Vor 50 Jahren, am 11. Juni 1964 trat die Lanka Sama Samaja Party (LSSP) formell einer Regierungskoalition bei, die von der Sri Lanka Freedom Party (SLFP) von Premierministerin Sirima Bandaranaike angeführt wurde. Zum ersten Mal trat eine angeblich trotzkistische Partei einer bürgerlichen Regierung bei. Das war ein historischer Verrat, der schwerwiegende Folgen für die internationale Arbeiterklasse hatte.
Die LSSP nahm drei Posten in ihrem Kabinett ein. LSSP-Chef N.M. Perera übernahm den wichtigen Posten des Finanzministers. Nur wenige Tage davor hatten auf einem Sonderkongress der LSSP 501 Delegierte für Pereras Resolution gestimmt, der Regierungskoalition beizutreten. Eine Minderheit von 159 Delegierten lehnte den Antrag ab und spaltete sich danach sofort ab, um die Lanka Sama Samaja Party (Revolutionary), kurz LSSP (R) zu gründen.
Die LSSP wurde zum Eintritt in die Koalition aufgefordert, um die zunehmende Radikalisierung der Arbeiterklasse zu unterdrücken, die sich in einer wachsenden Streikwelle und der Gründung der Bewegung der 21 Forderungen im September 1963 äußerte. Die internationale Besorgnis über die zunehmende politische Krise in Colombo war so groß, dass sich US-Präsident John F. Kennedy im gleichen Monat mit srilankischen Parlamentsabgeordneten traf, unter anderem mit Perera.
Bandaranaike war sich der Gefahren für die bürgerliche Herrschaft in Sri Lanka akut bewusst und erklärte im März 1964 im Parlament, sie sei von mehreren Seiten dazu gedrängt worden, eine Diktatur zu errichten und die Arbeiter mit vorgehaltenen Bajonetten an die Arbeit zu zwingen oder, als Alternative, eine Allparteienregierung zu bilden. "Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass uns keine dieser Lösungen ans Ziel bringen wird... Deshalb, meine Damen und Herren, habe ich beschlossen, Gespräche mit der Führung der Arbeiterklasse aufzunehmen."
Nachdem die LSSP der Regierung beigetreten war, beendete sie die Bewegung der 21 Forderungen und schaffte damit große Verwirrung und politische Desorientierung in der Arbeiterklasse. Die Wurzeln des Verrats der LSSP lassen sich nur auf Grundlage der Lehren verstehen, die das Internationale Komitees der Vierten Internationale (IKVI) aus dem Kampf gegen die opportunistische Tendenz geführt hat, die als Pablismus bekannt ist.
Das IKVI erklärte in einer Stellungnahme im Juli 1964 die internationale Bedeutung des Verrats der LSSP: "Der Beitritt der LSSP-Mitglieder zu Bandaranaikes Koalition bedeutet das Ende einer ganzen Epoche in der Entwicklung der Vierten Internationale. Der Revisionismus in der trotzkistischen Weltbewegung hat die Form eines direkten Dienstes am Imperialismus und der Vorbereitung einer Niederlage für die Arbeiterklasse angenommen."
Die Revolutionary Communist League (RCL) - die Vorgängerin der Socialist Equality Party (SEP) wurde 1968 als srilankische Sektion des IKVI im Widerstand gegen die pablistische Politik gegründet, die dem politischen Abgleiten der LSSP zugrunde lag.
Alle anderen politischen Tendenzen, die sich aus dem Verrat der LSSP entwickelt haben, haben sich seither entweder aufgelöst wie die LSSP (R) oder sind Teil des politischen Establishments von Colombo geworden. Die LSSP ist heute eine kleine Fraktion in der autokratischen Regierung von Präsident Mahinda Rajapakse. Die pseudolinken Organisationen - die Nava Sama Samaja Party (NSSP) und die United Socialist Party (USP) - haben mit der LSSP gebrochen, aber nicht mit ihrer Politik der Klassenkollaboration und befinden sich heute in einer de-facto-Allianz mit der rechten United National Party (UNP).
Für Arbeiter und Jugendliche - nicht nur in Sri Lanka, sondern in ganz Asien und weltweit - ist es wichtig zu verstehen, warum die LSSP die Prinzipien des Trotzkismus verraten hat, und was die politischen Folgen daraus sind. Nur auf dieser Grundlage ist es möglich, eine revolutionäre Bewegung der internationalen Arbeiterklasse gegen die wachsende Gefahr von Krieg und sozialer Konterrevolution aufzubauen.
Gerry Healy, der Vorsitzende der britischen Socialist Labour League (SLL), der im Juni 1964 nach Colombo kam, um im Namen des IKVI einzuschreiten, erklärte: "Die Antwort [auf die Frage der Degeneration der LSSP] liegt nicht in Ceylon, sondern in einem internationalen Studium des pablistischen Revisionismus. Die wahren Verantwortlichen für die Koalition leben in Paris."
Die opportunistische Tendenz, die von Michel Pablo und Ernest Mandel angeführt wurde, entstand in der Vierten Internationale nach dem Zweiten Weltkrieg und als Reaktion auf den Druck durch die Stabilisierung des Weltkapitalismus in der Nachkriegszeit. Während sich der Kalte Krieg entwickelte, erklärte Pablo, die "objektive Realität“ bestehe "im wesentlichen aus den kapitalistischen Regimes und der stalinistischen Welt", und schrieb den stalinistischen Bürokratien eine historisch progressive Rolle zu. Damit wies er Trotzkis Charakterisierung ihres konterrevolutionären Charakters zurück.
Der Pablismus wies die revolutionäre Rolle der Arbeiterklasse und die Notwendigkeit des Aufbaus unabhängiger trotzkistischer Parteien zurück. Stattdessen schlug er die Auflösung der Sektionen der Vierten Internationale in diverse bürgerliche Agenturen in der Arbeiterbewegung vor – in den Stalinismus, die Sozialdemokratie und, in Ländern wie Sri Lanka, in bürgerliche nationalistische Tendenzen.
Das IKVI wurde als Gegenreaktion auf den pablistischen Opportunismus gegründet. Der Führer der amerikanischen Socialist Workers Party (SWP), James P. Cannon, veröffentlichte 1953 einen offenen Brief, in dem er die grundlegenden Prinzipien des orthodoxen Trotzkismus bekräftigte.
Diese internationalen Prozesse drückten sich besonders scharf in Sri Lanka aus. Unter Pablos Einfluss löste die Bolschewistisch-Leninistische Partei Indiens (BLPI), die 1942 als Sektion der Vierten Internationale für den ganzen indischen Subkontinent gegründet wurde, ihre srilankische Komponente 1950 in der LSSP auf. Obwohl die LSSP-Führung Pablos prostalinistische Haltung kritisiert hatte, lehnten sie Cannons Brief 1953 ab, weigerten sich, dem IKVI beizutreten und blieben beim pablistischen Internationalen Sekretariat.
Pablo und Mandel waren direkt für die politische Abkehr der LSSP und ihre zunehmend deutlichere Anpassung an die bürgerliche Sri Lanka Freedom Party (SLFP) verantwortlich, die antiimperialistische Phrasendrescherei mit reaktionärem singhalesischen Rassismus kombinierte. Indem die LSSP die SLFP als progressive Alternative darstellte, gab sie Trotzkis Theorie der permanenten Revolution auf, die erklärte, dass in Ländern mit verspäteter kapitalistischer Entwicklung, wie Sri Lanka, keine Fraktion der Bourgeoisie in der Lage sei, die grundlegenden demokratischen Aufgaben zu lösen.
Die SLFP gewann die Wahl 1956 durch eine niederträchtige Kampagne, deren Ziel es war, Singhalesisch als einzige Amtssprache des Landes einzuführen. Das machte die tamilische Minderheit der Insel zu Bürgern zweiter Klasse. Die LSSP lehnte dieses Vorhaben zwar ab, ging jedoch trotzdem ein Wahlbündnis mit der SLFP ein und erklärte nach der Wahl, sie sei "empfänglich für eine Zusammenarbeit" mit der neuen SLFP-Regierung.
Pablo und Mandel leisteten keinen Widerstand dagegen. Vielmehr hat der Rückzug von Cannon und der SWP von ihrer prinzipientreuen Haltung von 1953 die Degeneration der LSSP noch verstärkt. Im Juni 1963 vereinigte sich die SWP wieder mit der pablistischen Internationale, ohne über grundlegende Differenzen zu diskutieren. Das neugegründete Vereinigte Sekretariat (USec), welches das kubanische Castro-Regime verherrlichte, ermutigte die LSSP aktiv, in Sri Lanka eine ähnliche bürgerlich-nationalistische Gruppierung zu unterstützen.
Nach der Wiedervereinigung, und mit Unterstützung durch das USec, übernahm die LSSP die Initiative darin, zusammen mit der stalinistischen Kommunistischen Partei und der singhalesisch-chauvinistischen Partei Mahajana Eksath Peramuna (MEP), die sich 1956 der SLFP-Regierung angeschlossen hatte, die United Left Front zu gründen. Die ULF-Front war für die LSSP das Sprungbrett, von dem aus sie 1964 in Bandaranaikes Regierung eintrat.
Der Verrat der LSSP war ein schwerer Schlag für die Arbeiterklasse der Region und der Welt. In Sri Lanka bereitete sie durch die Zurückweisung des sozialistischen Internationalismus den Weg für die Gründung verschiedener Formen von kleinbürgerlichem Radikalismus auf der Grundlage kommunalistischer Politik. Die Janatha Vimukthi Peramuna (JVP), die 1966 gegründet wurde, gewann unter der verarmten singhalesischen Jugend Anhänger, indem sie den bewaffneten Kampf auf der Grundlage einer Mischung aus Maoismus, Castrismus und singhalesischem Populismus predigte.
1971 begann die JVP eine bewaffnete Rebellion gegen die zweite Koalitionsregierung aus SLFP, LSSP und KP, die 1970 gebildet wurde. Die Regierung antwortete auf zwei Arten: sie ließ den Aufstand rücksichtslos niederschlagen - wobei 15.000 Landjugendliche ums Leben kamen - und begann eine Politik, die die Singhalesen gegenüber Tamilen bevorzugte, um die JVP zu unterwandern. Die Verfassung von 1972 verfestigte die Politik, Singhalesisch als einzige Amtssprache zu führen und den Buddhismus zur Staatsreligion zu erheben. Diese Diskriminierung der Tamilen führte zur Gründung von bewaffneten separatistischen Organisationen wie den Befreiungstigern von Tamil Eelam und brachte die Insel auf den Weg eines dreißigjährigen blutigen Bürgerkrieges, der hunderttausende Todesopfer forderte.
Der Verrat der LSSP stärkte in ganz Asien und weltweit die zunehmend diskreditierten stalinistischen und maoistischen Parteien. In Indien konnten die diversen stalinistischen Parteien - die Kommunistische Partei Indiens (KPI) und die Kommunistische Partei Indiens (Marxisten) die Krise des chinesisch-sowjetischen Zerwürfnisses unbeschadet überleben. Die bewaffnete Naxalbari-Bewegung verunglimpfte den Trotzkismus mit Verweis auf die LSSP, obwohl sie, wie alle stalinistischen Organisationen, selbst Bündnisse mit der "progressiven" Bourgeoisie einging.
Der Verrat der LSSP bestätigte die Richtigkeit des politischen Kampfes der SLL gegen die Wiedervereinigung der SWP mit den Pablisten. Außerdem kämpfte eine Gruppe von IKVI-Sympathisanten innerhalb der SWP für eine interne Diskussion über den Eintritt der LSSP in die Regierung Bandaranaike. Ihr Ausschluss führte 1966 zur Gründung der Workers League, der Vorgängerpartei der amerikanischen SEP.
Die SLL und ihre Nachfolgerin, die Workers Revolutionary Party (WRP), waren zwar zu dem richtigen Schluss gekommen, dass der Verrat der LSSP den direkten Eintritt des pablistischen Revisionismus in die Dienste des Imperialismus bedeutete, sie distanzierten sich jedoch zunehmend vom internationalen Kampf gegen den Opportunismus und wandten sich den Labour- und Gewerkschaftsbürokratien in Großbritannien und bürgerlich-nationalistischen Regimes im Nahen Osten zu.
Von 1985-86 spalteten sich die wirklichen Trotzkisten innerhalb des IKVI von den Opportunisten der WRP ab und beendeten damit einen internen Krieg, der mehr als 30 Jahre innerhalb der Vierten Internationale getobt hatte. Die Spaltung schuf die Bedingungen für ein Aufblühen des Marxismus innerhalb des IKVI und für die beispiellose internationale Integration seiner Arbeit, die sich in der World Socialist Web Site ausdrückt.
Heute existiert eine riesige Kluft zwischen dem IKVI und allen pseudolinken Tendenzen - den Pablisten und den Staatskapitalisten. Deren Übergang in die Dienste des Imperialismus zeigt sich an ihrer offenen Unterstützung für den Krieg unter Führung der USA gegen Libyen und den Regimewechsel in Syrien, sowie den faschistischen Putsch in der Ukraine und die Konfrontation mit Russland, die von Washington unterstützt wurden. Nur das IKVI kämpft dafür, die internationale Arbeiterklasse auf der Grundlage einer sozialistischen Perspektive gegen die wachsende Kriegsgefahr zu mobilisieren. Die Lehren aus dem Kampf des IKVI gegen alle Formen von Opportunismus sind von entscheidender Bedeutung für den Aufbau einer solchen Antikriegsbewegung.
Die SEP und ihre Mitstreiter im IKVI werden den 50. Jahrestag des Verrats der LSSP begehen, indem sie seine Bedeutung durch Artikel, Treffen und Vorträge erklären. Für den Kampf zur Ausweitung des Einflusses des IKVI und zum Aufbau neuer Sektionen in Asien und auf der ganzen Welt ist es wichtig, einer neuen Generation von Arbeitern, Jugendlichen und sozialistisch gesonnenen Intellektuellen diese entscheidende strategische Erfahrung näherzubringen.