Nach nur zweitägigen Verhandlungen einigten sich die Baumarktkette Praktiker und Vertreter der Gewerkschaft Verdi am vergangenen Freitag in Maintal auf einen „Sanierungsvertrag“. Er gilt für die kommenden drei Jahre, sieht für die 15.000 Beschäftigen eine Lohnsenkung um 5 Prozent vor und erspart dem Konzern für den Zeitraum von 2012 bis 2014 Personalausgaben in Höhe von 51,9 Millionen Euro.
Die Lohnsenkung betreffe im Wesentlichen eine Reduzierung oder Streichung des Weihnachtsgelds sowie tariflicher und betrieblicher Prämien, verteidigte Verdi-Vertreter Rüdiger Wolff das Verhandlungsergebnis. Monatliche Entgelte der Beschäftigten blieben dagegen unangetastet. Dafür erhalte die Belegschaft im Gegenzug eine „weitest gehende Beschäftigungssicherheit“.
Die Baumarktkette Praktiker ist seit einiger Zeit Spielball verschiedenster Investoren aus dem In- und Ausland. Das 1978 gegründete Unternehmen gehörte bis 2005 zur Metro AG. Nach dem Börsengang 2005 reduzierte der milliardenschwere Düsseldorfer Konzern seine Beteiligung unter Mitwirkung der US-Großbank JP Morgan Chase auf 40,5 Prozent. Anschließend verkaufte er seine Praktiker-Immobilien für 480 Mio. Euro an das Immobilien-Investment-Unternehmen Curzon Global Partner und trennte sich dann ganz von seinem verbliebenen Anteil.
2007 übernahm Praktiker den Konkurrenten Max Bahr und expandierte gleichzeitig in Osteuropa. Als dies die Profiterwartungen der Aktionäre nicht erfüllte, führte Praktiker als erstes Unternehmen im deutschen Einzelhandel Kurzarbeit ein. Es griff dabei auf eine Gesetzesänderung vom Februar 2007 zurück, die es ermöglicht, bei einem Umsatzrückgang von mehr als zehn Prozent in einer Filiale zwei Arbeitstage zu streichen und deren reduzierte Bezahlung vom Arbeitsamt übernehmen zu lassen.
Unterstützt wurde die Geschäftsleitung bei dieser Abwälzung betrieblicher Probleme auf das Einkommen der Beschäftigten von der Gewerkschaft Verdi. Deren für Praktiker zuständiger Vertreter Norbert Koesling rechtfertigte die Einführung von Kurzarbeit damals im Stil eines Verbündeten der Betriebsleitung mit dem Kommentar: „Das ist natürlich viel besser, als wenn es dort zu Entlassungen käme.“
Da auch alle weitere Restrukturierungsversuche hinter den Erwartungen der Aktionäre zurückblieben, drehte sich das Investorenkarussell in den vergangenen zwei Jahren immer schneller. Während sich hochbezahlte Übergangs-Chefs die Klinke in die Hand gaben, scheiterten im August 2012 die Verhandlungen mit dem Hedgefonds Anchorage. Stattdessen wurden Gespräche mit der österreichischen Fondsmanagerin Isabell de Krassny aufgenommen, die die Wiener Privatbank Semper Constantia und den zypriotischen Fonds Maseltov vertritt. Beide halten zusammen derzeit 14,97 % der Praktiker-Aktien.
Diese Gespräche endeten Anfang Oktober mit der Vereinbarung über einen Kredit in Höhe von 40 Millionen Euro. Die Zinsen für diesen Kredit liegen bei 12,5 Prozent plus Euribor. Erreicht Praktiker die vereinbarten Ziele nicht, so können die Kreditgeber diesen vertragsgemäß fällig stellen und erhalten dann die Kreditsumme plus Zinsen zurück.
Mit der Zustimmung zum Sanierungsvertrag hat Verdi eine Vereinbarung abgesegnet, die den Beschäftigten von Praktiker fast auf den Euro genau die Summe nimmt, die zur Finanzierung dieses Kredites gebraucht wird, dessen Rückzahlung wasserfest abgesichert ist und dessen Zinsen direkt in die Taschen von milliardenschweren Investoren fließen.
Was von der „weitest gehenden Beschäftigungsgarantie“ zu halten ist, die Verdi-Verhandlungsführer Rüdiger Wolff als „Gegenleistung“ auf der Website der Gewerkschaft anpreist, zeigt das Beispiel Karstadt. Auch dort hatte Verdi 2009 einen Sanierungstarifvertrag abgeschlossen, der aus dem weitgehenden Verzicht der Mitarbeiter auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld bestand. Mit Ablauf des Vertrages kündigte die Geschäftsleitung die Entlassung von 2.000 Mitarbeitern an.