In den Niederlanden hat die Arbeitslosigkeit mit 8,1 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung den höchsten Wert seit dreißig Jahren erreicht. Laut niederländischem Statistikamt ist die Zahl der Arbeitslosen im März um 30.000 auf 643.000 Menschen gestiegen.
Seit Ausbruch der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise hat sich die Zahl der Arbeitslosen in den Niederlanden verdoppelt. Besonders stark betroffen sind wie in anderen europäischen Ländern junge Menschen und Erwerbsfähige im Alter zwischen 25 und 45 Jahren. Alle ökonomischen Voraussagen gehen davon aus, dass die Arbeitslosigkeit weiter ansteigen wird.
Das tatsächliche Ausmaß der Arbeitslosigkeit wird durch die hohe Zahl der Selbständigen verdeckt. Rund 800.000 Menschen sind derzeit als sogenannte ZZPler erwerbstätig. ZZP (Zelfstandigen zonder personeel) bedeutet „Selbständige ohne Angestellte“.
Dieses Phänomen der Scheinselbständigkeit ist europaweit stark verbreitet und in der Regel mit einem hohen Grad von Ausbeutung verbunden. Unternehmen nutzen dieses Geschäftsmodell, um die Arbeitskosten zu senken und Sozialbeiträge zu Arbeitslosen-, Kranken- und Rentenversicherung einzusparen.
Die Niederlanden befinden sich zum dritten Mal innerhalb von vier Jahren in einer Rezession. Das Bruttoinlandsprodukt schrumpfte im dritten Quartal 2012 um 1 Prozent und im vierten Quartal um 0,2 Prozent.
Eine der Ursachen der Rezession ist der Wertverfall der Häuserpreise, die seit viereinhalb Jahren kräftig fallen. Seit dem Höhepunkt im August 2008 sanken sie um fast 20 Prozent, real sogar um 30 Prozent. Allein 2012 schrumpften die Preise um 7 Prozent. Die niederländische Zentralbank geht davon aus, dass sich dieser Werteverfall fortsetzen wird. Sie rechnet mit einem weiteren Rückgang von 15 Prozent in den nächsten zwei bis drei Jahren
Durch den Wertverfall der Immobilien hat sich die Verschuldung der privaten Haushalte auf etwa 250 Prozent des verfügbaren Einkommens erhöht. Steigende Arbeitslosigkeit, sinkende Einkommen und der starke Wertverlust bei den Immobilienpreisen tragen dazu bei, dass der Konsum der privaten Haushalte stark zurück gegangen ist.
Verschärft wurde diese Entwicklung durch das harte Sparprogramm, auf das sich die große Koalition aus rechtsliberaler VVD und sozialdemokratischer PvdA bei ihrer Regierungsübernahme im Oktober letzten Jahres geeinigt hatte. (Siehe: „Niederlande: Große Koalition einigt sich auf hartes Sparprogramm“)
Die niederländische Regierung, die neben der deutschen Regierung mit am unversöhnlichsten auf die Umsetzung der Spardiktate der EU in Griechenland, Zypern, Irland, Spanien und Portugal besteht und mit ihrem Finanzminister Jeroen Dijsselbloem den Chef der Euro-Gruppe stellt, ist nicht in der Lage, die EU-Defizitkriterien einzuhalten.
Die Staatsverschuldung lag 2012 bei 71 Prozent (die zulässige Obergrenze des EU-Stabilitätspakts liegt bei 60 Prozent), und auch die Grenze der Neuverschuldung von 3 Prozent wird wohl in diesem Jahr nicht eingehalten werden. Nach Sparmaßnahmen in Höhe von 46 Milliarden Euro hat sich die Regierung vor kurzem mit Gewerkschaften und Wirtschaftsvertretern auf zusätzliche Kürzungen von 4,3 Milliarden Euro im öffentlichen Dienst und im Gesundheitswesen geeinigt, die 2014 in Kraft treten sollen.
Die Bauindustrie und das Gesundheitswesen sind besonders stark von den Kürzungen und dem Arbeitsplatzabbau betroffen. Auch die Banken, die Hypothekenkredite von etwa 650 Milliarden Euro in ihren Büchern stehen haben, von denen viele nicht mehr oder nur teilweise zurückgezahlt werden können, entlassen Tausende von Angestellten.
Im Februar dieses Jahres gingen 755 Firmen pleite, so viele wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1981. Auch die Lage für die exportorientierten Unternehmen ist schwierig. 80 Prozent der europäischen Exporte gehen nach Deutschland, Belgien und Frankreich, die ebenfalls stark von der internationalen Wirtschaftskrise betroffen sind.