Am Wochenende traf sich US-Außenministerin Hillary Clinton in Kairo mit dem Führer des ägyptischen Obersten Militärrates (SCAF), Feldmarschall Mohammed Hussein Tantawi und dem islamistischen Präsidenten Mohamed Mursi.
Offiziell behauptet Clinton, in Ägypten einen „demokratischen Übergang“ zu unterstützen, doch ihr Besuch stärkte das konterrevolutionäre Bündnis zwischen dem US-Imperialismus und der ägyptischen Bourgeoisie gegen die Gefahr neuer Massenkämpfe der Arbeiterklasse. Ihr Besuch fällt zusammen mit einem schärfer werdenden Machtkampf zwischen den zwei rivalisierenden Fraktionen der herrschenden Klasse Ägyptens, dem Militär und den islamistischen Moslembrüdern.
Anfang der Woche kippte das ägyptische Oberste Verfassungsgericht auf Geheiß des SCAF ein Dekret, das Mursi erlassen hatte, durch das das ägyptische Parlament wieder einberufen werden sollte. Hiermit hat der SCAF klar gezeigt, dass er die vollständige Kontrolle über den ägyptischen Staatsapparat behalten will. Kurz vor den Wahlen hatte die Junta durch einen Militärputsch das von Islamisten dominierte Parlament aufgelöst und alle Befugnisse über Gesetzgebung und Finanzhaushalt, sowie den Entwurf einer neuen Verfassung übernommen.
Clinton unterstützte den Putsch stillschweigend und erklärte: „Es ist klar, dass die Ägypter sich mitten in komplexen Verhandlungen über den Übergang befinden, darunter auch die Bildung eines Parlaments, einer neuen Verfassung und der Befugnisse des Präsidenten.“
Sie lobte den SCAF dafür, „in der Revolution das ägyptische Volk zu repräsentieren“ und „die ägyptische Nation zu schützen.“
Peter Mandaville, ein ehemaliger Berater des Außenministeriums, betonte auch, dass die USA das ägyptische Militär als den wichtigsten Verteidiger seiner Interessen und als die Kraft ansähen, die die Islamisten kontrolliert. Er erklärte in der New York Times, „jeder Knochen im Körper der etablierten US-Außenpolitik wird sich ruhiger fühlen, solange noch ein starkes Militär auf diese Kerle acht gibt und die Interessen der USA in Ägypten und der Region verteidigt.“
Washington sieht das ägyptische Militär als das wichtigste Bollwerk gegen eine weitere Explosion der Massen. Die Aufstände der Arbeiterklasse im letzten Jahr führten zum Sturz der amerikanischen Marionette Hosni Mubarak, die lange Zeit geherrscht hatte. Sie erschütterten den ägyptischen Kapitalismus und die imperialistische Herrschaft im Nahen Osten bis in die Grundfesten.
Es gibt Anzeichen dafür, dass die Arbeiterklasse wieder in die Offensive geht. Am Tag als sich Clinton mit Tantawi traf, gingen in der Industriestadt Mahalla al-Kubra im Nildelta 25.000 Textilarbeiter des staatlichen Unternehmens Mahalla Misr Spinning and Weaving Company in den Streik. Die Arbeiter von Mahalla, die in der Revolution letztes Jahr eine wichtige Rolle gespielt hatten, fordern die Absetzung der Unternehmensleitung und einen größeren Anteil an den Gewinnen aus dem Jahr 2011, sowie höhere Abfindungen.
Aus Angst vor neuen Massenkämpfen versucht Washington eine schärfer werdende Konfrontation mit dem Militär und den Islamisten zu verhindern, die Ägypten destabilisieren könnte. Während ihres Besuches versicherte Clinton Tantawi, dass die Junta die volle Unterstützung Washingtons genieße. Sie übte jedoch auch Druck auf die Generäle aus, dem islamistischen Präsidenten erweiterte Befugnisse zu geben, um dadurch die Tatsache zu verbergen, dass die Militärherrschaft in Ägypten weitergeht.
Laut diplomatischen Quellen aus Ägypten sagte Clinton zu Mursi: „Es gibt gewisse Dinge, die die USA von Ägypten erwarten,“ wenn sie das Land weiterhin finanziell unterstützen sollen. Eine dieser Forderungen ist es, dass Ägypten die proamerikanische Politik des Mubarak-Regimes fortführt.
Laut einem Diplomaten, der in der Zeitung Al-Ahram Online ein Interview gab, verlangte Clinton vor allem, dass Ägypten weiterhin das dreißig Jahre alte Friedensabkommen mit Israel einhält. Der Diplomat erklärte, die USA erwarteten, dass Ägypten „die guten Beziehungen der Moslembrüder zur Hamas im Gaza-Streifen nutzt, um mäßigend auf die Hamas in ihrem Konflikt mit Israel einzuwirken.“
Laut dem Diplomaten erwarten die USA auch, dass Mursi die Beziehungen Ägyptens zum Iran weiterhin auf niedriger Flamme hält.
Mursi deutete an, dass er und die Moslembrüder bereit seien, eng mit Washington zusammenzuarbeiten. Bei dem Treffen im Präsidentenpalast im Kairoer Nobelvorort Heliopolis sagte Mursi Clinton gegenüber: „Wir sind sehr, sehr gespannt darauf, Sie zu treffen, und froh dass Sie da sind.“
Nach dem Treffen zeigte sich Clinton zufrieden: „Präsident Mursi weiß, dass der Erfolg seiner Präsidentschaft und des Übergangs in Ägypten vom Aufbau eines Konsens im politischen Spektrum abhängt; von der Arbeit an einer neuen Verfassung, die die Zivilgesellschaft schützt; vom Entwurf einer neuen Verfassung, die von allen respektiert wird, und von der vollen Autorität der Präsidentschaft“.
Während und nach dem Treffen zwischen Clinton und Mursi versammelten sich tausende von Demonstranten vor der amerikanischen Botschaft und Clintons Hotel, um die Einmischung der USA in Ägypten und die Zusammenarbeit der Moslembrüder mit Washington zu kritisieren. Auf Transparenten war zu lesen: „Fahr zur Hölle, Hillary,“ oder „Wenn Sie die Islamisten mögen, nehmen Sie sie mit.“
Mit Washingtons Unterstützung stellte die Junta klar, dass die Generäle nicht die Absicht haben, ihre Macht aufzugeben. Bei einer Rede vor Soldaten in Ismailia sagte Tantawi am Sonntag, das Militär „werde sich von niemandem daran hindern lassen, Ägypten und sein Volk zu schützen.“
Tantawi deutete jedoch an, dass das Militär bereit sei, mit den Islamisten zu deren Bedingungen einen Kompromiss auszuhandeln. Er behauptete, er respektiere den Präsidenten, und „das Militär und der Militärrat respektieren die Autorität der Legislative und der Exekutive.
Bisher hat der SCAF Mursi im Wesentlichen die Befugnis erteilt, das Militär gegen die Bevölkerung einzusetzen. Der Zusatzartikel, den der SCAF zur Verfassung hinzugefügt hat, nachdem er mit Unterstützung der USA einen Putsch inszeniert hatte, erlaubt es Mursi, „mit Erlaubnis des SCAF die Streitkräfte einzusetzen, um die Sicherheit zu gewährleisten und öffentliches Eigentum zu schützen... sollte aufgrund innerer Unruhen ein Eingreifen der Streitkräfte nötig werden.“
Clintons Besuch zeigt den Zynismus und die Heuchelei hinter den Behauptungen, der US-Imperialismus kämpfe „für Demokratie.“ Durch Clintons Lob für die Militärjunta und die Moslembrüder signalisiert Washington der ägyptischen Bourgeoisie, dass sie – wie bei dem Aufstand des letzten Jahres – die brutale Unterdrückung jedes neuen Kampfes der Arbeiterklasse gegen den ägyptischen Kapitalismus akzeptieren wird.
Im Gegenzug versprachen die ägyptische Junta und die Islamisten, die amerikanische Kriegstreiberei gegen Syrien und den Iran zu unterstützen. Nach ihrem Besuch in Kairo flog Clinton weiter nach Israel, um mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu, Außenminister Avigdor Liberman, Verteidigungsminister Ehud Barak und Präsident Shimon Peres über das iranische Atomprogramm und den Krieg in Syrien zu diskutieren.