Großbritannien und Frankreich wollen Waffenembargo gegen Syrien aufheben

Die Ankündigung des britischen Premierministers David Cameron, Großbritannien könnte die syrische Opposition mit Waffen beliefern, wird als britischer Alleingang dargestellt, der mit der EU nichts zu tun hat. Sie ist nichts dergleichen.

Großbritannien, Frankreich und mehrere Regionalmächte im Nahen Osten wie die Golfmonarchien und die Türkei erhalten ihre Anweisungen von der US-Regierung, die seit Monaten hinter den Kulissen Waffen nach Syrien schmuggelt und „Widerstandskämpfer“ ausbildet.

Cameron erklärte in einer Rede vor hochrangigen Parlamentariern im Common Liaison Committee, Großbritannien erwäge, im Mai sein Veto gegen die Verlängerung des Waffenembargos der Europäischen Union gegen Syrien einzulegen. „Ich hoffe, wir können unsere europäischen Partner überzeugen, sollte eine weitere Änderung notwendig werden, und ich hoffe, dass sie mit uns einer Meinung sein werden. Aber wenn uns das nicht gelingt, könnten wir unter Umständen die Dinge auf unsere Weise erledigen“, sagte er.

Großbritannien sei „immer noch ein unabhängiges Land“ und könne „unabhängig Außenpolitik machen“, drohte Cameron.

Im Mai 2011 verhängten die EU-Staaten das Embargo, das Folgendes untersagt: „den Verkauf, die Lieferung, die Durchführung und den Export von Rüstungsgütern und dazugehörigen Materialien aller Arten, darunter Waffen, Munition, Militärfahrzeuge- und Ausrüstung, paramilitärische Ausrüstung und Ersatzteile für die erwähnten Gegenstände“. Wenn die 27 EU-Mitgliedsstaaten darüber jedoch nicht mehr einer Meinung sind, wird diese Entscheidung nicht verlängert.

Großbritannien und Frankreich wurde vorgeworfen, sich für eine Militärintervention zum Sturz des baathistischen Regimes von Bashar Al-Assad einzusetzen. In der Europäischen Union wird dies hauptsächlich von Deutschland abgelehnt, das befürchtet, Assad solle durch ein konfessionlles sunnitisches Regime ersetzt werden, möglicherweise gar ein Regime, das sich an Al Qaida orientieren und den gesamten Nahen Osten destabilisieren würde.

Letzte Woche sagte Außenminister William Hague im Unterhaus, die britische Regierung werde den Oppositionskräften im Rahmen eines milliardenschweren Hilfspakets gepanzerte Fahrzeuge und Schutzanzüge liefern. Zuvor hatte sich Großbritannien mit der französischen Regierung von François Hollande zusammengetan, um das Embargo umzuschreiben und die Lieferung von „nicht-tödlicher“ – wie es euphemistisch heißt – Militärausrüstung zu erlauben.

Außenminister Guido Westerwelle sprach sich gegen die Aufhebung des Verbots aus und warnte vor einem Stellvertreterkrieg im Nahen Osten.

Cameron gab außerdem zu verstehen, Großbritannien habe die Absicht gehabt, schon im Februar sein Veto gegen das Verbot der EU einzureichen, falls diese der Lieferung nichttödlicher Ausrüstung nicht zugestimmt hätte. Seine Regierung hatte sogar ein Gesetz entworfen, das „einsatzbereit“ gewesen wäre, „hätten wir die Zustimmung Europas nicht erhalten“.

Frankreich betreibt kaum weniger Kriegstreiberei als Großbritannien. Der französische Außenminister Laurent Fabius erklärte, die Aufhebung des Embargos würde dabei helfen, das Feld in Syrien neu aufzurollen, und kündigte an, er werde sich dafür einsetzen, das Verbot dementsprechend „nachzubessern“.

Fabius erklärte, Frankreich werde die Embargo-Frage in wenigen Tagen ansprechen. Ein hochrangiger französischer Diplomat sagte Reuters: „Wir erwägen, den syrischen Rebellen unter anderem Luftabwehrraketen zu liefern.“

London und Paris erklärten, sie hielten die Befürchtung für unbegründet, dass mit Al Qaida verbündete Gruppen wie die Al Nusra-Front und andere dschihadistische und salafistische Gruppen vom Ende des Embargos profitieren könnten. „Wir müssen offensichtlich mit den Oppositionsgruppen zusammenarbeiten, wenn wir in Syrien für einen Wandel sorgen wollen“, erklärte Cameron. „Möglicherweise wird der Einfluss der Dschihadisten wachsen, wenn wir nichts tun.“

Ein Vertreter des Außenministeriums erklärte: „Wir sprechen ständig mit der Opposition über eine ganze Reihe von Unterstützungsmaßnahmen, und wir wissen, mit welchen Leuten wir arbeiten wollen. (...) Es ist wichtig, die gemäßigten Elemente der Opposition zu stärken. Wir wissen, wer das ist.“

„Wir verstehen, dass man Gewalt nicht mit Gewalt aus der Welt schafft. Aber diese Haltung bringt uns in der Realität nicht weiter, und diese Realität ist, dass die Opposition von anderen angegriffen wird, die Waffen bekommen, während sie selbst keine hat“, erklärte Fabius.

Washington hält es für wichtig, dass solche Argumente laut werden. Bisher war die Obama-Regierung gezwungen, versteckt und durch verschiedene Stellvertreter und Mittelsmänner zu agieren, um die Opposition zu bewaffnen. Der Grund war hauptsächlich die Furcht vor den politischen Folgen, wenn bekannt würde, dass sie in Syrien, wie schon zuvor in Libyen, Al Qaida mit Waffen versorgten. Für eine offene Intervention ist es wichtig, dass sie öffentlich rechtfertigt werden kann.

Deutschlands Bedenken werden von Russland geteilt, mit dem Berlin seit mehr als zwanzig Jahren gute politische und wirtschaftliche Beziehungen bevorzugt. Auch an dieser Front versuchen London und Paris einen möglichen Kompromiss auszuhandeln, der den Rücktritt von Assad und die Einrichtung einer Regierung ermöglichen würde, die aus der Opposition und Teilen des Baath-Regimes bestünde.

Wie Fabius dem außenpolitischen Ausschuss der französischen Nationalversammlung am Dienstag sagte, laufen zwischen Frankreich, Russland und den USA Verhandlungen, um eine Liste von syrischen Staatsfunktionären aufzustellen, mit denen die Opposition zu Verhandlungen bereit wäre. Am Mittwoch fanden in London Gespräche zwischen Russland und Großbritannien statt.

Auch Saudi-Arabien, Katar, Jordanien und die Türkei unterstützen den Versuch, das EU-Waffenembargo zu kippen. Letzte Woche erklärte der türkische Außenminister Ahmed Davutoglu bei einem offiziellen Besuch in London, das Embargo habe Assads Truppen gestärkt, da sie Waffen von Russland und dem Iran, nicht aber aus der EU, erhielten.

Es ist mittlerweile allgemein bekannt, dass die USA mit allen diesen Regimes zusammenarbeitet, um die Opposition gegen Assad zu bewaffnen und auszubilden. Am letzten Wochenende erschien im Spiegel ein Bericht, laut dem uniformierte Amerikaner in Jordanien Kämpfer, die nach Syrien geschickt werden sollen, in der Anwendung von Panzerabwehrwaffen ausbilden. Über 200 Männer wurden in den letzten drei Monaten bereits trainiert, und es gibt Pläne, 1200 Mitglieder der Freien Syrischen Armee in zwei Lagern im Süden und Osten Jordaniens auszubilden. Das Magazin berief sich dabei auf anonyme Quellen. Jordanische Geheimdienstquellen besagen, dass etwa ein Dutzend Einheiten mit ungefähr 10.000 ausgebildeten Soldaten das Ziel seien. Der Guardian schrieb in seiner Samstagsausgabe, in Jordanien arbeiteten britische und französische Ausbilder mit amerikanischen zusammen.

Es ist klar, dass eine große militärische Eskalation bevorsteht, sollte im Mai das EU-Embargo fallen.

Am Dienstag berichtete James R. Clapper, Direktor des nationalen US-Geheimdienstes, dem Geheimdienstausschuss des Senats, welche aktuellen und künftigen Bedrohungen für Amerika durch eine Erosion des syrischen Regimes beschleunigt werden könnten.

Er behauptete, eine Regierung, die „zunehmend unter Druck gerät“ und die Oppositionskräfte nicht mit konventionellen Waffen schlagen kann, könnte gegen die eigene Bevölkerung auch zu Chemiewaffen greifen.

Clapper beklagte, dass die Kräfte, die an Assads Sturz arbeiten, zwar an Stärke und Spielraum gewönnen, die Opposition jedoch weiterhin zersplittert sei, und ausländische Dschihadisten stärker und einflussreicher würden. Er fügte hinzu, es gäbe „buchstäblich hunderte“ von oppositionellen Zellen, deren Anführer um eine zentralisiertere Führung und Kontrolle kämpften. „Der Iran übt weiterhin destabilisierenden Einfluss in der Region aus. Er liefert Waffen und Ausbildung für die syrischen Truppen und stellt eine Miliz auf, um die syrische Opposition zu bekämpfen“, sagte Clapper.

Die Ausbildung von nicht-salafistischen Kräften in Jordanien und die Lieferung von Waffen und Geld an die syrische Opposition sollen sicherstellen, dass eine vertrauenswürdige, prowestliche Stellvertretermacht bereit stehen wird, um den Bodenkrieg zu führen, wenn es soweit ist.

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