Die World Socialist Web Site veröffentlicht einen weiteren Teil des Dokumentes Die historischen und internationalen Grundlagen der Socialist Equality Party (Sri Lanka), das auf dem Gründungskongress in Colombo vom 27. bis 29. Mai einstimmig angenommen wurde. Es wird in zwölf Teilen veröffentlicht.
13. Die Reaktion der LSSP auf den offenen Brief
13.1. Die Weigerung der LSSP, die SWP und das IKVI im Kampf gegen den pablistischen Opportunismus zu unterstützen, war ein Wendepunkt in ihrer Geschichte und beschleunigte ihre Degeneration deutlich. Die LSSP-Führung kritisierte zwar Pablos prostalinistische Orientierung, sympathisierte aber mit der zugrundeliegenden liquidatorischen Haltung, da sie damit ihre eigene Anpassung an nationale Reformpolitik rechtfertigen konnte, die aus einer Mischung aus Parlamentarismus und Gewerkschaftssyndikalismus bestand. Sowohl Parlament als auch Gewerkschaften sind Gegner, die die revolutionäre Partei benutzen kann, um für ihre eigene Perspektive zu kämpfen, aber sie üben unweigerlich starken Druck auf die Partei aus, sich an reformistische Illusionen in der Arbeiterklasse anzupassen. Die LSSP vertrat zwar in Worten immer noch den Trotzkismus, maß ihren Erfolg jedoch an der Zahl der Sitze im Parlament und ihrem Einfluss in den Gewerkschaften. Für sie führte der Weg zum Sozialismus über parlamentarische Manöver und Streiks für begrenzte wirtschaftliche Forderungen, nicht über die unabhängige politische Mobilisierung der Arbeiterklasse.
13.2. Die Folgen der opportunistischen Orientierung der LSSP hatten sich bereits in den Ereignissen im August 1953 gezeigt – einer großen Krise der bürgerlichen Herrschaft auf der Insel. Bei den Wahlen von 1952 gewann die UNP eine deutliche Mehrheit, die wiedervereinigte LSSP hatte Sitze verloren, und eine neue Partei, die Sri Lanka Freedom Party (SLFP), die S.W.R.D Bandaranaike 1951 gegründet hatte, trat in Erscheinung. Innerhalb eines Jahres brach die UNP-Regierung jedoch in Folge eines Beinahe-Aufstandes der Arbeiterklasse und der Bauernschaft zusammen. Dieser Aufstand war durch Maßnahmen hervorgerufen worden, mit denen die Regierung eine Wirtschaftskrise beheben wollte, die durch das Ende des Koreakrieges entstanden war. Die LSSP rief mit Unterstützung der Kommunistischen Partei, der VLSSP und der Federal Party für den 12. August zu einem eintägigen Hartal auf, einem Generalstreik mit Schließung aller Geschäfte, um gegen steigende Preise zu protestieren. Das Ergebnis überraschte alle Parteien, auch die LSSP. Der Streik brachte Colombo zum Erliegen und die Proteste breiteten sich auf die ländlichen Gebiete im Süden und Westen aus. In vielen Gebieten trotzten Demonstranten der Gewalt der Polizei, blockierten Straßen und rissen Eisenbahnschienen heraus. In Panik traf sich die UNP-Regierung auf einem britischen Kriegsschiff im Hafen von Colombo, erklärte den Notstand, setzte das Militär in Marsch und schloss die Büros und Publikationen der Arbeiterparteien. Die Proteste dauerten zwei weitere Tage an, neun Menschen wurden von Polizisten erschossen.
13.3. Seither hat die Geschichtsschreibung der LSSP den Generalstreik von 1953 genutzt, um den revolutionären Charakter der Partei zu demonstrieren. In Wirklichkeit nahm die LSSP keine Führungsrolle bei der Massenbewegung ein. Sie hat nicht einmal solch elementare Schritte unternommen, wie Aktionskomitees in Fabriken, Vororten und Dörfern vorzuschlagen, um eine Selbstverteidigung der Arbeiter gegen die staatliche Unterdrückung aufzubauen. Stattdessen schloss sich die LSSP-Führung der KP und der VLSSP an, die ein Ende des Streiks forderten. Diejenigen, die weiter protestierten, wurden der staatlichen Gewalt ausgesetzt. In einem langen Artikel erklärte Colvin R. de Silva den Streik zu einem neuen Stadium des Klassenkampfes „mit den Kennzeichen des Bündnisses von Arbeitern und Bauern.“ Aber er kam zu dem Schluss, dass es jetzt darum ginge, „die UNP-Regierung zum Rückzug zu zwingen und Neuwahlen abzuhalten.“ Die LSSP hatte den Generalstreik die ganze Zeit nur als Mittel für ihre parlamentarischen Manöver gesehen. So konnte Bandaranaike von dem Widerstand der Massen profitieren und Einfluss gewinnen, vor allem bei den singhalesischen Massen auf dem Land, die von der LSSP-Führung enttäuscht waren. Bandaranaikes politischer Aufstieg wurde weiter gefestigt, als die LSSP seinen Misstrauensantrag gegen die UNP-Regierung unterstützte. Teile der srilankischen Elite waren schockiert über das Ausmaß des Streiks und unterstützten die SLFP, um auf andere Weise die kapitalistische Herrschaft zu konsolidieren. Bandaranaike war zwar gegen die Proteste, und seine SLFP hatte sich nicht an dem Streik beteiligt, aber Bandaranaike wurde trotzdem zu einer wichtigen Figur für die herrschende Klasse Sri Lankas.
13.4. Nach dem Streik verstärkten sich die Forderungen in der LSSP nach einer „linken Einheit“ mit der stalinistischen KP und der VLSSP. Nach der Wahl von 1952 kam eine Tendenz auf, die Verluste der Partei darauf zurückzuführen, dass sie kein Ankommen mit der KP und der VLSSP geschlossen hatte, sich gegenseitig keine Konkurrenz zu machen. Die beiden Parteien hatten von der LSSP gefordert, ihre Kritik an den stalinistischen Regimes in der Sowjetunion und China einzustellen. Nachdem die „Einheits“-Fraktion durch Pablos pro-stalinistische Linie auf dem Dritten Kongress gestärkt worden war, brachte sie auf dem Kongress der LSSP im Oktober 1953 einen Änderungsantrag ein, in dem die Partei aufgefordert wurde, sich den „sozialistischen Staaten“ gegenüber „bedingungslos freundschaftlich“ zu verhalten. Als der Antrag scheiterte, trat die pro-stalinistische Gruppe aus der Partei aus und ihre Anhänger verteilten sich auf KP und VLSSP.
13.5. In diesem Kontext muss die Reaktion der LSSP-Führung auf den offenen Brief gesehen werden. Dass sie sich gegen Cannons Appell stellte und sich weigerte, das Internationale Komitee zu unterstützen, war angesichts der Tatsache, dass sich die ehemaligen BLPI-Führer des pro-stalinistischen Charakters von Pablos Revisionen sehr wohl bewusst waren, politisch noch verwerflicher. Außerdem hatten sie in ihrer eigenen Partei selbst die Auswirkungen des Pablismus erlebt. Aber die LSSP protestierte auf legalistische Weise gegen die Art, wie der offene Brief veröffentlicht worden war und weigerte sich, politisch Stellung zu beziehen. Cannon schrieb an Leslie Goonewardene, die LSSP habe zwar ihre eigene pro-stalinistische Tendenz ausgeschlossen, fügte aber hinzu: „Als Internationalisten ist es unsere Pflicht, die selbe Einstellung auch gegenüber offenen oder verdeckten Formen des stalinistischen Versöhnlertums in anderen Parteien und allgemein in der internationalen Bewegung zu zeigen.“[1]
13.6. Mit Verspätung veröffentlichte das Zentralkomitee der LSSP im April 1954 eine Resolution, in der es auf die weitreichenden Folgen von Pablos Behauptungen einging, die stalinistischen Parteien könnten durch Druck der Massen auf einen revolutionären Kurs gedrängt werden. „Dieses Konzept führt nicht nur zu einer grundlegenden Revision der Positionen des Trotzkismus gegenüber dem Stalinismus, sondern spricht der trotzkistischen Bewegung auch jede Rechtfertigung für eine weitere unabhängige Existenz ab“, hieß es darin. In der Praxis versuchte sich die LSSP jedoch, auf Kosten von politischer Klarheit und Prinzipien mit den Pablisten zu versöhnen und die „Einheit“ mit ihnen zu wahren. Hiermit vergrößerten sie die Probleme, denen die SWP und das IKVI gegenüberstanden. Die LSSP-Führung kapitulierte schließlich vor dem Pablismus, beteiligte sich 1954 am pablistischen Vierten Kongress und verlieh ihm so Legitimität. Sie unterstützte seine Resolutionen, wenn auch mit kleinen Änderungen, und verblieb im pablistischen Internationalen Sekretariat. Dies war der Beginn einer völlig opportunistischen Beziehung, die für die Arbeiterklasse verheerende Folgen haben sollte. Die LSSP konnte sich mit dem Namen des Trotzkismus für ihre Reformpolitik in der nationalen Arena Glaubwürdigkeit verschaffen und das Internationale Sekretariat konnte sich mit einer „trotzkistischen Massenpartei“ in Asien brüsten. Die Unterstützung der LSSP für den Pablismus war ein schwerer Schlag gegen den Trotzkismus und damit gegen die Arbeiterklasse, vor allem in Asien. Wenn die LSSP, oder ein Teil von ihr, einen festen Standpunkt eingenommen hätte, hätte dies das Internationale Komitee sofort gestärkt, ihre Arbeit in der Region, vor allem in Indien, verbessert und wäre ein starkes Gegenmittel gegen den schädlichen Einfluss des Maoismus gewesen.
14. Der politische Rückzug der LSSP
14.1. Nach 1953 degenerierte die LSSP schnell, wobei sie das pablistische Internationale Sekretariat stets unterstützte. Innerhalb von nur etwas mehr als zehn Jahren gab die Partei jeden Kampf für den Trotzkismus auf, öffnete sich dem singhalesischen Kommunalismus und verriet die Arbeiterklasse, indem sie 1964 in eine bürgerliche Koalition mit der SLFP eintrat und damit die volle Verantwortung für die Verwaltung des kapitalistischen Staates übernahm. Die Degeneration der LSSP war bei jedem Schritt eng mit ihrer politischen Anpassung an Bandaranaike und die SLFP verbunden – d.h. an die kommunalistische Politik des singhalesischen Populismus, der zumindest anfangs mit antiimperialistischer und sozialistischer Demagogie ausgeschmückt war. Die Unfähigkeit der LSSP, entschlossen und prinzipienfest gegenüber der SLFP aufzutreten, erklärte sich aus ihrem Rückfall in die kleinbürgerlich-radikalen Traditionen des Samasamajismus. Sie war keine politisch homogene Partei mehr. Teile der ehemaligen BLPI hingen immer noch an den Traditionen des proletarischen Internationalismus, der sich 1948 in der riesigen Kundgebung gegen den Betrug der „Unabhängigkeit“ gezeigt hatte. Aber vom rechten Flügel der Partei unter N.M. Perera wurde der Partei eine zunehmend nationalistische Orientierung verpasst, an die sich ehemalige BLPI-Führer wie Colvin R. de Silva und Leslie Goonewardene anpassten. Schritt für Schritt besiegte Perera den inneren Widerstand gegen ein offenes Bekenntnis zur SLFP und ihren singhalesischen Populismus.
14.2. Vor der Wahl von 1956 versuchte Bandaranaike Teile der singhalesischen Bourgeoisie zu mobilisieren – Kleinunternehmer, buddhistische Mönche und ayurvedische Ärzte – die erbost darüber waren, unter der britischen Kolonialregierung an den Rand gedrängt worden zu sein. Bandaranaike knüpfte an die Demagogie früherer Bewegungen, die den Buddhismus wiederbeleben wollten, an und bezeichnete die Singhalesen als „einzigartige Rasse“, die in der Regierung des Landes die vorherrschende Rolle einnehmen müsse. 1955 ließ die SLFP ihre Forderung fallen, Singhalesisch und Tamilisch statt Englisch zu den offiziellen Amtssprachen zu machen. Stattdessen sollte Singhalesisch die einzige Amtssprache werden – d.h. die Sprache, die in Gerichten, im öffentlichen Dienst, dem Bildungssystem und bei allen offiziellen Angelegenheiten gültig ist. Bandaranaike versprach außerdem, dem Buddhismus eine offizielle Sonderstellung einzuräumen. Indem sie die Bevorzugung der Singhalesen zum Leitprinzip ihrer Politik machte, erkärte die SLFP Tamilen und tamilischsprachige Moslems zu Bürgern zweiter Klasse. Um seinen singhalesischen Populismus um sozialistische Phrasen und eine antiimperialistische Fassade zu ergänzen, nahm Bandaranaike für die Wahl 1956 die VLSSP von Philip Gunawardena in seine Mahajana Eksath Peramuna (MEP), oder Vereinte Volksfront, auf.
14.3. Die LSSP war gegen die Bevorzugung der Singhalesen und verteidigte die demokratischen Rechte der tamilischen Minderheit trotz brutaler Übergriffe singhalesischer Rassisten. Die Argumente der LSSP-Führung waren jedoch ein deutlicher Schritt weg vom proletarischen Internationalismus der BLPI. Die LSSP akzeptierte nicht nur die Rechtmäßigkeit des srilankischen Staates, sondern argumentierte auch, die Bevorzugung der Singhalesen würde die Einheit der Nation unterminieren. Ihr Widerstand basierte auf der Verteidigung der nationalen Einheit, nicht auf dem Kampf für die Einheit der Arbeiterklasse. In einer Rede im Parlament im Oktober 1955 warnte N.M. Perera: „Es wird zu einer dauerhaften Teilung des Landes kommen, wir werden nie ein vereinigtes Ceylon haben, und es wird viel Blutvergießen geben, das uns nirgendwo hinführt, und am Ende wird dieses Land entweder eine Kolonie oder ein Spielzeug für interessierte Großmächte sein.“[2] Das war kein prinzipieller Standpunkt. Trotz Bandaranaikes Bevorzugung der Singhalesen erklärte sich die LSSP bereit, der SLFP im Wahlkampf keine Konkurrenz zu machen. Damit trug sie dazu bei, diese bürgerliche Partei als progressive Alternative zur UNP glaubwürdig zu machen. Nachdem die SLFP einen deutlichen Wahlsieg errungen hatte, verlegte sich die LSSP auf eine „entgegenkommende Kooperation“ mit der Regierung von Bandaranaike. 1956 und 1957 stimmte sie der Thronrede zu, in der die Regierungspolitik für das kommende Jahr umrissen wurde. Erst als es Ende 1957 zu Streiks kam, begann sie, Bandaranaike zu kritisieren.
14.4. Die neue SLFP-geführte Regierung konzentrierte sich darauf, in allen Bereichen die Vorherrschaft der Singhalesen zu sichern. Damit provozierte sie Proteste der Tamilen und brutale Pogrome von singhalesischen Extremisten, die alle Versuche Bandaranaikes, mit den tamilischen Eliten Kompromisse zu verhandeln, als Verrat ansahen. Die beschränkten Verstaatlichungen, die seine Regierung durchführte, vergrößerten die Rolle des Staates und lieferten der singhalesischen Mehrheit damit Arbeitsplätze. Mit dem Ausbau des Bildungs- und Gesundheitswesens sollte unter der singhalesischen Landbevölkerung die Wählerbasis konsolidiert werden. Die Regierung war jedoch unfähig, die Grundbedürfnisse der Arbeiter und der bäuerlichen Massen zu befriedigen, was zu Streiks und Protesten führte. Der arbeiterfeindliche Charakter der SLFP-Regierung zeigte sich bald, als sie im März 1958 kurz nach der Verhängung eines zehnmonatigen Notstands die Sicherheitsgesetze (Public Security Act) verschärfte. Nachdem Bandaranaike die Politik des singhalesischen Kommunalismus ausgenutzt hatte, um für die SLFP eine Basis in der Landbevölkerung aufzubauen und die Arbeiterklasse zu spalten, wurde er zum Opfer seiner eigenen Schöpfung: Er wurde im September 1959 von einem buddhistischen Extremisten ermordet. Der rechte Flügel seiner eigenen Partei befürchtete, dass die Regierung nicht in der Lage sein werde, eine wachsende Bewegung der Arbeiterklasse zu kontrollieren. Er war ebenfalls in das Attentat verwickelt. Der gleiche rechte Flügel hatte bereits auf der Entlassung von Philip Gunawardena von seinem Ministerposten bestanden. Gunawardena übernahm den Namen der MEP für seine eigene rassistisch-singhalesische Partei.
14.5. Im Jahr 1960 rückte die LSSP noch weiter nach rechts. Bei der ersten Wahl im März verzichtete die LSSP auf jeden Anschein von revolutionärem Marxismus und bekannte sich zum parlamentarischen Weg zum Sozialismus. Sie erklärte, die UNP und die SLFP seien vollständig diskreditiert und trat für „eine samasamajistische Regierung“ auf parlamentarischem Weg ein. Sie schwächte ihre bisherige Position zur Frage der Amtssprache stark ab und ließ die Forderung nach der Gleichstellung von Singhalesisch und Tamilisch fallen; auch bei der Frage der Staatsbürgerschaft gab sie nach und erklärte, die Frage könnte zwischen der indischen und der srilankischen Regierung verhandelt werden, ohne dabei auf die Plantagenarbeiter Bezug zu nehmen. Das pablistische Internationale Sekretariat unterstützte den Kretinismus der LSSP und ihre Anpassung an kommunalistische Politik und nannte ihren Wahlkampf einen „entschlossenen Machtkampf.“
14.6. Anstatt die Wahl zu gewinnen, erhielt die LSSP weniger Sitze als 1956, was zu einer Krise führte. N.M. Perera ergriff die Gelegenheit, um erstmals vorzuschlagen, dass sich die Partei darauf vorbereiten solle, einer kapitalistischen Regierung mit der SLFP beizutreten. Seine Resolution wurde auf einem Parteikongress im Mai 1960 angenommen, wurde aber durch die Wahl eines Zentralkomitees vereitelt, in dem sein rechter Flügel eine Minderheit darstellte. Als die kurzlebige UNP-Regierung zusammenbrach und im Juli 1960 Neuwahlen stattfanden, schloss die LSSP dennoch ein Abkommen mit der SLFP ab, nicht gegen sie zu konkurrieren. Als eine neue SLFP-Regierung unter Führung von Bandaranaikes Witwe gebildet wurde, unterstützte die LSSP ihre Politik und stimmte für ihre erste Thronrede und ihren ersten Haushaltsplan.
14.7. Erst jetzt begann das pablistische Internationale Sekretariat (IS), verhaltene Kritik zu äußern. Es hatte nicht gegen die früheren derartigen Abkommen der LSSP protestiert, auch nicht gegen ihre „entgegenkommende Kooperation“ mit der SLFP 1956. Die einzige Kritik des IS am Kurs der LSSP im März 1960 war, dass er nicht erfolgreich war, weswegen eine „gründliche Untersuchung“ die Gründe für die Wahlniederlage herausfinden müsse. Aber als N.M. Perera vorschlug, in eine kapitalistische Regierung einzutreten, begann das IS eine politische Vertuschungskampagne für seinen eigenen Opportunismus. Mit Verspätung erklärte es, das Abkommen, sich keine Konkurrenz zu machen, berge die Gefahr „in den Massen Illusionen in das Wesen der SLFP zu schüren.“ Auf dem sechsten Weltkongress wurde die LSSP für ihre Unterstützung der Thronrede und des Haushaltsplans verurteilt. Aber das IS schloss nicht die Möglichkeit aus, „in einem kolonialen oder halbkolonialen Land“ eine Regierung kritisch zu unterstützen, die „nicht von der Arbeiterklasse gestellt wird (sei sie kleinbürgerlich oder kapitalistisch).“ Damit unterstützte das IS die Rechtswende der LSSP und hielt ihr den Rücken für eine Fortsetzung ihres Opportunismus’ frei.
14.8. Der Pablismus unterstützte auch die Annäherung der LSSP an die stalinistischen Regimes in der Sowjetunion und in China. Unter dem Eindruck des Ungarn-Aufstandes ein Jahr zuvor besuchte 1957 eine Delegation der LSSP, darunter Edmund Samarakkody und Colvin R. de Silva, Moskau als offizielle Gäste und verlor kein Wort darüber, wie die Sowjetarmee die ungarischen Arbeiter unterdrückt hatte. Im gleichen Jahr veröffentlichte die Zeitung der LSSP einen Leitartikel mit dem Titel: „Zu Ehren von Chou En-lai.“ Darin wurden der chinesische Außenminister und seine stalinistischen Mitstreiter für „die immensen Opfer“ gelobt, die sie „gebracht hatten, um die chinesische Revolution zum Sieg zu führen.“ Die amerikanische Socialist Workers Party kritisierte die LSSP in einem Leitartikel, in dem es hieß: „Chou En Lai und die Kommunistische Partei Chinas haben weder ‚die chinesische Revolution zum Sieg geführt‘, noch können sie rechtmäßig mit diesem Sieg identifiziert werden.“ Die LSSP-Delegation, die nach China reisen sollte, wurde aufgefordert, mit Nachdruck die Freilassung der chinesischen Trotzkisten zu verlangen, was die LSSP-Führung rundheraus ablehnte.
15. Die Wiedervereinigung der SWP
15.1. 1953 kam SWP-Führer James P. Cannon in seinem offenen Brief zu dem Schluss: „Der Graben zwischen Pablos Revisionismus und dem orthodoxen Trotzkismus ist so tief, dass weder ein politischer noch ein organisatorischer Kompromiss möglich ist.“[3] Doch die SWP begann schnell, ihren Widerstand gegen den Pablismus abzuschwächen. Schon 1957 antwortete Cannon positiv auf einen Brief von Leslie Goonewardene, in dem er auf die Aussichten einer Vereinigung der SWP mit dem Internationalen Sekretariat einging. Der Grund für diese Wende lag teilweise an der zunehmenden Anpassung der SWP unter dem Druck des Nachkriegsbooms an die radikalen Kreise aus der amerikanischen Mittelschicht.
15.2. Tatsächlich hatte sich die Kluft zwischen orthodoxem Trotzkismus und Pablismus vergrößert, aber die SWP nahm ähnlich opportunistische Positionen an wie das IS. Ende 1960 verherrlichte die SWP, die jetzt von Joseph Hansen geführt wurde, das Regime auf Kuba, das von Fidel Castro und seiner kleinbürgerlichen Guerillabewegung begründet worden war, als „Arbeiterstaat.“ Aufgrund von primitivem Empirismus erklärte die SWP, dass sich der proletarische Charakter des kubanischen Staates aus der Verstaatlichung der größtenteils agrarischen Wirtschaft ergebe. Dabei ignorierte sie die offene Feindschaft des Regimes gegen alle unabhängigen Aktionen der Arbeiterklasse und das Fehlen von Organen der Arbeitermacht. Als Castro die Sowjetunion um Hilfe gegen den US-Imperialismus bat und seine Bewegung des 26. Juli mit den kubanischen Stalinisten zusammenschloss, behauptete die SWP außerdem, die Castristen würden im Verlauf der Revolution zu Marxisten werden. Die Lobeshymnen der SWP auf „die erste erfolgreiche sozialistische Revolution auf dem amerikanischen Kontinent,“ die „den ganzen Prozess der Revolution in den Kolonien auf eine neue Stufe stellt“ und „die Richtigkeit der Theorie der Permanenten Revolution neu bestätigt,“ wurde zum Anknüpfungspunkt an die Pablisten.
15.3. Von 1961 bis 1963 führten die britischen Trotzkisten der Socialist Labour League (SLL) zusammen mit dem Internationalen Komitee einen entschlossenen Kampf gegen den Opportunismus der SWP. Die SLL lehnte die Ansicht der SWP ab, kleinbürgerliche Führungen könnten „durch die Logik der Revolution selbst“ dazu gezwungen werden, die Arbeiterklasse an die Macht zu bringen. Demgegenüber betonten sie, die Hauptaufgabe der Vierten Internationale sei die Lösung der Krise der proletarischen Führung durch den Aufbau von Parteien wie den Bolschewiki. Nach einer Übersicht über die Kämpfe gegen den Revisionismus kam die SLL 1961 zu dem Schluss: „Es ist Zeit, den Pablismus nicht mehr als Tendenz innerhalb des Trotzkismus zu sehen.“
15.4. In der Frage Kubas arbeitete die SWP mit Pablos und Mandels Methode des Objektivismus. In dem Dokument „Verratener Trotzkismus: Die SWP akzeptiert die politischen Methoden des pablistischen Revisionismus“ vom Juli 1962 erklärte das nationale Komitee der SLL: „Bei unserem Diskussionsaustausch mit der SWP haben wir starke Reaktionen provoziert, als wir anzudeuten wagten, dass es Unsinn sei über ‚eine Bestätigung der Theorie der Permanenten Revolution‘ ohne revolutionäre Parteien zu sprechen. In der Praxis gehen die Pablisten und die SWP jedoch beide vor den kleinbürgerlichen nationalistischen Führern in Kuba und Algerien in die Knie. Unsere Sicht auf diese Frage unterscheidet sich von derjenigen der SWP nicht nur darin, wie wir die Ereignisse erklären. Uns geht es noch mehr um die tatsächliche Politik und das Programm der trotzkistischen Führung in diesen rückständigen Ländern. Die Theorie der Permanenten Revolution ist, wie jede marxistische Theorie, ein Leitfaden zum Handeln; bei der Analyse geht es um das Ziel, eine unabhängige und entschlossene Arbeiterklasse und ihre Verbündeten in der Bauernschaft für die Sowjetmacht zu organisieren. ‚Bestätigung der Theorie der Permanenten Revolution‘ ist keine Auszeichnung, die Marxisten nationalistischen Führern verleihen müssen, sondern eine Aufgabe, für die Marxisten, selbst die Verantwortung tragen.“[4]
15.5. Die SLL bestand weiterhin darauf, dass die von der SWP propagierten Erfolge in Kuba und Algerien als Teil einer Gesamtbilanz des Stalinismus und des kleinbürgerlichen Radikalismus in den Massenkämpfen in rückständigen kapitalistischen Ländern gesehen werden mussten. „Neben Kuba und Algerien – und um diese richtig zu verstehen – müssen auch die Erfahrungen im Irak, Iran, in Ägypten, Indien, Indonesien, Bolivien, Indochina und vielen anderen Ländern berücksichtigt werden. Das Ergebnis einer derartigen historischen Analyse wäre die Antwort auf die Frage, welche Rolle die Führer der Arbeiterklasse, die nach der Zwei-Stufen-Theorie vorgegangen sind, wirklich gespielt haben. Der Stalinismus wurde nicht etwa ‚gezwungen, eine progressive Rolle zu spielen‘, sondern hat die fortgeschrittenen Arbeiter in diesen Ländern entwaffnet und verraten. So konnten bürgerliche Regierungen die Lage kurzfristig stabilisieren – auf mehr kann der Imperialismus derzeit nicht hoffen. In diesem, und nur in diesem Sinne wurde ‚die Theorie der Permanenten Revolution bestätigt’.“[5]
15.6. Die SLL kritisierte auch die Behauptung der SWP, die Verträge von Evian von 1962 zwischen der französischen Regierung und der Führung der algerischen Nationalen Befreiungsfront (FLN), durch die Algerien unabhängig wurde, seien „ein großer Sieg für das algerische Volk und für die Revolution in der arabischen Welt und den Kolonien.“ Die SLL verteidigte die Bewertung derartiger Unabhängigkeitsabkommen in der Nachkriegszeit durch die Vierte Internationale, mit denen die nationale Bourgeoisie die imperialistischen Interessen schützte. Die BLPI hatte diese Frage für Indien und Sri Lanka klar herausgearbeitet. Die SLL erklärte: „Das algerische Kleinbürgertum versucht, den Platz einzunehmen, den bisher der französische Kolonialismus inne hatte, und gleichzeitig ein Garant der grundlegenden Interessen des französischen Kapitals in Nordafrika zu sein. Wir sehen in den Verträgen von Evian die Bereitschaft hierzu, womit die FLN-Führung ihrem Naturell treu bleibt.“[6]
15.7. Ohne weitere Diskussion über die theoretischen und politischen Fragen, die zur Spaltung von 1953 geführt hatten, vereinigten sich die SWP und Gruppen in vielen lateinamerikanischen Ländern, die bisher auf der Seite des IKVI gestanden und zu den amerikanischen Trotzkisten aufgeschaut hatten, im Juni 1963 auf deren siebtem Weltkongress in Rom formell wieder mit den Pablisten. Die Hauptresolution des pablistischen „Weltkongresses“ wies die Theorie der Permanenten Revolution vollkommen zurück und kam zu dem Schluss, die kubanische Revolution habe gezeigt, dass „die Schwäche des Feindes in den rückständigen Ländern die Möglichkeit bietet, auch mit einer stumpfen Waffe an die Macht zu kommen“ – das heißt, ohne eine leninistische Partei, die für die unabhängige Mobilisierung der Arbeiterklasse kämpft. Die pablistische Verehrung Castros und des „bewaffneten Kampfs“ der Guerilleros sollte sich in Chile, Argentinien, Bolivien und ganz Lateinamerika als verheerende Sackgasse erweisen. Revolutionäre Elemente wurden von der Arbeiterklasse isoliert, was zu historischen Niederlagen führte. Die LSSP-Führung, die in der kapitalistischen SLFP eine „stumpfe Waffe“ für Sri Lanka sah, unterstützte die Vereinigung und die Gründung des Vereinigten Sekretariats. Im Gegenzug lobte die SWP die LSSP als trotzkistische Massenpartei.
Wird fortgesetzt
Fußnoten:
1. Trotskyism Versus Revisionism, Volume Two (London: New Park 1974), S. 89. Hervorhebung im Original (aus dem Engl.)
2. Blows against the Empire, S. 169. (aus dem Engl.)
3. David North, Das Erbe, das wir verteidigen, S. 240
4. Trotskyism Versus Revisionism, Volume Three (London: New Park, 1974), S. 244.
5. ebd., S. 250.
6. ebd., S. 248.