Eine Bestimmung über die Begrenzung von Vorstandsgehältern, die vor der Verabschiedung durch den Kongress in das 787 Milliarden Dollar schwere Konjunkturprogramm eingefügt wurde, hat den wütenden Protest führender Wall-Street-Kreise provoziert und zu hektischer Betriebsamkeit der Obama-Regierung geführt, um dieser Bestimmung den Stachel zu nehmen.
Die Bestimmung geht auf den Demokratischen Senator Christopher Dodd zurück, den Vorsitzenden des Bankenausschusses im Senat. Er hatte sich gegen Einwände Obamas und seiner Wirtschaftsberater durchgesetzt. Dodd argumentierte, die Bestimmung sei notwendig, um den Zorn der Öffentlichkeit über die Bankdirektoren zu besänftigen. Diese hatten sich selbst auch dann noch Dutzende Millionen an Boni genehmigt, als ihre Banken schon Milliarden Dollar an Steuergeldern erhalten hatten. Er sagte, eine solche Bestimmung sei notwendig, um dem Kongress zu ermöglichen, weitere Hunderte Milliarden Dollar für die Rettung der Banken zur Verfügung zu stellen.
Dodds Regelung geht etwas weiter als die symbolische Gehaltseinschränkung, die am 4. Februar von Obamas Finanzminister Timothy Geithner vorgestellt worden war. Diese hatte für das Grundgehalt eine Obergrenze von 500.000 Dollar nur für die höchsten Direktoren von solchen Banken festegelegt, die "außergewöhnliche Unterstützung" erhalten. Die Bestimmung sollte nicht rückwirkend auf Banken anzuwenden sein, die Geld unter dem ersten Wall-Street-Rettungspaket von 700 Milliarden Dollar (TARP) erhalten hatten. Dodds Regelung trifft dagegen auch rückwirkend alle Banken, die bisher schon TARP-Gelder erhalten haben. Sie gibt keine Obergrenze für Grundgehälter vor, beschränkt Boni aber auf ein Drittel der Gesamtvergütung. Sie verhängt keine Begrenzung für später auszuzahlende Gehaltsbestandteile oder Pensionszusagen. Auch für Aktienoptionen scheint es keine Einschränkung zu geben.
Weil der größte Teil der jährlichen Gesamtvergütung der Wall-Street-Könige bisher aus Boni, Aktienoptionen und anderen Zusatzanreizen bestand, könnte die Regelung dazu führen, dass die jährlichen Einkommen auf Millionenbeträge im einstelligen Bereich schrumpfen könnten, statt der zuletzt üblichen zweistelligen Millionensummen. Das Wall Street Journal ging davon aus, dass der Lohn des Vorstandsvorsitzenden der Bank of America, Kenneth Lewis, nach der neuen Regelung von 16,4 Millionen Dollar in 2007 auf "magere" 2,25 Millionen Dollar absacken würde.
Die Aussichten auf einen solchen Schicksalsschlag führten dazu, dass das Kapitol und das Weiße Haus von Wall-Street-Lobbyisten geradezu überrannt wurden. Dabei hätte Lewis immer noch ein Einkommen zur Verfügung, das 56mal höher wäre als das eines normalen Amerikaners, d.h. er könnte in der Woche immer noch deutlich mehr ausgeben als der Durchschnittsamerikaner im Jahr.
Der Zorn der Börsenmilliardäre fand umgehend seinen Widerhall in den Schlagzeilen der großen Tageszeitungen. Die New York Times, das Wall Street Journal und die Washington Post hatten in ihrer Samstagsausgabe Aufmacher zu diesem Thema. Die Post, die wichtigste Zeitung der Hauptstadt, hatte auf der ersten Seite einen Artikel mit der Unterschrift "Gehaltsbegrenzung könnte nach hinten los gehen".
Nur wenige Wochen davor hatte sich der Kongress über Autoarbeiter aufgeregt, die weniger als 60.000 Dollar im Jahr verdienen. Obama sprach sich damals für massive Kürzungen der Löhne und Sozialleistungen und für Massenentlassungen als Bedingung für Notkredite aus, mit denen der Zusammenbruch von General Motors und Chrysler verhindert werden sollte.
Die Nachrichten- und Interviewsendungen am Sonntagmorgen ließen Zweifel aufkommen, ob Obama sein Konjunkturprogramm tatsächlich, wie geplant, am Dienstag unterschreiben werde. Seine Sprecher sahen sich zur Versicherung genötigt, das Gesetz werde unterschrieben, fügten jedoch hastig hinzu, das Weiße Haus werde sich dafür einsetzen, dass die Obergrenzen für Vorstandsgehälter auch später noch verändert werden könnten.
Obamas Chefberater David Axelrod sagte auf "Fox News Sunday", das Weiße Haus werde sich bemühen, gemeinsam mit dem Kongress in der Frage "etwas Praktikables auf die Beine zu stellen". Obamas Pressesprecher Robert Gibbs sagte auf CBS in der Sendung "Face the Nation", die Regierung werde versuchen, in Diskussionen mit Abgeordneten und Senatoren eine ausgewogene Lösung zu finden.
Diese Frage spielt in der Diskussion über den Plan, der laut Obama das Land angeblich vor der "Katastrophe" bewahren soll, eine ganz zentrale Rolle. Das allein ist schon ein deutlicher Hinweis auf die wahren Klassenbeziehungen in den Vereinigten Staaten. Es macht deutlich, wo die wirkliche politische Macht liegt. Die engstirnigen und selbstsüchtigen Interessen einer verschwindenden Minderheit der Bevölkerung wiegen für die Politik der Regierung weit schwerer als die Bedürfnisse von Dutzenden Millionen Menschen, die in Arbeitslosigkeit und Armut geworfen werden. Die Finanzaristokratie hat praktisch ein Vetorecht gegenüber der Politik des Staates. Das entlarvt die Klassendiktatur, die sich hinter der immer fadenscheinigeren demokratischen Bemäntelung verbirgt.
Die meisten Amerikaner treibt in Wirklichkeit die Frage um, warum die Bankdirektoren, die für den Zusammenbruch ihrer eigenen Gesellschaften und der ganzen Wirtschaft - und zwar nicht nur in den USA, sondern weltweit - verantwortlich sind, immer noch auf ihrem Posten sitzen. Sie wollen wissen, warum es keine ernst zu nehmende Untersuchung und keine strafrechtlichen Verfolgungen gibt.
Der Aufruhr um die Bankengehälter wirft auch ein Licht auf den Charakter des Konjunkturprogramms selbst. Es besteht aus einem Sammelsurium von Steuersenkungen - unter anderem Dutzende Milliarden für die Wirtschaft und die Reichen - und staatlichen Ausgaben, die nichts dazu beitragen, die Wirtschaftskrise zu lösen, und wenig zur Linderung des Leidens der Bevölkerung.
Mehr noch: Obama erklärte in seiner wöchentlichen Radio- und Videoansprache vom Samstag, dies sei nur das Vorspiel für ein weiteres massives Rettungspaket für die Banken. Dieses neue, ebenfalls durch Steuergelder in Billionenhöhe finanzierte Paket werde drakonische Kürzungsmaßnahmen bei wichtigen Sozialprogrammen wie den Renten und der Krankenversorgung beinhalten.
Das Konjunkturprogramm soll angeblich eine Antwort auf die tiefste Wirtschaftskrise seit der Großen Depression darstellen. Doch die tiefer liegenden Ursachen oder die sozialen Interessen, die hinter der Krise stehen, werden nicht berührt. Das ist kein Zufall, denn der Ausgangspunkt aller Maßnahmen gegen die Krise ist die Verteidigung der Interessen der Finanzelite. Das ist bei Obama nicht anders als bei Bush.
Die Reaktion der Wall-Street-Elite auf die Bestimmungen zu Vorstandsgehältern entlarvt den Zynismus von Obamas Gerede über die kollektive "Verantwortung" für die Krise und seine Forderung, "Opfer für die Nation" zu bringen. Die Plutokraten jedenfalls denken nicht im Traum daran, auch nur einen Bruchteil ihres Reichtums oder ihrer Macht abzugeben, gleich was es die Gesellschaft kostet.
Sie lassen deutlich erkennen, dass sie für den Fall, dass die Dodd-Regelung bestehen bleibt, ihre Reserven plündern werden, um die Regierungsgelder so schnell wie möglich zurückzuzahlen und die Einkommensobergrenzen wieder loszuwerden. Auch wenn dadurch die Lebensfähigkeit ihrer eigenen Unternehmen weiter ausgehöhlt wird, und den USA und der Welt eine noch größere Wirtschaftskatastrophe droht. Mehrere Kommentatoren haben darauf hingewiesen, dass die Boni-Obergrenzen durch eine Erhöhung der Grundgehälter ausgeglichen werden können. Nell Minow von der Corporate Library sagte der Washington Post : "Die Leute, die an der Wall Street arbeiten, sind eben durch Geld motiviert."
Alle zurzeit diskutierten Maßnahmen zur Kontrolle der Banker sind völlig unzureichend. Im letzten Jahrzehnt haben sie Billionen Dollars eingesackt - in Form von Gehältern, Boni, Aktienoptionen, goldenen Handschlägen, Pensionen, Privatjets, Limousinen und anderen Gefälligkeiten. Ihre Extravaganz wurde mit einer massiven Übertragung von Reichtum von der Arbeiterklasse auf die Elite bezahlt und hat nicht wenig dazu beigetragen, die amerikanische und die globale Wirtschaft an den Rand des Zusammenbruchs zu führen.
Ihre Finanzen müssen öffentlich registriert, und sie müssen gezwungen werden, Schadensersatz zu leisten. Der Reichtum, den sie der Gesellschaft geraubt haben, muss zurückgeholt und für die Finanzierung öffentlicher Arbeitsprogramme verwendet werden. So können Millionen Arbeitsplätze durch den Bau von Schulen, Krankenhäusern und anderen Infrastrukturprojekten geschaffen werden.
Eine rationale Lösung der Krise ist keine technische Frage. Es ist eine Klassenfrage und deshalb eine revolutionäre politische Frage. Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen den Formen der Krise - dem Parasitismus der herrschenden Elite und der enormen Zunahme von sozialer Ungleichheit - und der Produktionsweise und der Aneignungsweise des Kapitalismus. Diese ordnen die gesellschaftlichen Bedürfnisse der Anhäufung von privatem Reichtum bei denen unter, die die Produktionsmittel und den finanziellen Reichtum besitzen und darüber entscheiden.
Ihr Würgegriff muss durch eine massenhafte, unabhängige soziale und politische Bewegung der Arbeiterklasse gebrochen werden. Das Ziel dieser Bewegung muss die Bildung einer Arbeiterregierung mit einem sozialistischen Programm sein.
Man muss die Öffnung der Bankbilanzen fordern und sorgfältig offen legen, auf welche Weise Billionen Dollar vergeudet und die Wirtschaft in den Bankrott getrieben wurde. Die Schuldigen müssen zur Verantwortung gezogen und vor Gericht gestellt werden.
Die Banken und großen Finanzhäuser müssen enteignet und in öffentliche Dienstleistungsunternehmen umgewandelt werden. Sie müssen unter die demokratische Kontrolle der arbeitenden Bevölkerung gestellt werden. Nur so kann der von der Arbeiterklasse geschaffene Reichtum auch für die Bedürfnisse der Menschen eingesetzt werden.