US-Präsident Barack Obama und der israelische Premier Benjamin Netanjahu trafen sich am Montag zu einem zweistündigen Gespräch im Weißen Haus, eine halbe Stunde davon ohne Berater. Ihre Gespräche drehten sich um ein gemeinsames Vorgehen ihrer Länder, um den Iran wirtschaftlich und militärisch anzugreifen.
Am Sonntag vor dem Treffen war Obama auf einer Versammlung der pro-israelischen Lobbyorganisation America Israel Public Affairs Committee (AIPAC) erschienen. Dort gab er das außergewöhnliche Versprechen ab, Israel in jeder künftigen militärischen Konfrontation mit Teheran zu unterstützen.
Obama sagte, seine Regierung sei bereit, „alle Elemente der amerikanischen Macht zu nutzen, um den Iran unter Druck zu setzen und ihn daran zu hindern, Atomwaffen zu entwickeln.“ Diese Formulierung wirkt bedrohlich unbestimmt. Mit „alle Elemente“ sind nicht nur Wirtschaftssanktionen und Terroranschläge in Teheran gemeint – das wurde in den vergangenen drei Jahren schon gemacht – sondern auch der Einsatz von Spezialkräften, Luftschlägen, Bodentruppen und sogar Atomwaffen.
Netanjahu sagte in einer Reaktion auf die Rede beim AIPAC, er wüsste Obamas Position sehr zu schätzen, „dass es dem Iran nicht erlaubt werden dürfe, Atomwaffen zu entwickeln und dass alle Optionen offenblieben“.
Um die mutmaßlichen Differenzen zwischen der Obama-Regierung und Netanjahu zu beschönigen, trafen sich Präsident und Premier zu einem gemeinsamen Fototermin für die Presse und gaben kurze Stellungnahmen ab bevor sie zu ihrem Treffen gingen, anstatt der Presse hinterher Antworten auf ihre Fragen zu geben.
Weder Obama noch Netanjahu wichen von den Vorgaben ihrer vorherigen Bemerkungen ab. Obama wich aus und erklärte: „Ich will dem amerikanischen und dem israelischen Volk versichern, dass wir dauerhaft und eng zusammenarbeiten. Ich glaube, das Niveau der Koordination und Beratung zwischen unseren Streitkräften und Geheimdiensten – nicht nur in diesem Fall, sondern in vielen Fällen – ist beispiellos. Und es ist meine Absicht, sicherzustellen, dass dies in den kommenden, vermutlich schwierigen Monaten des Jahres 2012 so bleibt.“
Netanjahu antwortete: „Israel und Amerika stehen zusammen.“ Er erklärte, Israel müsse sich „das Recht vorbehalten“, den Iran trotz amerikanischer Bedenken anzugreifen. „Wenn es um Israels Sicherheit geht, hat Israel als Staat das Recht, seine eigenen Entscheidungen zu fällen.“ Er fügte hinzu: „Meine oberste Verantwortung als israelischer Premierminister ist es, sicherzustellen, dass Israel Herr über sein Schicksal bleibt.“
Es gibt taktische Differenzen zwischen Washington und Israel, aber ein Großteil des öffentlich ausgetragenen Konfliktes ist wohl eher ein „Guter Bulle, böser Bulle“-Spiel, um Schwachstellen im iranischen Regime auszunutzen.
Netanjahu schlug auch eine „rote Linie“ für Militäraktionen vor: Der Iran solle gezwungen werden, seine Urananreicherung vollständig zu beenden und der Fähigkeit beraubt werden, Atomwaffen zu bauen – wenn diese Forderung wörtlich genommen würde, bedeutete sie, einen Großteil der iranischen Physiker und Raketenwissenschaftler zu ermorden.
Obama lehnt das ab, er sieht darin einen Versuch, Verhandlungen zwischen dem Iran und den P5+1-Staaten generell zu verhindern – den fünf ständigen Mitgliedern im UN-Sicherheitsrat (China, Frankreich, Russland, Großbritannien und die USA) plus Deutschland – und hat seine eigene „rote Linie“ bestimmt: Die nachweisbare Entscheidung der iranischen Regierung, eine Atomwaffe zu bauen. Da dies von amerikanischen Geheimdiensten bestätigt werden müsste, gibt es immer noch Raum für Provokationen oder einen inszenierten Kriegsgrund, wenn Washington sich dazu entschließen sollte.
Israel hat nicht genug Militärmacht, um mehr als äußerliche Schäden an iranischen Zielen anzurichten, es sei denn, seine Regierung wäre bereit, Kernwaffen einzusetzen und damit Millionen Menschen zu töten. Andernfalls müsste es sein Vorgehen mit den USA koordinieren. Diese haben im Persischen Golf und in der Nähe genug Kräfte, um umfassende und wiederholte Angriffe auf iranische Atomreaktoren und Anreicherungsanlagen auszuführen.
Der Iran ist dreimal so groß wie der Irak und hat eine dreimal so große Bevölkerung. Ein Krieg gegen ein solches Land würde eine vollständige Mobilisierung der USA erfordern, sowie die Wiedereinführung der Wehrpflicht und die Einziehung hunderttausender neuer, unwilliger Soldaten.
Auffällig ist hier, dass beide Regierungen der öffentlichen Meinung in ihren Ländern zuwiderhandeln, die stark gegen einen Krieg gerichtet ist.
Letzten Monat hat die Universität von Maryland eine Meinungsumfrage unter Israelis durchgeführt, laut der nur neunzehn Prozent einen einseitigen Angriff Israels auf den Iran unterstützen, und nur 42 Prozent eine gemeinsame Militäraktion mit den USA.
Mehrere Meinungsumfragen in den Vereinigten Staaten haben gezeigt, dass die Bevölkerung mit überwiegender Mehrheit gegen einen weiteren amerikanischen Krieg im Nahen Osten ist. In einer Meinungsumfrage der Zeitung Hill vom 1. März waren nur 21 Prozent sehr stark für einen amerikanischen Angriff auf den Iran, nur 20 Prozent tendenziell dafür, 52 Prozent sehr stark dagegen. Laut derselben Umfrage sind auch 57 Prozent gegen eine amerikanische Intervention in Syrien, dem Hauptverbündeten des Irans.
Noch aufschlussreicher ist die Umfrage des Pew Research Center vom Februar, laut der eine knappe Mehrheit der Meinung ist, dass die Vereinigten Staaten in einem Krieg zwischen Iran und Israel neutral bleiben sollten. Weniger als 40 Prozent waren der Meinung, die USA sollten Israel beistehen – eine beeindruckende Zahl angesichts der Tatsache, dass 100 Prozent der Medien und fast 100 Prozent der Politiker von Demokraten und Republikanern Israel in einem solchen Krieg unterstützen würden.
Obamas Rede vor dem AIPAC führte zu einer aufschlussreichen Reaktion der amerikanischen Medien: Das Wall Street Journal, das das Weiße Haus normalerweise scharf von rechts kritisiert, veröffentlichte einen Leitartikel mit dem Titel: „Obama schlägt Kriegskurs gegenüber Iran ein.“ Darin wurde er für seine Rede gelobt, „sein starker Standpunkt zum Iran hielt das Publikum in Atem.“ Ebenfalls bemerkt wurde der rätselhafte Kommentar eines israelischen Vertreters, das Treffen von Obama und Netanjahu sei „das letzte Mal, dass sie unter vier Augen sprechen können, bevor eine Entscheidung gefällt wird.“
Das liberale Magazin The Nation veröffentlichte einen Kommentar von Robert Dreyfuss, der erklärte: „Trotz Präsident Obamas vom Wahlkampf beeinflusster Rhetorik über das Bündnis zwischen den USA und Israel vor dem American Israel Public Affairs Committee ist es absolut ausgeschlossen, dass Obama einen Angriff Israels oder der USA auf den Iran gutheißen wird, egal ob 2012 oder später.“
Die politische Stimme der Superreichen ist zufrieden, dass Obama gegen den Iran Klartext spricht. Seine liberalen Anhänger täuschen ihre Zuhörer mit der Garantie, es werde keinen Krieg geben. Auf unterschiedliche Weise bereiten sich beide darauf vor, den amerikanischen Präsidenten bei einem der größten Verbrechen der Weltgeschichte zu unterstützen: bei einem unprovozierten Angriffskrieg gegen ein Land mit 80 Millionen Einwohnern. |