Perspektive

Obamas illegaler Krieg gegen Libyen

Die Obama-Administration hat Bedenken zurückgewiesen, sie verletze die Verfassung der Vereinigten Staaten und den Kriegsermächtigungsakt, indem sie ohne Zustimmung des Kongresses einen nicht erklärten Krieg gegen Libyen führe. Diese offene Übertretung aller Gesetze, die die Kriegsführung durch einen Präsidenten regeln, ist der Höhepunkt eines jahrzehntelangen Zerfalls der amerikanischen Demokratie.

Der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, sprach das Problem auf einer Pressekonferenz am Montag an. Das Repräsentantenhaus hatte zuvor eine Resolution verabschiedet, die die Administration dafür kritisiert, dass sie die Intervention gegen Muammar Gaddafis Regime nicht offiziell hat autorisieren lassen. Darüber hinaus wurden eine Reihe von Fragen über Ziel und Aussichten des Krieges der USA und der Nato gestellt.

Carney wurde direkt gefragt, ob die Administration sich bei ihren Rechtsberatern juristisch informiert habe, ob sie in Übereinstimmung mit dem Kriegsermächtigungsakt handle. Dieses Gesetz verlangt vom Präsidenten, sich für jede Militäraktion innerhalb von sechzig Tagen die Zustimmung des Kongresses zu holen. Diese Frist, ist am 20. Mai abgelaufen.

Carney antwortete: „Ich weiß nichts davon, dass wir etwas Derartiges beantragt haben. Wir sind der Meinung, dass wir in Übereinstimmung mit der Kriegsermächtigungsresolution handeln.“

Nachdem Carney seine Worte mehrmals gleichlautend wiederholte, bemerkte ein Reporter: „Sie scheinen diese Resolution nicht sehr ernst zu nehmen.“ Kein Medienvertreter erwähnte, dass das Verhalten des Weißen Hauses illegal oder nicht verfassungskonform sei und schon gar niemand sprach an, dass es sich um ein Vergehen handelt, das zur Absetzung des Präsidenten führen kann.

Senator Richard Luger, führender Republikaner im Senatsausschuss für auswärtige Beziehungen, sprach die grundlegenden Verfassungsfragen, die der nicht erklärte Libyen-Krieg aufgeworfen hat, in einer Kolumne der Washington Post vom Sonntag an. Er wies darauf hin, dass die Obama-Administration „seit mehr als zwei Monaten einem klaren verfassungsmäßigen und juristischen Gebot ausweicht. Es lautet, dass ein Präsident die Zustimmung des Kongresses einholen muss, um einen Krieg zu führen.“

Als Anhänger des Krieges gegen Libyen und Advokat des Sturzes des Gaddafi-Regimes macht sich Luger Sorgen, Obama könne die öffentliche Unterstützung für den Krieg verspielen. Er schreibt: „Weil der Präsident die Angelegenheit nicht vor den Kongress gebracht hat, versteht das amerikanische Volk nicht, welche amerikanischen Interessen in Libyen auf dem Spiel stehen, wie viel der Krieg kosten wird und welche anderen Prioritäten dafür hintan gestellt werden müssen.“

Die Redaktion des Wall Street Journal beantwortete Lugers Verfassungsskrupel am Montag in einem Leitartikel, der Obama dafür kritisierte, in seiner Missachtung des Kongresses nicht weit genug zu gehen. Obama „ist sowohl dazu verpflichtet, die Macht seines Amtes zu verteidigen, als auch die Kriege zu gewinnen, die er anfängt“, schreibt das Blatt und fährt fort: „Das Weiße Haus kann Kongressmitgliedern helfen, die die Notwendigkeit der Kriegsermächtigung des Präsidenten erkennen, in dem es ausdrücklich erklärt, Obama und seine Rechtsberater seien der Meinung, dass die Kriegsermächtigungsresolution nicht verfassungskonform sei und er sich nicht an sie halten werde.“

Wofür sich das Wall Street Journal einsetzt, ist – klar ausgedrückt – eine Diktatur des Präsidenten, in der der Amtsinhaber nicht nur das Recht hat, Kriege anzuordnen – ein Recht, das die Verfassung nur dem Kongress einräumt – sondern auch noch ermächtigt wird, darüber zu entscheiden, welche Gesetze verfassungskonform sind oder nicht – ein Recht, das eigentlich den Bundesgerichten zusteht.

Artikel 1, Absatz 8 der amerikanischen Verfassung verleiht dem Kongress und nicht dem Präsidenten die Macht, einen Krieg zu erklären. Dies hat einen fundamentalen demokratischen Inhalt: Der Präsident vertrat in der Verfassungsstruktur der USA den britischen Monarchen. Es hatte eines jahrhundertelangen Kampfes bedurft, der in der Englischen Revolution und der Hinrichtung von König Charles I gipfelte, um dem königlichen Privileg, ohne die Zustimmung des Parlaments Krieg zu führen, ein Ende zu bereiten.

Mehr als eineinhalb Jahrhunderte lang hat sich die US-Regierung an diesen Verfassungsgrundsatz gehalten. Aber der Aufstieg der USA zur alles beherrschenden Weltmacht machte es für die Interessen der herrschenden Klasse zunehmend wichtiger, den Präsidenten in die Lage zu versetzen, ungeachtet aller politischen Einschränkungen und Stimmungen im Volk Militärkräfte in aller Welt zu stationieren.

Der zweite Weltkrieg war der letzte amerikanische Krieg, der vom Kongress erklärt wurde. Alle nachfolgenden Kriege wurden nicht erklärt, aber für gewöhnlich durch Resolutionen des Kongresses sanktioniert, die nach der Entscheidung des Präsidenten für ein militärisches Eingreifen verabschiedet wurden.

Nach dem Vietnam-Debakel, einem nicht erklärten Krieg, der von drei Administrationen, Demokratischen wie Republikanischen, geführt wurde, verabschiedete der Kongress 1973 den Kriegsermächtigungsakt, der vom Präsidenten angeordneten, nicht erklärten Kriegen klar definierte Grenzen setzt. Gelingt es dem Präsidenten nicht, innerhalb der 60-Tages-Frist, die das Gesetz vorsieht, die Zustimmung des Kongresses zu gewinnen, hat er einen 30tägigen Spielraum, um den sicheren Abzug der US-Streitkräfte zu gewährleisten. Danach müssen alle Kampfhandlungen ruhen.

Im Verlauf der vergangenen 38 Jahre haben sich sowohl republikanische, als auch demokratische Präsidenten widerwillig an den Kriegsermächtigungsakt gehalten. Sie haben den Kongress formell über die Militäraktionen informiert, wie es das Gesetz vorsieht, und sich darum bemüht, sein Einverständnis einzuholen, während sie gleichzeitig auf ihrem Recht bestanden, militärische Aktionen in Eigenregie anzuordnen.

Sogar George W. Bush verlangte und erhielt Unterstützungsresolutionen des Kongresses, bevor er seine Aggressionskriege gegen Afghanistan und den Irak begann. Obama ist der erste Präsident der USA, der nicht einmal versucht, eine solche Unterstützungserklärung seitens der Legislative zu erhalten.

Diese Vorgehensweise zeigt, dass die Obama-Administration die militaristischen und anti-demokratischen Strömungen fortsetzt und intensiviert, die im Bush-Cheney-Regime einen so widerwärtigen Ausdruck fanden. In allen wichtigen Bereichen, die die Interessen der US-Finanzaristokratie betreffen – der Wall-Street-Rettung, den Kriegen im Irak, in Afghanistan und jetzt in Libyen, dem Ausbau der Unterdrückungsmaschinerie der Bundesregierung, dem Angriff auf Sozialprogramme – marschiert Obama stramm nach rechts.

Der Kampf gegen imperialistische Kriege, die Verteidigung demokratischer Rechte und die Verteidigung der sozialen Interessen der arbeitenden Bevölkerung erfordern einen Kampf der Arbeiterklasse gegen die Obama-Administration, einen Bruch mit der Demokratischen Partei und den Kampf für den Aufbau einer unabhängigen Massenbewegung der arbeitenden Bevölkerung, die sich auf eine sozialistische und internationalistische Perspektive stützt.

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