Die amerikanische Regierung will massiv Druck auf China ausüben, wie Außenministerin Hillary Clinton während ihrer zweiwöchigen Asienreise sagte. Dadurch könnten der Pazifik und der Indische Ozean leicht zu potentiellen Kriegsschauplätzen werden.
Um China strategisch einzukreisen, versuchen Clinton und Präsident Barack Obama auf ihrer Asientour entweder bestehende Allianzen unter amerikanischer Führung neu zu beleben, oder neue Bündnisse einzugehen. Obama besuchte Indien, Indonesien, Südkorea und Japan, und Clinton reiste von Vietnam über Kambodscha, Malaysia, Papua Neu Guinea und Neuseeland nach Australien.
Obama bemühte sich heftig um Indien, den atomaren Rivalen Chinas in der Region. Er drängte Neu-Delhi, die Position einer „Weltmacht“ einzunehmen, und unterstützte Indiens Wunsch, ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates zu werden. Clinton wies zweimal darauf hin, dass Washington die Möglichkeit habe, auf den amerikanisch-japanischen Sicherheitsvertrag zurückzugreifen, wenn es Japan im Konflikt mit China zu Hilfe kommen wolle. Im Zentrum dieses Konflikts stehen die Diaoyu bzw. Senkaku-Inseln im Ostchinesischen Meer.
Vietnam verkündete, es sei bereit, seinen strategisch wichtigen Hafen Cam Ranh Bay im Südchinesischen Meer „an Marineschiffe aus allen Ländern“ zu verpachten, – wobei Washington der wahrscheinlichste aller denkbaren Pächter wäre. Und Canberra erklärte seine Bereitschaft, den USA vermehrt Zugang zu seinen militärischen Einrichtungen, insbesondere im nördlichen Australien, zu gewähren.
Amerika will mit seiner Offensive eine Vorherrschaft Chinas im Südchinesischen Meer, im Indischen Ozean und über wichtige Wasserstraßen verhindern; dazu gehören die Straße von Malaga und die indonesischen Sunda-Lombok-Wasserstraßen.
Da China für ein Drittel seines Ölverbrauchs und siebzig Prozent seines Außenhandels auf den Schiffstransport angewiesen ist, sind diese Seewege heute wahre „Lebensadern“ des Landes. Etwa sechzig Prozent der Schiffe, die täglich die Straße von Malaga passieren, sind chinesischer Herkunft.
Seit dem zweiten Weltkrieg ist es Kernstück amerikanischer Marinestrategie, solche „Nadelöhre“ zu kontrollieren und damit lebenswichtige Tankerrouten rivalisierender Mächte jederzeit unterbrechen zu können. Mit dem beschleunigten Niedergang der amerikanischen Wirtschaftskraft und dem raschen Aufstieg Chinas fühlt sich Washington heute zu einem solchen Vorgehen immer stärker herausgefordert.
Besonders die Folgen der globalen Finanzkrise von 2008 haben die Lage verschärft. Seitdem China seit dem letzten Januar der Freihandelszone der Südostasiatischen Nationen (ASEAN) angehört, hat der Handel zwischen den ASEAN-Staaten und China um nahezu fünfzig Prozent zugenommen, wogegen der wachsende Protektionismus in den USA jedes Freihandelsabkommen mit den asiatischen Staaten abwürgt.
Weit davon entfernt, ihre schwindende Bedeutung zu akzeptieren, sind die USA entschlossen, ihre Vorherrschaft über Asien durch den Einsatz militärischer Macht zu verteidigen. Am 8. November erinnerte Clinton in einem Interview mit der Zeitung Australian an die Aussage chinesischer Politiker Anfang des Jahres, das Südchinesische Meer stelle ein wesentliches Interessengebiet Chinas dar. Sie habe damals „sofort reagiert und erwidert: Damit sind wir nicht einverstanden“.
Beim ASEAN-Treffen im Juli hatte Clinton dann aggressiv angekündigt, Washington werde im Südchinesischen Meer eingreifen, falls es zu Auseinandersetzungen zwischen China und ASEAN-Mitgliedern käme. Dies war zum Beispiel der Fall beim Konflikt zwischen Vietnam und den Philippinen über die Spratly- und die Paracel-Inseln. China reagierte verstimmt und konterte mit der Warnung, dass „Außenseiter“ – gemeint waren die USA – sich aus den Angelegenheiten im Südchinesischen Meer heraushalten sollten.
Die Erklärung Clintons, die USA hätten ein “nationales Interesse” an der „Freiheit der Seefahrt” im Südchinesischen Meer spitzte danach die Provokation nochmals zu. Mehr als 40.000 Schiffe passieren das Meer jedes Jahr vollkommen ungehindert. Mit der von den USA geforderten „Freiheit der Seefahrt“ ist die Freiheit zur Überwachung der zivilen und militärischen Schiffe gemeint, welche die chinesischen Küstengewässer durchkreuzen. Damit will der amerikanische Geheimdienst chinesische Militäroperationen erfassen, wozu er sogar U-Boote einsetzt. Würde China in ähnlicher Weise Spionageschiffe in internationale Gewässer entsenden, etwa in die Küstengewässer von Hawaii oder San Diego, um von dort aus amerikanische Marinebasen zu überwachen, wären amerikanische Medien und die politische Führungsriege mit vollem Recht empört über dieses zu Recht als Provokation empfundenen Vorgehen.
Durch den Aufbau und die Stärkung militärischer Verbindungen mit Vietnam, Indien, Australien und Indonesien wollen die USA der chinesischen “Perlenketten”-Strategie entgegenhalten. Ziel der chinesischen Strategie ist die Errichtung von Hafenanlagen in Burma, Bangladesh, Pakistan und Sri Lanka, um Kriegsschiffe in den Indischen Ozean zum Schutz der Schifffahrtsrouten entsenden zu können, auf denen Öl und Rohmaterialien aus dem Nahen Osten und aus Afrika nach China transportiert werden.
Daher die Bedeutung Indonesiens, der zweiten Station auf Obamas Reise. Der amerikanische Think Tank Stratfor erklärte: „[Indonesien] erstreckt sich entlang der Straße von Malakka, einer Meerenge für die globale Schifffahrt, ebenso an den Straßen von Sunda und Lombok. Es ist wichtig für die Schifffahrtsrouten zwischen Indischem Ozean, Südchinesischem Meer und Pazifik, sowie für Australien und China. Über diese Seefahrtswege wird China mit wichtigen Rohmaterialien versorgt, und die Macht, die dieses Gebiet kontrolliert, hat einen weitgehenden Einfluss auf Beijing.“
Diese Überlegungen gelten auch für Osttimor, Papua Neu Guinea und die Salomonen, die sich an Knotenpunkten wichtiger Schifffahrtswege befinden. Dass China während des vergangenen Jahrzehnts mit den pazifischen Inselstaaten wirtschaftliche und sogar militärische Verbindungen aufgebaut hat, löst in Washington Befürchtungen aus. Die Regierung Obama ist entschlossen, die „Führungsrolle“ der USA in der Region wieder herzustellen.
Deshalb besuchte Clinton Papua Neu Guinea und machte bei ihren Treffen mit führenden Vertretern Australiens und Neuseelands die asiatisch-pazifische Region zum Thema.
Welche zentrale Bedeutung das Südchinesische Meer bei den Überlegungen Washingtons einnimmt, kam vor kurzem in einem Artikel der Washington Post zum Ausdruck. Darin schrieb Robert Kaplan: „Wenn es zwischen Amerika und China hart auf hart kommt, wird es um das Südchinesische Meer gehen. Ein Drittel des gesamten weltweiten Seehandels und die Hälfte aller Energielieferungen für Japan, die Halbinsel Korea und Nordostchina wird dort durchgeführt. Dieses Meer ermöglicht Beijing über die Straße von Malakka den Zugang zum Indischen Ozean, und somit zum ganzen islamischen Bogen von Ostafrika bis nach Südostasien.“
Kaplan gehört zu den Kräften in der amerikanischen Führung, welche die Besetzung Afghanistans und des Iraks kritisierten, weil sie von der Hauptstoßrichtung der ehemaligen Bush-Regierung ablenkten und es China erlaubten, seinen geopolitischen Einfluss über ganz Asien auszudehnen. So spricht Kaplan für die Tendenz der Obama-Regierung, sich wieder stärker nach Asien zu orientieren.
Die anti-chinesische Allianz der USA kommt dem Bestreben Chinas in die Quere, eine Flotte zum Schutz seiner Schifffahrtswege und Erdölversorgung aufzubauen. In dem chinesischen Bestseller vom letzten Jahr, Seemacht China von Zhang Wenmu, wurde Chinas Standpunkt im Kampf der Großmächte um globale Hegemonie dargelegt. Zhang schrieb: „Alle Mitspieler sind auf eins aus, die Kontrolle über den Indischen Ozean.“
Beijing wird nicht zulassen, dass Washington seine in Asien gewonnenen Vorteile wieder untergräbt. Nur Tage, nachdem Clinton gesagt hatte, Kambodscha solle nicht in „zu große Abhängigkeit“ von einem einzigen Land – sprich: von China – geraten, gewährte die chinesische Regierung Kambodscha 1,6 Milliarden Dollar für Infrastrukturprojekte und versprach einen Kredit von 590 Millionen Dollar für den Aufbau von Mobiltelefon-Diensten. Weniger als einen Tag nach Obamas Ankunft in Jakarta traf dort eine chinesische Delegation mit 6,6 Milliarden Dollar für Infrastrukturprojekte in der Tasche ein. Die New York Times fasste es in folgende Worte: „[Beijing] forderte Obama so auf nicht allzu subtile Weise heraus: Zeig, was du deinen indonesischen Gastgebern an Geld zu bieten hast.“
Angeheizt durch die globale Wirtschaftskrise, eskaliert die Rivalität zwischen den USA und China. Dies ist nur ein weiteres Zeichen dafür, dass das System des Weltkapitalismus auf eine gewaltige Katastrophe zutreibt. Das System konkurrierender Nationalstaaten ist vollkommen überholt. Wenn die internationale Arbeiterklasse nicht eingreift und das Profitsystem überwindet, führen die Spannungen zwischen den Großmächten zwangsläufig zum nächsten Weltkrieg.