Am Dienstag veröffentlichte die Weltbank ihren zweimal jährlich erscheinenden Bericht zu den globalen Wirtschaftsaussichten. Darin schraubte sie die Erwartungen für das Wirtschaftswachstum gegenüber ihrem Bericht vom Juni 2012 deutlich zurück. Die internationale Kreditagentur mit Sitz in Washington erwartet für 2013 nur noch ein Wachstum der Weltwirtschaft um 2,4 Prozent. Vor sechs Monaten war sie noch von 3,0 Prozent ausgegangen.
Die Bank teilte mit, dass das globale Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2012 nur um 2,3 Prozent gewachsen sei. Im Juni waren noch 2,5 Prozent erwartet worden. Für 2014 erwartet sie ein Wachstum von 3,1 Prozent und für 2015 von 3,3 Prozent. Dieses vorausgesagte Wachstum ist niedriger als die Schätzungen der Bank im Juni. Es reicht nicht aus, um die Arbeitslosenraten in den USA und in weiten Teilen Europas, die sich auf Depressionsniveau befinden, spürbar zu reduzieren, oder die Ausbreitung von Armut aufzuhalten.
Der Bericht belegt, dass auch vier Jahre nach dem Finanzzusammenbruch an der Wall Street im September 2008 noch immer kein Ende der Wirtschaftskrise in Sicht ist. Er zeigt auch, in welchem Ausmaß die Wirtschaftspolitik der Regierungen und Zentralbanken in aller Welt die reichsten Schichten der Gesellschaft auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung begünstigen.
Dies zeigt sich in den Statistiken, die in dem Bericht enthalten sind: Während das Wirtschaftswachstum in weiten Teilen der Welt seit dem letzten Bericht der Bank im Juni zum Stillstand gekommen oder gar in den negativen Bereich gerutscht ist, sind die Aktienpreise stark gestiegen. Die Aktienindices in den so genannten „aufstrebenden Märkten“ sind in den letzten sechs Monaten um 12,6 Prozent gestiegen, während das Beteiligungsvermögen in den „wohlhabenden“ Ländern Nordamerikas, Europas und Japans um 10,7 Prozent gestiegen ist. Der Weltindex MSCI ist seit Ende 2011 um siebzehn Prozent hochgesprungen.
Die Kombination von riesigen Bankenrettungspaketen, praktisch kostenlosen, unbegrenzten Krediten für Banken und Finanzhäuser und einer Sparpolitik für die Arbeiterklasse hat das Finanzsystem gestützt und die herrschende Elite dadurch bereichert, dass der Wert der Finanzvermögen aufgebläht wurde. Sie hat aber nichts dazu beigetragen, die Realwirtschaft zu beleben. Im Gegenteil belegt die Tatsache, dass das Wirtschaftswachstum weiter stagniert, obwohl die Banken und Investmenthäuser enorm subventioniert werden, den grundlegenden systemischen Charakter der Wirtschaftskrise.
Außerdem unterminieren die Maßnahmen, die ergriffen werden, um eine Deflation und Finanzchaos zu verhindern, die geldpolitischen Grundlagen des Welthandels und von Investitionen. Zu diesen Maßnahmen gehört zum Beispiel das Drucken von Billionen von Dollars und anderen wichtigen Währungen. Sie heizen Währungs- und Handelskriege an und verursachen neue spekulative Blasen, die früher oder später platzen müssen.
Wirtschaftliche Stagnation und Niedergang sind in den wohlhabenden Regionen besonders stark ausgeprägt. Die Weltbank schraubt ihre Wachstumserwartung für diese großen Volkswirtschaften insgesamt auf nur noch 1,3 Prozent für 2012 und 2013 zurück. 2014 soll es auf 2,0 Prozent steigen, und 2015 auf 2,3 Prozent.
Die Bank revidierte ihre bisherige Erwartung, dass die Eurozone der siebzehn Länder mit einer Zunahme 1,1 Prozent auf den Wachstumspfad zurückkehren werde, auf ein Schrumpfen um 0,1 Prozent. Für 2014 erwartet sie nur ein Wachstum von 0,9 Prozent, und für 2015 von 1,4 Prozent. Solche miserablen Wachstumsraten werden weitere soziale Einschnitte in Ländern wie Griechenland, Spanien und Portugal nach sich ziehen. Diese Länder leiden heute schon unter massiver Arbeitslosigkeit, Armut, Obdachlosigkeit und sozialem Elend.
Für die USA hat die Weltbank ihre Wachstumsprognose für 2013 um ein halbes Prozent auf 1,9 Prozent zurückgenommen. Das ist noch einmal weniger als die schon mageren 2,2 Prozent in 2012. Für 2015 erwartet sie nur eine Verbesserung auf bescheidene 3.0 Prozent, was auch zu wenig ist, um die Arbeitslosenzahlen nachhaltig zu senken.
Der Bericht halbiert die Schätzung vom Juni für Japan und erwartet für 2013 nur ein Wachstum von 0,8 Prozent, etwas weniger als in 2012. Für 2015 wird nur ein magerer Anstieg auf 1,5 Prozent vorhergesagt.
Das Wachstum des BIP in den so genannten “aufstrebenden” Ländern wird für 2012 mit 5,1 Prozent veranschlagt, und für dieses Jahr wird ein Wachstum von 5,5 Prozent erwartet. Für Brasilien, Indien und Mexiko hat die Bank ihre Voraussagen abgesenkt.
In der Region Lateinamerika und Karibik ist das BIP-Wachstum 2012 auf drei Prozent zurückgegangen (von 4,3 Prozent in 2011). Die Wachstumsrate in Brasilien, der größten Volkswirtschaft in der Region, betrug 2012 nur 0,9 Prozent. Die Bank senkte ihre Erwartung für 2013 in Brasilien von 4,2 auf 3,4 Prozent ab und reduzierte die Voraussage für Mexiko von 4,0 auf 3,4 Prozent. Für die Region insgesamt erwartet die Bank 2013 ein Wachstum von 3.5 Prozent, das 2015 auf 3,9 Prozent steigen soll.
Die Bank berichtet, dass das Wachstum in der Region Ostasien und Pazifik von 8,3 Prozent in 2011 auf 7,5 Prozent in 2012 zurückgegangen ist. Das regionale Wachstum des BIP soll 2013 auf 7,9 Prozent steigen, bevor es 2015 auf 7,5 Prozent zurückfällt.
Chinas Wachstumsaussichten wurden von 8,6 Prozent auf 8,4 Prozent zurückgeschraubt, und die indischen von 6,9 auf 6,1 Prozent.
In den Schlussbemerkungen des Berichts heißt es: “Es gibt zwar Anzeichen, dass das Wachstum in aufstrebenden Ländern Fahrt aufnimmt, aber nach wie vor steht die Welt vor einer holprigen und unsicheren Erholung. Das Tempo der Erholung in den wohlhabenden Ländern wird wohl enttäuschend bleiben.“
Das sind eher beschwichtigende Worte angesichts einer Krise des kapitalistischen Weltsystems, die sich in Wirklichkeit verschärft und auf neue Finanzschocks und Explosionen zu bewegt.