Die Eröffnung der Olympischen Winterspiele im russischen Sotschi wurde am vergangenen Freitag von einer negativen Propagandakampagne der amerikanischen Medien begleitet. Die Stichworte dazu lieferten die Obama-Regierung und verbündete europäische Regierungen und Medien. Sie versuchen, das Ereignis schlecht zu machen und dem Regime von Präsident Wladimir Putin zu schaden.
In dem Ferienort am Schwarzen Meer treten in den nächsten zwei Wochen mehr als 2.800 Athleten bei 98 Wettbewerben an. Moskau wollte die Winterspiele in Sotschi als Zeichen für den wirtschaftlichen und geopolitischen Wiederaufstieg Russlands nutzen. Angesichts der zunehmenden Spannungen zwischen dem Weißen Haus und dem Kreml um die Vorherrschaft in Eurasien versuchen Washington und Brüssel jedoch, die Spiele in ein diplomatisches- und Publicity-Debakel für Moskau zu verwandeln.
Kein wichtiges westliches Staatsoberhaupt oder prominenter Vertreter besucht die Winterspiele in Sotschi, und die Obama-Regierung schickte bewusst nur eine Delegation von rangniedrigen Personen als Vertreter der USA. Dieses sind zum Beispiel ein Berater des Weißen Hauses, die ehemalige Chefin der Heimatschutzbehörde Janet Napolitano und der amerikanische Botschafter in Russland, Michael McFaul. Letzterer unterstützt lautstark die Opposition gegen Putin und hat vor kurzem seinen Rücktritt angekündigt.
Das Verhältnis der USA zu Russland hatte sich nach den Schäden, die es während der Bush-Regierung erlitten hatte, wieder verbessert. McFauls Rücktritt wird nun allgemein als Zeichen gewertet, dass diese Politik der "Verbesserung" zu Ende ist.
Großbritannien, Frankreich und Deutschland schlossen sich den USA an. Ranghohe Politiker dieser Länder forderten Regierungsvertreter zum Boykott der Veranstaltung auf. Der stellvertretende britische Premierminister Nick Clegg gab am Eröffnungstag der Spiele bekannt, er habe den liberaldemokratischen Ministern verboten, die Spiele zu besuchen, angeblich wegen den diskriminierenden Gesetzen gegen Homosexualität in Russland. Im Dezember hatte der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck angekündigt, er werde die Spiele boykottieren. Der italienische Premierminister Enrico Letta, der einzige Regierungschef eines G8-Staates außer Japan in Sotschi, wurde für seinen Besuch heftig kritisiert.
Als besonders wichtiger Kritikpunkt an der Putin-Regierung gelten die schwulenfeindlichen Gesetze gegen "homosexuelle Propaganda", die in Russland vor kurzem verabschiedet wurden. Die USA haben zwar engste Beziehungen zu Ländern wie Saudi-Arabien, in denen Homosexualität verboten und mit Auspeitschen oder der Todesstrafe geahndet wird, aber gegen Russland erheben Washington und seine Verbündeten von der Menschenrechts-Liga deshalb scharfe Vorwürfe.
Die deutschen Olympia-Athleten traten am Freitag in regenbogenfarbigen Uniformen auf: Der Regenbogen gilt als Symbol für Schwulenrechte. Am gleichen Tag änderte Google sein Logo in ein zur Olympia-Thematik passendes in ähnlichen Farben. Wie Julia Ioffe für die New Republic berichtete, quillt der einzige Schwulenclub in Sotschi vor ausländischen Journalisten über, die alle Interviews mit der Geschäftsleitung und den Kunden führen wollen.
Eine ganze Reihe von führenden Schriftstellern und Künstlern schloss sich der Kampagne an und veröffentlichte letzte Woche einen offenen Brief an den britischen Guardian, in dem sie die russische Regierung dafür verurteilten, das Recht auf freie Meinungsäußerung zu unterdrücken. Salman Rushdie, Günter Grass, EL Doctorow, Margaret Atwood, Tony Kushner und viele andere fordern den Kreml auf, "Russlands Verpflichtungen im Rahmen des internationalen Pakts für bürgerliche und politische Rechte anzuerkennen und die Meinungs- und Glaubensfreiheit zu respektieren". Der Brief, der ganz klar zeitlich auf den Beginn der Winterspiele abgestimmt war, ist Teil der beginnenden "Menschenrechts"-Kampagne gegen Russland.
Russland ist sicherlich alles andere als ein Vorbild für demokratische Rechte. Aber die Unterzeichner des Briefes kommen selbst aus Ländern, in denen massive Angriffe auf Bürgerrechte stattfinden. US-Präsident Barack Obama besteht öffentlich darauf, er habe das Recht, die Ermordung von amerikanischen Staatsbürgern ohne Gerichtsverfahren anzuordnen, und hat dies bereits getan. Seine Regierung verfügt über den größten Überwachungsapparat der Weltgeschichte.
Die inszenierten politischen Seitenhiebe und die Kampagne um Menschenrechte gegen die Winterspiele werden von endlosen Presseberichten über sämtliche angeblichen Sicherheits- und Infrastrukturfehler begleitet. Washington hat den amerikanischen Medien die Marschrichtung vorgegeben, und sie sind in voller Fahrt.
Die Kampagne konzentrierte sich zuerst auf die Gefahr durch einen Terroranschlag – wobei die Tatsache ignoriert wird, dass die größte Gefahr eines Anschlags auf die Spiele von den islamistischen Kräften ausgeht, die die USA in Syrien unterstützen. Später wurde dies von Berichten über alles Mögliche verdrängt, von den massiven Kosten über die Umweltschäden bis hin zu den Klagen, dass aus den Wasserhähnen in den Hotels braunes Wasser komme, Toiletten und Türgriffe kaputt seien, herrenlose Hunde in der Stadt herumstreunten und große Haufen von Bauschutt herumlägen.
Die Washington Post schrieb am 4. Februar: "Journalisten berichten aus Sotschi über Twitter von ihren komischen und ekelhaften Erfahrungen mit den Hotels." Das Time-Magazin, eins der amerikanischen Leitmedien, titelte "Sotschi: Der schlimmste Olympia-Austragungsort aller Zeiten?"
Am 7. Februar versuchte ein Artikel unter der Überschrift: "Die Dunkelheit hinter dem Glanz von Sotschi", jeden positiven Eindruck zu untergraben, den die Beobachter beim Betrachten der ausgefeilten Eröffnungszeremonie am Freitag etwa hätten gewinnen können. Juliet Macur schrieb: "Es war so betörend, und es lief so glatt, dass man in Versuchung gerät, zu vergessen, was hinter dem Prunk und Glanz steckte", und weiter hieß es: "Sotschi war diese Woche wie der Gastgeber einer Party, dessen Gäste viel zu früh gekommen sind: Gerade erst aus der Dusche, das Haar in Lockenwicklern, keine Schminke, dreckiges Geschirr in der Spüle."
Die Medien konzentrierten sich auch auf streunende Hunde in Sotschi. Als hätten sie auf ihren Einsatz gewartet, schlossen sich die Tierrechtsaktivisten der Hetze gegen Russland an. Die Humane Society International hat sogar ein Dokument vorbereitet, in dem beschrieben wird, wie man einen Streuner aus der Stadt am Schwarzen Meer adoptieren kann.
Sally Jenkins von der Washington Post ließ sich heuchlerisch darüber aus, dass für die Spiele öffentliches Geld ausgegeben wird, über die Armut in der umliegenden Region und über die Schäden für die Umwelt. Jenkins scheint zu vergessen, dass sie selbst in einem Land lebt, in dem die oberen zwanzig Prozent der Bevölkerung neunzig Prozent des Reichtums aller Haushalte kontrollieren. Sie schwankt zwischen Beschwerden über die Qualität der Teppiche in den Hotelzimmern und ihrer Ablehnung von "Putin und der kleinen Gruppe von 110 milliardenschweren Komplizen, die den Reichtum [Russlands] mit Beschlag belegen". Sie kritisierte die Spiele in Sotschi für den zur Schau gestellten Prunk, der "den einfachen Bürger dazu bringt, sich gegenüber der Macht des neuen russischen Staates hilflos zu fühlen".
Bei ihren Kommentaren und denen der ganzen amerikanischen Presse muss man an das alte Sprichwort denken: Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen.
Die Washington Post hat den Aufbau eines amerikanischen Polizeistaates und die Massenüberwachung der NSA verteidigt und versucht, sie als notwendigen Teil des Krieges gegen den Terror darzustellen. Wenn es um die Interessen des US-Imperialismus geht, hat die führende Tageszeitung kein Problem mit einer Situation, in der sich einfache Menschen "hilflos fühlen".
Was die starke Ungleichverteilung des Reichtums in Russland und bei den Olympischen Spielen in Sotschi angeht, so sieht es in den USA und Großbritannien auch nicht anders aus.
Zum Zeitpunkt der Sommerspiele in Atlanta1996, war diese Stadt die neuntärmste und die Stadt mit der zweithöchsten Rate von Gewaltverbrechen pro Kopf. Die Stadtgebiete unmittelbar um die Spielstätten waren tief verarmt, das Medianeinkommen der Haushalte lag bei nur 8.621 Dollar im Jahr.
Die Winterspiele 2002 in Salt Lake City, die von einem Skandal um Bestechungsvorwürfe geprägt waren, wurden von Umweltschützern ebenfalls stark kritisiert, weil sie die herrlichen Naturgebiete der Region beschädigten. Alexis Kelne, der Mitbegründer der Utaher Umweltschutzorganisation Save Our Canyons, sagte der Los Angeles Times damals: "Das einzig Grüne an diesen Spielen ist die Farbe des Geldes, mit dem herumgeworfen wird."
Jede Olympiade der modernen Geschichte war von Berichten über Betrug und Korruption belastet. Die dreißig Milliarden Dollar russischen Staatsgeldes die angeblich versickert sind, verblassen im Vergleich zu den 85 Milliarden Dollar, die die US-Regierung im Rahmen ihrer Strategie der "quantitativen Lockerung" jeden Monat ins Finanzsystem pumpt. Diese andauernde Rettungsaktion für die Finanzindustrie hat zu einem massiven Aktienboom und einer weiteren Umverteilung des Reichtums an die Superreichen geführt.
An der Berichterstattung der Presse über die Spiele in Sotschi zeigt sich die völlige Unterordnung der Medien unter die Interessen der amerikanischen herrschenden Klasse. Die USA sehen Russland als das nach China zweitgrößte Hindernis für ihre imperialistischen Interessen. Washington ist fieberhaft damit beschäftigt, Moskaus Einfluss in Osteuropa zu untergraben, und unterstützt eine rechtsextreme, antirussische Protestbewegung, durch die dem Land die Spaltung in zwei Teile und möglicherweise ein Bürgerkrieg droht. Das Weiße Haus und der Kreml streiten sich zurzeit um die Politik im Nahen Osten, was Syrien und den Iran angeht.
Die Einstellung Washingtons und seiner europäischen Verbündeten zu den Winterspielen in Sotschi geht auf diese und andere schwelende geopolitische Spaltungen mit Russland zurück. Das Weiße Haus versucht, mit Hilfe von unterwürfigen Medien die internationale Position eines seiner wichtigsten Rivalen zu untergraben, die Grundlagen für einen Regimewechsel in Russland zu legen und die amerikanische Bevölkerung auf künftige militärische Konflikte vorzubereiten.