Bei den nordrheinwestfälischen Kommunalwahlen vom vergangenen Sonntag haben CDU und SPD deutliche Verluste erlitten. Die Wahlbeteiligung war die niedrigste seit Gründung des Landes.
Nur 52,3 Prozent der 14,4 Millionen Wahlberechtigten gingen an die Urnen. Vor fünf Jahren hatten sich noch 54,4 Prozent beteiligt. Schon das war ein historisches Tief. Bei der diesjährigen Kommunalwahl durften erstmals 937.000 Jugendliche ab einem Alter von 16 Jahren wählen. Von ihnen gingen nur Wenige zur Wahl.
Die CDU, die mit 36,8 Prozent vorn liegt, verlor 4,8 Prozent gegenüber der Wahl von 2004. Bei der Kommunalwahl 1999 hatte sie noch 50,3 Prozent erzielt. Die SPD verlor 2,3 Prozent und liegt bei 29,4 Prozent. Das ist das schlechteste Ergebnis der SPD nach dem Zweiten Weltkrieg.
In der letzten Kommunalwahl hatte die CDU von der unsozialen Politik der damaligen rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder (SPD) profitiert. Nun haben in einigen Großstädten die Sozialdemokraten - trotz Verlusten in absoluten Zahlen - von der Ernüchterung der Bevölkerung über die CDU-Politik profitiert und die Mehrheit in den Stadträten und das Amt des Oberbürgermeisters zurückerobert oder verteidigt. Die SPD stellt die Oberbürgermeister in 13 der kreisfreien Städte, in denen Wahlen anstanden, die CDU in neun. Von den 36 Landräten gingen bis auf vier alle an die CDU.
CDU und SPD haben sich trotz ihrer Verluste beide zu Wahlsiegern erklärt. Während die CDU darauf verweist, dass sie immer noch stärkste Partei ist, brüstet sich die SPD damit, dass sie mehr Oberbürgermeister stellt.
Am stärksten bejubelte die SPD das Ergebnis der Oberbürgermeisterwahlen in den Großstädten Köln, Essen und Dortmund. In Dortmund gelang es ihr trotz etlicher Skandale um den bisherigen SPD-Oberbürgermeister Gerhard Langemeyer, ihren Kandidaten Ulrich Sierau durchzubringen. In Essen gewann sie das Amt, das sie 1999 an die CDU verloren hatte, zurück. In Köln, wo der CDU-Oberbürgermeister Schramma infolge des Einsturzes des Stadtarchivs diskreditiert war, siegte der Sozialdemokrat Jürgen Roters mit Unterstützung der Grünen mit 54,7 Prozent. Auch im Kölner Stadtrat errangen Sozialdemokraten (28,0 Prozent) und Grüne (21,7 Prozent) die Mehrheit.
Im Ruhrgebiet konnte die SPD bei der Wahl der Oberbürgermeister und in einigen Stadträten ihre Mehrheiten halten oder zurückgewinnen. Sie erzielte Ergebnisse zwischen 34 und 45 Prozent. In Gelsenkirchen erhielt sie 50,5 Prozent. Auch in Oberhausen konnte sie ihren bisherigen OB verteidigen, obwohl sowohl er als auch seine Fraktion sechs Prozentpunkte einbüßten.
In Duisburg stellt die CDU wieder den Oberbürgermeister, die SPD hat jedoch die Mehrheit im Stadtrat. Der alte und neue Oberbürgermeister Adolf Sauerland, ein ehemaliger Berufsschullehrer, pflegt das Image eines bodenständigen Kumpels und hebt sich so von den aalglatten SPD-Karrieristen ab. Die CDU klebte in Duisburg Plakate mit seinem Konterfei und dem Text: "Einer von uns".
Die Grünen steigerten ihr Ergebnis landesweit von 10,3 auf 12 Prozent, die FDP von 6,8 auf 9,3 Prozent.
Die Linke profitierte kaum von den Verlusten der beiden großen Parteien. Landesweit erhielt sie 4,4 Prozent der abgegebenen Stimmen, und selbst in den seit Jahren von der Stilllegung der Schwerindustrie gebeutelten und weitgehend verarmten Städten des Ruhrgebiets erzielte sie meist um die 5 Prozent. Das höchste Ergebnis verbuchte sie in Oberhausen mit 8,5 Prozent, das zweitbeste in Duisburg mit 7,7 Prozent. Im ländlichen Raum blieb sie meist weit unter vier Prozent. Die Linke hatte sich mehr erhofft. Sie wollte eigentlich zumindest die 5-Prozent-Marke überschreiten. So hatte die Partei in Köln mit 7 Prozent gerechnet, erreichte aber gerade einmal 4,8. Sie blieb damit in der Dom-Stadt unter dem Ergebnis der rechten "Bürgerbewegung Pro Köln", die 5,4 Prozent bekam.
Profitieren konnten vor allem zahlreiche örtliche Klein-Parteien oder Wählerinitiativen. So sitzen etwa im Duisburger Stadtrat künftig zehn 10 Parteien und Wählervereinigungen. Zahlreiche Parteien, deren einziger Vorteil darin besteht, dass sie noch nicht zum offiziellen Politikbetrieb gehören, errangen Mandate.
Während sich die Jugend durch die etablierten Parteien kaum vertreten fühlt und den Urnen in großer Zahl fernblieb, erreichten Parteien, die sich hauptsächlich auf die jüngere Generation ausrichten, an einigen Orten Überraschungserfolge. So errang die Piratenpartei, die vor allem von Internet-Fans unterstützt wird, jeweils einen Sitz im Rat der Stadt Münster und in Aachen. In einem Aachener Stimmbezirk erhielt sie 9,7 Prozent.
In der Gemeinde Monheim (45.000 Einwohner) südlich von Düsseldorf stellt die Schülerpartei PETO mit dem 27jährigen Daniel Zimmermann sogar den Oberbürgermeister. Er setzte sich mit 30,35 Prozent gegen sechs Mitbewerber durch. PETO verfehlte mit fast 30 Prozent der Stimmen die Wahl zur stärksten Kraft im Gemeinderat um nur einen Prozentpunkt. Die Partei PETO (lateinisch: Ich fordere) wurde vor zehn Jahren von einigen Schülern gegründet. Sie machte sich vor allem für Jugendinteressen - Kultur- und Bildungsangebote, Kindergärten, Kinoprojekte, Proberäume für Bands, usw. - stark.
Der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte von der Universität Duisburg-Essen wertet das Ergebnis der Kommunalwahlen so: "Die Erosionsprozesse der Volksparteien nehmen offenbar zu, sie werden mehr und mehr zu mittelgroßen Parteien."
Die Parteien reagieren darauf, indem sie auf kommunaler Ebene noch enger zusammenrücken. Jeder kann letztlich mit jedem koalieren. SPD, CDU, FDP, Grüne und Linke verhandeln über die unterschiedlichsten Bündnisse. So streben die Grünen in der Ruhrgebietsstadt Essen eine Koalition mit der SPD an, nachdem sie zuvor fünf Jahre mit der CDU regiert hatten. In einigen Städten und Gemeinden wird es wechselnde Mehrheiten bei den Abstimmungen geben.
Sowohl SPD als auch die CDU sind auf die Zusammenarbeit mit kleineren Parteien angewiesen, und auch diese - einschließlich der Linken - sind in der Regel für alle offen. So hatte Wolfgang Zimmermann, Landessprecher der Linken, vor nach der Wahl angekündigt, auch mit der CDU zusammenarbeiten zu können.
Bei den unterschiedlichen Koalitionsverhandlungen werden für die Bevölkerung außer hohlen Versprechungen nur Kürzungen, die Verteuerung städtischer Leistungen, die Schließung städtischer Einrichtungen und der Verfall der öffentlichen Infrastruktur herauskommen. Die desolate Finanzlage der Kommunen wird alle Parteien, mit wem auch immer sie zusammenarbeiten, dazu bringen, eine Politik gegen die Bürger durchzusetzen. Denn keine von ihnen vertritt ein Programm, das sich nicht an den kapitalistischen Profit- und Marktinteressen orientiert, die von ihnen immer als "Sachzwänge" umschrieben werden.
Die Kommunen und Kreise werden wie bisher um die Ansiedlung von Unternehmen konkurrieren und diese mit Steuergeldern oder dem Verzicht auf kommunale Steuern ködern. Die Bedürfnisse der arbeitenden Bevölkerung, der Armen und Alten, der Kranken, der Behinderten, der Kinder und Jugendlichen werden wie bisher auf der Strecke bleiben.
Bezeichnend dafür ist die Situation in Dortmund. Am Tag nach der Wahl kündigte der Noch-Oberbürgermeister Langemeyer (SPD) und Kämmerin Christiane Uthemann (SPD) eine Haushaltssperre an. Uthemann forderte massive Einschnitte bei allen freiwilligen Leistungen, insbesondere in den Bereichen Jugend, Kultur und Sport. Alle Fachbereiche seien aufgerufen, bis zum Jahresende diejenigen Ausgaben, die nicht unabweisbar seien, auf den Prüfstand zu stellen.