Die US-Autoarbeitergewerkschaft UAW hatte mit Ford einen Vertrag ausgehandelt, der die Löhne einfrieren sollte und die Möglichkeit beinhaltet, höher bezahlte Arbeiter loszuwerden und durch Arbeitskräfte mit Niedriglöhnen zu ersetzen. Ältere Arbeiter, die ihre Arbeitsplätze behalten, sollten durch Zuweisung anderer Arbeit, die Verschlechterung von Arbeitsbedingungen und Erhöhung des Tempos stärkerer Ausbeutung ausgesetzt werden. Gleichzeitig sollte durch ein verpflichtendes Schlichtungsverfahren ab 2011 bei künftigen Tarifverhandlungen das weitere Absenken der Löhne und die Aushöhlung der Sozialleistungen erleichtert werden. Zum Ausgleich war ein 100- Dollar-Bonus für die Arbeiter vorgesehen, um ihnen die Verschlechterungen zu versüßen.
Die Fordarbeiter in den USA haben mit großer Mehrheit gegen die Annahme des Tarifvertrags gestimmt, den die UAW mit dem Unternehmen ausgehandelt hat. Diese Abstimmung ist nicht nur für die Fordarbeiter und alle Arbeiter in der Autoindustrie ein großer Schritt vorwärts, sondern auch für die amerikanische und die internationale Arbeiterklasse.
Die große Anzahl von "Nein"-Stimmen der Arbeiter - insgesamt 75 Prozent, und in einigen Ortsgruppen mehr als 90 Prozent - zeigt ihre Entschlossenheit und ihren Mut angesichts der Drohungen und Einschüchterungsversuche durch das Unternehmen, die Gewerkschaft und die Medien. Die Abstimmung ist ein deutliches Zeichen dafür, dass die Arbeiterklasse bereit ist, für die Verteidigung ihrer Arbeitsplätze und ihres Lebensstandards zu kämpfen. Sie zeigt, dass das Haupthindernis für einen solchen Kampf die so genannten Gewerkschaften - in diesem Fall die UAW - sind, die sich als Geschäftspartner und Betriebspolizei der Firmen betätigen.
Diese Abstimmung ist historisches Ereignis. Denn es ist die erste Ablehnung eines nationalen Tarifvertrags seit 1982 und bei den Fordwerken seit 1976. In den dazwischen liegenden drei Jahrzehnten hat die UAW alle Anstrengungen unternommen, um die Widerstandskraft der Autoarbeiter zu untergraben. Sie hat immer wieder geholfen, Verschlechterungen bei Löhnen und Sozialleistungen durchzusetzen, und bei der Zerstörung von Hunderttausenden von Arbeitsplätzen mitgewirkt. Ungefähr 750.000 Arbeitsplätze wurden in der Autoindustrie vernichtet, allein bei Ford waren es 130.000.
Obwohl diese Abstimmung ein wichtiger erster Schritt ist, sollten die Arbeiter nicht die Illusion haben, dass durch die Ablehnung des Vertrags die von Ford verlangten Zugeständnisse bereits vom Tisch sind. Ford und die UAW sind zwar bestürzt über die "Nein"-Stimmen und das Ausmaß der Ablehnung des Vertrags durch die einfachen Gewerkschaftsmitglieder. Sie haben zugesagt, die Abstimmung nicht wiederholen zu wollen, zweifellos weil sie erkennen, dass sie das Votum im Augenblick nicht kippen können. UAW-Präsident Ron Gettelfinger erklärte jedoch: "Wir werden nicht aufgeben."
Es kann keinen Zweifel geben, dass die UAW intensiv mit Ford darüber diskutiert, wie die Forderungen des Unternehmens dennoch durchgesetzt werden können. Noch als die Abstimmung lief, ließen örtliche Gewerkschaftsfunktionäre eine Petition zirkulieren, durch die die Wahl bei Sterling Axle in Michigan wiederholt werden sollte. Sie behaupteten, dass das Unternehmen damit drohe, die Produktion zu verlagern. Dies wurde von UAW-Funktionären anderenorts genutzt, um die Arbeiter zu erpressen, damit sie mit "Ja" stimmen.
Derartige Drohungen werden verschärft werden. Es wird Druck geben, um Zugeständnisse bei den Arbeitsbedingungen und andere Produktivitätssteigerungen zu erzwingen. Durch die Drohung, Arbeit auszulagern, Arbeitsplätze abzubauen, Schichten zu streichen und ganze Fabriken zu schließen, wird versucht werden, die Arbeiter der einzelnen Betriebe und Standorte, die Arbeiter in Kanada gegen die in den USA und anderswo auszuspielen und die Belegschaften zu spalten und zu demoralisieren.
Um sich gegen diese Bestrebungen zu wehren, ist es entscheidend, dass die Ablehnung des Vertrags zum Ausgangspunkt für eine breite Offensive der Arbeiter sowohl gegen das Unternehmen als auch gegen die UAW gemacht wird.
Dabei geht es nicht darum, Druck auf die UAW auszuüben oder eine "neue Führung" zu wählen, wie es diverse Fraktionen innerhalb des Gewerkschaftsapparats vorschlagen. Die UAW ist nur noch dem Namen nach eine Gewerkschaft. Sie ist vielmehr ein Anteilseigner der drei großen US-Autokonzerne. Ihre Finanzen und die Gehälter ihrer Funktionäre hängen von der Fähigkeit der Unternehmen ab, mehr Profit durch den Abbau von Arbeitsplätzen, Lohnsenkungen und verstärkte Ausbeutung der Arbeiter zu machen.
Deshalb müssen die Arbeiter unabhängig von der Gewerkschaft handeln. Die Fordarbeiter sollten Betriebskomitees aufbauen. Sie sollten eine Kampagne beginnen, um in der gesamten Autoindustrie Streiks und Fabrikbesetzungen zu organisieren, um die Kürzungen bei Löhnen und Sozialleistungen rückgängig zu machen, die ihnen bereits abgerungen wurden, sowie um Entlassungen und Betriebsstilllegungen Einhalt zu bebieten.
Mit ihrer Ablehnung der Zugeständnisse haben die Fordarbeiter der UAW ihr Misstrauen ausgesprochen. Nach jahrzehntelangen Zugeständnissen betrachten die Arbeiter diese Organisation zu Recht mit Abscheu und Verachtung. Mit der bankrotten Politik der Gewerkschaft sind aber sehr grundlegende Probleme verbunden. Dazu gehören ihre Unterstützung für die Demokratische Partei, ihre nationalistische Perspektive und ihre Verteidigung des Kapitalismus.
Die jüngsten Angriffe auf die Autoarbeiter wurden von der Obama-Regierung in die Wege geleitet. Obwohl er "Wandel" versprochen hatte, war eine der ersten Maßnahmen Obamas, von GM- und Chryslerarbeiter neue Kürzungen bei Löhnen und Sozialleistungen zu fordern. Gleichzeitig erzwang er ein Insolvenzverfahren, dessen Ergebnis die Vernichtung von Zehntausenden von Arbeitsplätzen war.
Der Tarifvertrag, den die Fordarbeiter abgelehnt haben, war nach dem Vorbild der Zugeständnisse ausgearbeitet worden, die den Arbeitern bei GM und Chrysler durch Obamas Auto-Kommission aufgezwungen worden waren. Das sollte einen weitreichenden Angriff auf die Löhne und den Lebensstandard der gesamten Arbeiterklasse einleiten. Seit Obama GM und Chrysler in den Konkurs gezwungen hat, sind Lohnsenkungen in allen Bereichen der US-Wirtschaft durchgesetzt worden.
Wie sein Amtsvorgänger Bush ist auch Obama ein Repräsentant der mächtigsten Teile der Finanzelite, die entschlossen ist, die Arbeiterklasse für die viele Billionen Dollar kostenden Rettungspakete für die Banken zahlen zu lassen und die Lasten der Krise des amerikanischen Kapitalismus der arbeitenden Bevölkerung aufzubürden.
Die Obama-Regierung liefert den Beweis dafür, dass es zu nichts führt, wenn die Arbeiter versuchen, ihre Interessen innerhalb des existierenden politischen Systems zu verteidigen, das von zwei Parteien des Großkapitals beherrscht wird. Ihre unabhängig geführten Arbeitskämpfe müssen mit einer politischen Perspektive verbunden werden - dem Aufbau einer Massenpartei der Arbeiterklasse und dem Kampf für eine Arbeiterregierung.
Nationalismus ist schon seit langem ein Kennzeichen der UAW und des gesamten Dachverbands AFL-CIO. Um das Klassenbewusstsein zu untergraben und die Arbeiter an die Interessen der drei großen Autokonzerne zu binden, verbreitet die UAW die Lüge, dass die amerikanischen Arbeiter ihre Interessen verteidigen können, indem sie die Wettbewerbsfähigkeit ihrer "eigenen" Firmen steigern und sich den Kämpfen der Arbeiter in Mexiko, Kanada, Europa und Asien entgegenstellen.
Die Autoindustrie ist wie das gesamte kapitalistische System global organisiert. Indem sie die Arbeiter verschiedener Länder gegeneinander ausspielen, sind die Unternehmen in der Lage, die Angriffe auf sie Land für Land durchzusetzen. Ein Kampf gegen diese Angriffe erfordert die internatonale Solidarität der Arbeiter auf der Grundlage der Erkenntnis, dass die Spaltung der Gesellschaft in Klassen, nicht in Nationen ausschlaggebend ist.
Die Autoarbeiter sind vor allem mit dem Kapitalismus konfrontiert, einem System, das auf dem Privateigentum an den Banken und Unternehmen beruht. Entscheidungen, die das Leben von Millionen betreffen, wie die Frage, welche Güter produziert werden und wie die Mittel der Gesellschaft eingesetzt werden, werden danach getroffen, wie der Reichtum der winzigen Schicht der Bevölkerung am besten gesichert werden kann, die die entscheidenden Schalthebel des Wirtschaftslebens kontrolliert.
Seit Jahrzehnten hat das politische Establishment eng mit der AFL-CIO zusammengearbeitet um den Arbeitern einzureden, dass der Kapitalismus ihnen einen angemessenen Lebensstandard garantieren könne. Die Hetzjagd auf Sozialisten und die ständige antisozialistische Propaganda haben die Arbeiterklasse der Perspektive beraubt, mit der sie sich gegen den Angriff der Unternehmen wehren kann.
Sozialismus bedeutet die Organisation des Wirtschaftslebens nach den sozialen Bedürfnissen der Menschen und nicht nach dem Profit. Er bedeutet die Umwandlung der gewaltigen Wirtschaftskräfte einschließlich der weltweiten Automonopole in öffentliche und demokratisch kontrollierte Einrichtungen. Er bedeutet die Enteignung der reichen Finanz- und Unternehmerelite, die sich auf Kosten des sozialen Elends von Millionen bereichert, und den Einsatz der gesellschaftlichen Ressourcen zur Lösung der drängenden Probleme, vor denen die Weltbevölkerung steht.
Die Abstimmung bei Ford ist ein weiteres Anzeichen dafür, dass die Erfahrungen des vergangenen Jahres nicht vergeblich waren. Die Wirtschaftskrise hat dazu beigetragen, Illusionen in das kapitalistische System und in die Institutionen - einschließlich der Gewerkschaften - zu zerstören, die dieses System verteidigen.
Das Anwachsen massenhafter Opposition in der Arbeiterklasse ist unvermeidlich. Im Augenblick ist diese Opposition noch im Anfangsstadium und die Mehrheit der Arbeiter versteht ihre weitreichenden Implikationen und ihre Bedeutung noch nicht. Da eine neue Periode sozialer Kämpfe beginnt, ist die entscheidende Frage der Aufbau einer neuen sozialistischen Führung in der Arbeiterklasse, die versteht, dass die Krise im Interesse der Arbeiterklasse nur durch die revolutionäre Umwandlung der Weltgesellschaft gelöst werden kann.
Wir fordern alle Arbeiter, die mit dieser Perspektive übereinstimmen, auf, noch heute mit der SEP Kontakt aufzunehmen und sich am Kampf für den Sozialismus zu beteiligen.