

Pablos und Mandels Revisionismus waren Ergebnis des politischen Drucks, den die Stabilisierung des Weltkapitalismus in der Nachkriegszeit unter der Ägide des US-Imperialismus auf die trotzkistische Bewegung ausübte. Pablo und Mandel verwiesen auf die Errichtung stalinistischer Regimes in den sogenannten Pufferstaaten Osteuropas und erklärten, Trotzki habe den Stalinismus zu Unrecht als konterrevolutionäre Kraft in der Arbeiterklasse bezeichnet.

Die Vierte Internationale hatte die osteuropäischen Regimes nach einer erschöpfenden theoretischen Diskussion als "deformierte Arbeiterstaaten" charakterisiert. Diese Definition berücksichtigte die Verstaatlichung von kapitalistischem Eigentum, die dort stattgefunden hatte, unterstrich jedoch den deformierten Charakter dieser Staaten. Im Gegensatz zur Sowjetunion waren diese Staaten nicht aus einer proletarischen Revolution entstanden, sondern waren von der stalinistischen Bürokratie, die die Arbeiterklasse unterdrückte, von oben geschaffen worden. Die Definition wies auf den temporären, übergangsartigen Charakter der Regimes und die Aufgaben der Vierten Internationale hin. Diese bestanden darin, trotzkistische Parteien aufzubauen, die die Arbeiterklasse unabhängig von allen andern Klassen in eine politische Revolution gegen die stalinistischen Apparate führen konnten.

Pablo und Mandel nahmen diese Charakterisierung zum Ausgangspunkt einer umfassenden Revision der Analyse der Vierten Internationale über den Stalinismus. Sie schrieben den "deformierten Arbeiterstaaten" eine historisch fortschrittliche Rolle zu. Cannon erklärte in seinem Offenen Brief gegen diese Position: "Anstatt die Gefahr einer neuen Barbarei herauszustreichen, hält er [Pablo] die Entwicklung zum Sozialismus für ‚unaufhaltsam’, und doch sieht er den Sozialismus nicht für unsere Generation oder eine der nächsten Generationen kommen. Stattdessen vertritt er das Konzept einer ‚alles überflutenden’ Welle von Revolutionen, die nichts als ‚deformierte’ Arbeiterstaaten, d.h, Arbeiterstaaten des stalinistischen Typus, hervorbringen, die dann ‚jahrhundertelang’ weiterbestehen.“

Der offene Brief erläuterte den liquidatorischen Charakter des Pablismus: Dieser erwarte „dass die stalinistische Bürokratie oder ein entscheidender Teil dieser Bürokratie, sich nicht unter dem Druck der Massen dazu bringen lasse, sich zu verändern und die ‚Ideen’ und das ‚Programm’ des Trotzkismus anzunehmen“.

Die pablistische Perspektive lehnte die revolutionäre Rolle der Arbeiterklasse ab, und damit die cheidende Aufgabe der Vierten Internationale, die Krise der Führung der Arbeiterbewegung durch den Aufbau von Sektionen in jedem Land zu lösen. Damit reduzierte sie die Rolle der trotzkistischen Bewegung auf die eines Beraters der konterrevolutionären stalinistischen Bürokratie.

Cannon schrieb: "Wir fassen zusammen: Der Graben zwischen Pablos Revisionismus und dem orthodoxen Trotzkismus ist so tief, dass weder ein politischer noch ein organisatorischer Kompromiss möglich ist."

Pablos Anpassung an den Stalinismus war nur ein Aspekt seines Opportunismus: Im Namen der Integration der Vierten Internationale in bestehende Massenbewegungen ordnete er die Arbeiterklasse in jedem Land den existierenden, verräterischen Führungen unter, ob es sich um Stalinisten, Sozialdemokraten oder, in Ländern wie Sri Lanka, bürgerliche Nationalisten handelte.

Die LSSP wies Cannons Offenen Brief zurück, obwohl sie selbst kurz zuvor eine prostalinistische Tendenz ausgeschlossen hatte. Obwohl die LSSP-Führung Pablos Orientierung kritisch gegenüberstand, weigerte sie sich, in den fundamentalen politischen Fragen, die der Offene Brief aufwarf, Stellung zu beziehen, und warf Cannon vor, er gefährde die Einheit der Vierten Internationale. Sie erklärte, das Vorgehen der SWP sei "für unsere Bewegung als Ganzes katastrophal".

Cannon warnte in einem Brief an die LSSP im Februar 1954: "Ich muss euch offen sagen, dass ich glaube, dass die LSSP einen gefährlichen Weg eingeschlagen hat, als sie die Resolution verabschiedet hat, in der sie die Veröffentlichung des Offenen Briefes verurteilte, noch ehe sie Stellung zu den politischen Fragen im Disput bezogen hat." Er wies auf den Ausschluss der Prostalinisten aus der LSSP hin und betonte, es reiche nicht, an dieser Stelle aufzuhören. "Als Internationalisten müssen wir die gleiche Einstellung zwangsläufig auch zu den offenen oder verdeckten Manifestationen von stalinistischem Versöhnlertum einnehmen, die sich in anderen Parteien und in der ganzen internationalen Bewegung zeigen. Das ist im Grunde der Prüfstein des Internationalismus in der aktuellen Krise", schrieb Cannon.

Cannon sprach eine weitere scharfsinnige Warnung aus: "Die LSSP (mehr als jede andere Partei, wie ich glaube sagen zu können) braucht eine internationale Führung, die eine Quelle der Stärke und Unterstützung für ihre trotzkistische Orthodoxie sein wird – der einzigen Bedingung, die ihr Überleben und ihren künftigen Sieg sichert, – und nicht etwa ein Organisationszentrum des schleichenden Liquidatorentums und der Zerstörung."

Die LSSP nahm sich die Warnung jedoch nicht zu Herzen und verblieb trotz ihrer Kritik an Pablos Perspektive im pablistischen Internationalen Sekretariat (IS) der Vierten Internationale. Die LSSP-Führung war sich bewusst, dass ihre eigene opportunistische Praxis in Sri Lanka untersucht und abgelehnt werden würde, sobald sie sich dem IKVI anschließen würde. Die Pablisten unterstützten und ermutigten den Opportunismus der LSSP nicht nur, sondern gaben ihm auch noch eine trotzkistische Rechtfertigung. Im Gegenzug konnten Pablo und Mandel behaupten, sie hätten in Asien eine trotzkistische Massenpartei.

Die LSSP hatte bereits begonnen, ihren Erfolg an der Zahl ihrer Sitze im Parlament und der Zahl der Mitglieder in den Gewerkschaften zu messen. Ihre parlamentaristische Perspektive zeigte sich schon in der politischen Krise, die im August 1953, nur wenige Monate vor dem Offenen Brief, ausgebrochen war. Damals hatte die LSSP zusammen mit der stalinistischen Kommunistischen Partei und der rechten Abspaltung VLSSP zu einem eintägigen Hartal – einem Generalstreik mit Unternehmensblockade – aufgerufen, um Druck auf die regierende United National Party (UNP) auszuüben, drastische Sparmaßnahmen zurückzunehmen.

Die Reaktion überraschte sie alle: Die militante Protestbewegung wuchs weit über die eintägige Aktion hinaus und ergriff große Teile der Insel. Die Regierung stand am Rande des Zusammenbruchs, und der Premierminister trat zurück. Anstatt zu versuchen, den Kampf auszuweiten und zu vertiefen, taten die LSSP und ihre Verbündeten alles, ihn so schnell wie möglich zu beenden, und ermöglichten so der Regierung, an der Macht zu bleiben. Danach kam die LSSP-Führung zum Schluss, dass es im weiteren Kampf darum gehen müsse, "die UNP-Regierung zum Rücktritt zu zwingen und eine Neuwahl abzuhalten".

Als die militante Hartal-Bewegung abflaute, war die 1951 von S.W.R.D. Bandaranaike gegründete Sri Lanka Freedom Party (SLFP) in der Lage, vor allem unter den ländlichen Massen von der Enttäuschung über die LSSP zu profitieren. Sie verband singhalesischen Populismus mit antiimperialistischer und sozialistischer Demagogie. Aus Schock über das Ausmaß des Hartal unterstützte ein Teil der Bourgeoisie die SLFP, um die große Unzufriedenheit der Bevölkerung aufzufangen. Im Vorfeld der Wahl 1956 appellierte die SLFP an das singhalesische Kleinbürgertum, dem sie versprach, Singhalesisch zur alleinigen Amtssprache zu machen und gleichzeitig die nationalen Minderheiten, vor allem die Tamilen, zu diskriminieren.

Anstatt Bandaranaikes politische Scharlatanerie zu entlarven, übernahm die LSSP in wachsendem Maße die SLFP-Politik der singhalesischen Ausschließlichkeit (Sinhala only). Offiziell lehnte sie zwar die Vorrangigkeit des Singhalesischen ab und warnte vor der Gefahr kommunalistischer Spaltungen, aber sie einigte sich mit der SLFP darauf, bei Wahlen nicht gegen sie anzutreten. Damit verlieh sie deren Anspruch Glaubwürdigkeit, eine fortschrittliche Alternative zur UNP zu sein. Als die SLFP bei der Wahl 1956 einen Erdrutschsieg erzielte, nahm die LSSP eine Haltung der "verantwortungsvollen Zusammenarbeit" mit der neuen Regierung ein und stimmte für ihre ersten beiden Regierungserklärungen, die die Regierungspolitik für das kommende Jahr darlegten. Das pablistische Internationale Sekretariat (IS) erhob keine Einwände gegen diese Politik derLSSP, da sie sich ja in "die echte Massenbewegung" integrierte, – wie es die Pablisten in allen Ländern forderten.

Ab 1960 bekannte sich die LSSP mit voller Unterstützung des IS zum parlamentarischen Weg zur Macht. Bei der Wahl im März erklärte sie, die UNP und die SLFP seien beide in gleichem Maße diskreditiert, und forderte zur Wahl einer "samasamajistischen" Regierung auf. Gleichzeitig verwässerte sie in ihrer Wahlerklärung ihre Ablehnung der "Politik der singhalesischen Ausschließlichkeit“ und schwächte ihre Forderung nach der Staatsbürgerschaft für tamilische Plantagenarbeiter stark ab. Das IS war vom Wahlkampf der LSSP begeistert und erklärte, seine srilankische Sektion führe einen "entscheidenden Kampf um die Macht".

Weit von einem Wahlsieg entfernt, schnitt die LSSP schlechter ab als im Jahr 1956. Als Reaktion darauf rückte sie noch weiter nach rechts. LSSP-Führer N.M. Perera forderte die Partei auf, sich auf den Eintritt in eine kapitalistische Regierung unter Führung der SLFP vorzubereiten, was knapp scheiterte. Bei einer zweiten Wahl im Juli, nach dem Zusammenbruch der brüchigen UNP-Regierung, ging die LSSP wieder ein Abkommen mit der SLFP ein, nicht gegen sie zu kandidieren, und stimmte für ihren ersten Haushaltsplan und die Thronrede nach ihrem Wahlsieg.

Aus Sorge darüber, dass die eigene Glaubwürdigkeit leiden könnte, übte das pablistische IS beschränkte Kritik am Opportunismus der LSSP und schrieb, das Abkommen mit der SLFP könnte "unter der breiten Masse Illusionen in den Charakter der SLFP schüren". Gleichzeitig erklärte das IS jedoch: "Wir akzeptieren, dass es für eine revolutionäre Partei möglich ist, in einem kolonialen oder halbkolonialen Land einer Nicht-Arbeiterregierung wichtige Unterstützung zukommen zu lassen (egal ob sie kleinbürgerlich oder kapitalistisch ist)." Damit ließen die Pablisten der LSSP die Möglichkeit, auf die SLFP-Regierung zuzugehen, und ermöglichten ihren Eintritt ins Kabinett nur vier Jahre später.

Wird fortgesetzt

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