Perspektive

Kriegsgefahr im Persischen Golf wächst

Die Gefahr eines Krieges zwischen den USA und dem Iran nimmt zu. Am Dienstag wiesen die USA in einem hitzigen Wortgefecht eine Forderung des Irans zurück, den Flugzeugträger USS John C. Stennis nicht in den Persischen Golf zurückkehren zu lassen. Der Iran hatte sich über die Maßnahme empört, da er sich durch das Kriegsschiff bedroht fühlt.

Die USA und die EU heizen die Spannungen im Golf vorsätzlich an. Nach dem Beschluss  weiterer Wirtschaftssanktionen, die sich verheerend auf die schwächelnde iranische Wirtschaft auswirken werden, unterzeichnete US-Präsident Obama am Samstag den National Defense Authorisation Act (NDAA). Er ermöglicht unter anderem, ausländische Unternehmen für Geschäfte mit der iranischen Zentralbank zu  bestrafen. Dadurch könnten Irans Ölexporte blockiert werden. Im Verlauf dieses Monats wird die EU über ein Ölembargo ihrer Mitgliedsstaaten gegen den Iran entscheiden.

Die iranische Wirtschaft spürt bereits die Auswirkungen. Am Montag fiel der Rial gegenüber anderen Währungen um elf Prozent, die Zentralbank musste eingreifen. Seit September ist der Wert der iranischen Währung um etwa 35 Prozent gesunken, die Inflation ist hoch. Achtzig Prozent der Exporterträge in harter Währung des Iran stammen aus dem Export von Öl und Gas.

Teheran hat auf Washingtons Wirtschaftskrieg mit der Drohung reagiert, die Straße von Hormus zu blockieren. Die US-Marine warnte unverblümt, sie werde Einschränkungen des Zugangs zum Golf „nicht dulden“. Amerikanische und internationale Medien nahmen iranische Marinemanöver und Raketentests zum Anlass, den Iran zu verteufeln. Sie ergingen sich über iranische „Aggressionen“ und warnten, der Iran strebe den Besitz von Atomwaffen an.

Die US-Regierung verbreitet wieder einmal unbewiesene Behauptungen über Atomwaffen, um Panik in der Öffentlichkeit zu schüren und damit ein günstiges politisches Klima für ein hochgefährliches militärisches Abenteuer zu schaffen. US-Verteidigungsminister Leon Panetta erklärte vor kurzem, der Iran könne innerhalb eines Jahres über Atomwaffen verfügen, aber die USA würden „mit allen notwendigen Mitteln darauf reagieren.“ Mit ähnlich kriegerischer Rhetorik hatten Präsident George W. Bush und Vizepräsident Dick Cheney 2002 den Irakkrieg vorbereitet.

Wegen der im November anstehenden Präsidentschaftswahl steht Obama unter dem Druck potenzieller Rivalen aus der Republikanischen Partei und muss sich dem Iran gegenüber noch kämpferischer gebärden. Letzten Sonntag erklärte der ultrakonservative Präsidentschaftskandidat Rick Santorum, er würde die iranischen Atomanlagen durch Luftschläge zerstören lassen, wenn sich Teheran nicht bereit erklärt, sie zu demontieren. Darüber hinaus wird das Weiße Haus von Israel unter Druck gesetzt.

In den strategischen Erwägungen der Obama-Regierung zum Nahen Osten hat der Iran im vergangenen Jahr eine entscheidende Rolle gespielt. Nachdem die USA und ihre europäischen Verbündeten von den Aufständen in Tunesien und Ägypten überrascht wurden, haben sie die Proteste gegen die Regierung von Oberst Gaddafi in Libyen benutzt, um militärisch einzugreifen. Mit einem mörderischen Luftkrieg wurde Gaddafis Regime gestürzt und durch eine Marionettenregierung ersetzt. Jetzt gehen USA und EU auf ähnliche Weise gegen den wichtigsten Verbündeten des Iran in der Region vor: Syrien und das Regime von Präsident Bashar al-Assad.

Bei ihren Bemühungen, Assad zu isolieren und sein Regime zu unterwandern, erhielten die USA beträchtliche Unterstützung durch die Türkei, die den „Arabischen Frühling“ für ihre eigenen Ziele als Regionalmacht ausnutzt. In den vergangenen Monaten hat die türkische Regierung ihre Beziehungen zum Iran abgebrochen, um die Widerstandsgruppen gegen Assad zu finanzieren. Es besteht kaum ein Zweifel, dass Washington sie dazu angestiftet hat.

Da Washington nicht in der Lage war, ein Stationierungsabkommen mit der irakischen Regierung zu schließen, intrigiert es außerdem zusammen mit den sunnitisch dominierten Parteien gegen die Regierung von Premierminister Nouri al-Maliki. Er gilt als zu enger Freund Teherans. Die USA nutzen die erbitterten religiösen Kämpfe in Bagdad aus, um Maliki entweder auf Kurs zu bringen oder ihn durch ein Regime zu ersetzen, das besser ins amerikanische Kalkül passt.

In einem Aufsatz vom 20. Dezember äußerten der Analyst Anthony Cordesman vom Zentrum für Strategische und Internationale Studien und andere Experten die in Washington weitverbreitete Ansicht, dass „der Iran als der wahre Sieger aus dem Irakkrieg hervorgehen wird, wenn die USA nicht viel entschlossener handeln.“ Sie kamen zu folgendem Schluss: „Es hängt viel davon ab, was die USA außerhalb des Iraks tun, um den Iran abzuschrecken und einzudämmen.“

Die Obama-Regierung ist bereits dabei, ihre Militärpräsenz in Kuwait und in anderen Golfstaaten zu stärken, unter anderem auch in Bahrain, wo die 5. Flotte der US-Navy ihr Hauptquartier hat. Auf Washingtons Anregung hin wurde auf dem letzten Gipfeltreffen des Golf-Kooperationsrates in Riad die Schaffung einer offiziellen „Union“ beschlossen, zu der auch die Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen gegen äußere Bedrohungen gehört – womit faktisch der Iran gemeint ist.

Letzten Donnerstag gab das Weiße Haus bekannt, dass Waffen und Ausrüstung im Wert von dreißig Milliarden Dollar an Saudi-Arabien verkauft werden. Saudi-Arabien ist enger Verbündeter der USA und im Kampf um Einfluss am Golf schon lange ein Rivale des Irans. Am nächsten Tag gaben die USA bekannt, dass sie für 3,5 Milliarden Dollar hochentwickelte Raketenabwehrsysteme an die Vereinigten Arabischen Emirate verkaufen werden. Letzten November hatte die Obama-Regierung ein weiteres Waffengeschäft mit den Emiraten vorgeschlagen, bei dem auch „Bunkerbrecher“-Bomben geliefert werden sollten – offensichtlich für unterirdische Atomanlagen und Militäreinrichtungen im Iran.

Mit den Kriegsvorbereitungen gegen den Iran verfolgen die USA nicht das Ziel, dessen angebliches Atomprogramm zu stoppen. Sie wollen vielmehr Washingtons Hegemonie über die strategisch und wirtschaftlich wichtigen Regionen des Nahen Ostens und Zentralasiens zementieren. Die USA haben das Ziel noch nicht aufgegeben, das sie mit den Invasionen in Afghanistan und dem Irak verfolgten: Die Kontrolle über die Öl- und Gasvorräte ihrer europäischen und asiatischen Rivalen zu erlangen.

Eines der Hauptmotive der Obama-Regierung bei ihrer Teilnahme am Libyenkrieg war es, Chinas wachsenden Einfluss im Nahen Osten und in Afrika zu untergraben. Durch den Krieg gerieten chinesische Projekte im Wert von mehreren Milliarden Dollar in Gefahr. Ein Ölembargo oder ein militärischer Konflikt mit dem Iran hätte für China weitaus schlimmere wirtschaftliche Folgen: Elf Prozent der chinesischen Ölimporte kommen aus dem Iran, und China hat dort viel Geld in die Bau- und Energiebranche gesteckt.

Erst letzten November haben die USA und Australien ein neues Abkommen geschlossen, durch das US-Truppen im Norden Australiens stationiert werden und amerikanische Militär- und Geheimdienstoperationen ausgeweitet werden. Dieses Abkommen richtet sich eindeutig gegen China.

Die Obama-Regierung hat die politischen Spannungen im Persischen Golf bewusst angeheizt und damit die Gefahr eines Konfliktes erhöht, der sich über die ganze Region ausbreiten und den Rest der Welt in Mitleidenschaft ziehen könnte. Die einzige Kraft, die in der Lage ist, solch eine Katastrophe zu verhindern, ist die internationale Arbeiterklasse. Sie muss gegen den imperialistischen Krieg, seine Ursache, das Profitsystem, und die veraltete Aufteilung der Welt in rivalisierende Nationalstaaten mobilisiert werden, und zwar auf der Grundlage des Programms der sozialistischen Weltrevolution.

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