Am Donnerstag vergangener Woche wurde bekannt, dass sich die Bundesregierung über den Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) direkt an der Commerzbank beteiligt. Damit wird sichergestellt, dass die Commerzbank wie geplant die Dresdner Bank übernehmen kann. Zudem kann die Commerzbank nicht mehr ohne Zustimmung der Bundesregierung von einem Konkurrenten aus dem Ausland übernommen werden.
Bereits im November 2008 hatte der Bund der Commerzbank 8,2 Milliarden Euro als stille Beteiligung bereitgestellt, die entsprechend EU-Wettbewerbsrecht mit 9 Prozent verzinst wird. Diese Summe wird jetzt auf 16,4 Mrd. Euro verdoppelt. Zusätzlich erwirbt die Bundesregierung für 1,8 Mrd. Euro 295 Millionen Aktien der Commerzbank. Damit hält sie einen Anteil von 25 Prozent plus einer Aktie, der ihr zwei Aufsichtsratsposten und eine Sperrminorität sichert, mit der sie grundlegende Unternehmensentscheidungen verhindern kann.
Die staatliche Beteiligung an einem der größten deutschen Kreditinstitute kennzeichnet einen grundlegenden Politikwechsel. Bisher hatte die Bundesregierung eine staatliche Beteiligung an einer großen Privatbank stets abgelehnt.
Die Commerzbank ist - neben der Deutschen und der Dresdner Bank - eine der drei großen deutschen Privatbanken. Durch ihre Fusion mit der Dresdner Bank und die gleichzeitig stattfindende Übernahme der Postbank durch die Deutsche Bank entstehen nun zwei Bankgiganten, die den inländischen Finanzmarkt weitgehend dominieren werden und auf den globalen Finanzmärkten deutsche Interessen mit größerem Gewicht durchsetzen sollen. Über die Deutsche Post, die sich zu einem Drittel in Bundesbesitz befindet, ist der Staat mittlerweile auch indirekter Teilhaber an der Deutschen Bank.
Die Beteiligung des Staats an diesen Banken zeigt, dass die herrschende Klasse in der sich rasant verschärfenden Wirtschaftskrise in Politik, Wirtschaft und Militär zusammenrückt. Der Staat wird zu einem aggressiven Instrument ausgebaut, um die Interessen von Konzernführern und Großaktionären mit wirtschaftlichen und militärischen Mitteln durchzusetzen und die Spirale von Protektionismus und Handelskriegsmaßnahmen anzuheizen.
Übernahme der Verluste
Mit der Entscheidung, der Commerzbank 18 Milliarden Euro an öffentlichen Geldern zur Verfügung zu stellen, reagierte die Bundesregierung auf die gewaltigen Verluste, die sich in den letzten Wochen in den Bilanzen der Commerzbank und vor allem der Dresdner Bank aufgetan haben.
Letztere musste allein im letzten Herbst 1,83 Mrd. Euro beim Investmentbanking abschreiben. Ein Großteil dieser Verluste geht auf die Investmenttochter Dresdner Kleinwort zurück, die sich offenbar im Zusammenhang mit der US-Hypothekenkrise verspekuliert hat. Das gleiche trifft auf die Commerzbank zu, deren Lage sich seit November dramatisch verschlechterte.
Im vergangenen Jahr wurde außerdem klar, dass mit expliziter Tolerierung von Bundesregierung und Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen gegen geltende Gesetze der Finanzaufsicht verstoßen und Risiken nicht offen gelegt wurden. Die Bundesregierung hat das nachträglich mit der Begründung gerechtfertigt, die Finanzindustrie wäre sonst nicht wettbewerbsfähig gewesen.
Nun werden die Löcher in den Bankbilanzen mit öffentlichen Geldern gestopft, ohne dass hinterfragt wird, wie die Verluste zustande gekommen sind und wer dafür die Schuld trägt. Niemand wird zur Rechenschaft gezogen. Die Folgen der Finanzkrise werden auf die Öffentlichkeit abgewälzt, ohne dass auch nur ansatzweise geklärt ist, wie es zu dem Desaster gekommen ist, wer die Verantwortung trägt und wer daran verdient hat. Dabei machen die für die Commerzbank eingesetzten 18 Mrd. Euro fast das Doppelte des jährlichen Bundesetats für Bildung und Forschung aus.
Bluten müssen auch die Beschäftigten der Banken. Trotz staatlicher Milliardenhilfen sollen im Rahmen des Zusammenschlusses von Commerz- und Dresdner Bank 9.000 Arbeitsplätze vernichtet werden. Die Bundesregierung hat bereits betont, dass sie dagegen kein Veto einlegen und auf die Geschäftsführung der Commerzbank "keinen Einfluss" ausüben werde.
Hauptgewinner des staatlichen Rettungspakets für die Commerzbank ist der Versicherungskonzern Allianz - mit einem Vermögen von 500 Mrd. Euro einer der größten und profitabelsten Versicherer weltweit. Ihm gehört zurzeit noch die Dresdner Bank. Ohne die staatliche Geldspritze wäre deren Übernahme durch die Commerzbank gescheitert und die Allianz hätte für die Verluste der Dresdner Bank aufkommen müssen.
Nun muss sie nur noch einen geringen Teil selbst tragen. Sie wurde von der Bundesregierung regelrecht freigekauft. Sie wird der Dresdner Bank für 1,1 Mrd. Euro "vergiftete" Wertpapiere abkaufen und eine stille Einlage von 750 Mio. Euro leisten, die mit 9 Prozent verzinst wird. Der im August vereinbarte Kaufpreis der Dresdner Bank wird von 9,8 auf 5,1 Mrd. Euro gesenkt. Dafür wird die Allianz von der Verpflichtung entbunden, sich mit 30 Prozent an der Commerzbank zu beteiligen. Sie wird künftig nur noch 14 Prozent der Anteile halten.
Die Börsen reagierten prompt auf die staatliche Hilfe. Die Aktien der Allianz legten in den Folgetagen um gut 15 Prozent zu. Die Süddeutsche Zeitung kommentierte: "Die Börsianer haben ein gutes Gefühl dafür, wer ein Schnäppchen macht und wer nicht. Im Falle der Teilverstaatlichung der Commerzbank einschließlich der bisherigen Allianz-Tochter Dresdner Bank hat der Münchner Versicherungskonzern hinter den Kulissen das große Geschäft gemacht - zu Lasten der öffentlichen Kassen, also des Steuerzahlers."
Dabei, so die Süddeutsche weiter, sei "der Versicherer aus München alles andere als ein Notfall, er ist vielmehr einer der größten und erfolgreichsten der Welt - und erwirtschaftet Milliardengewinne".
Konkurrenten der Allianz bezeichneten die staatliche Finanzhilfe schlichtweg als Skandal. "Wer risikoärmer angelegt hat als die Allianz und sein Credit-Risk deutlich niedriger hielt, wird wegen der Staatseingriffe in dieser Krise nicht belohnt", zitierte die Financial Times Deutschland einen Manager der Münchner Rück.
Dass die staatlichen Milliardenhilfen an die Commerzbank jemals zurückbezahlt werden, wie die Bundesregierung behauptet, ist in hohem Grade unwahrscheinlich. Ihre Aktien sackten nach dem Einstieg der Regierung um fast 25 Prozent ab und der Gesamtwert der Bank liegt jetzt unter 4 Mrd. Euro, beträgt also nicht einmal einen Viertel der staatlichen Hilfe.
Es steht völlig offen, wie die Commerzbank in den nächsten Jahren ihre gigantische Zins- und Schuldenlast bewältigen kann. Allein um die 18 Mrd. Staatshilfe abzutragen, müsste sie acht Jahre lang das bisherige Rekordergebnis von 2 Mrd. erwirtschaften, von der Bezahlung der Zinsen ganz zu schweigen. Sie werden jährlich mit 1,6 Mrd. Euro anfallen. Zudem werden jeweils bei Dresdner und Commerzbank weitere Verluste in einstelliger Milliardenhöhe erwartet. Die gewährten Staatsgelder lassen kurzfristig Abschreibungen von bis zu 7 Mrd. Euro zu. Laut Schätzungen wird frühestens in fünf Jahren wieder Dividende gezahlt.
Letztlich wird die Staatskasse für die Verluste gerade stehen. Der Berliner Wirtschaftsprofessor Henrik Enderlein glaubt nicht, dass die Commerzbank überhaupt Zinsen zahlen wird: "Die Bank wird protestieren und irgendwann einen Schuldenerlass bekommen wie ein Entwicklungsland."
Die FAZ berichtete am 10. Januar, es sei vereinbart worden, die Commerzbank müsse ausstehende Zinsen nicht nachträglich entrichten, wenn sie diese in einem Jahr nicht zahle. Welche Auflagen ihr dazu gemacht wurden, ist nicht bekannt. Auch die Reaktionen der Europäischen Union bleiben abzuwarten, weil es ein eklatanter Verstoß gegen die Brüssler Wettbewerbsregeln wäre, auf diese Weise Unternehmen staatlich zu fördern.
Strategische Interessen
Die Bundesregierung hat kein Hehl daraus gemacht, dass sie mit dem Einstieg in die Commerzbank auch strategische Interessen verfolgt. Sie reagiert damit auf ähnliche Maßnahmen, die bereits in anderen Ländern ergriffen wurden - die Rettung und teilweise Übernahme von AIG, Citigroup und J. P. Morgan Chase in den USA, der Royal Bank of Scottland in Großbritannien, usw. Ein Sprecher von Finanzminister Peer Steinbrück betonte: "Wir wollen diese starke Bank".
Schon bei der Debatte um die Übernahme der Dresdner Bank durch die Commerzbank im August 2008 hatte die Bundesregierung hinter den Kulissen aktiv mitgewirkt. Damals wurde die Übernahme durch eine chinesische Bank verhindert, die sich bereit erklärt hatte, den 26.300 Mitarbeitern eine Beschäftigungsgarantie zu gewähren.
Mit großer Sorge betrachtet die Regierung auch die Stellung der deutschen Banken im internationalen Vergleich. Während die Deutsche Bank an der Börse nur noch mit 14 Mrd. Euro und die Commerzbank mit weniger als 4 Mrd. bewertet werden, liegen die französische Société Générale bei 21 Mrd., die spanische Banco Santander bei 55,4 Mrd. und die britische HSBC bei 76 Mrd. Euro.
Eine zusätzliche pikante Note bekommt die Entscheidung der Bundesregierung angesichts der persönlichen Verflechtungen zwischen Politik und Finanzwirtschaft. Der Financial Times gegenüber hat ein deutscher Banker geäußert, der Bankenrettungsfond sei unter maßgeblicher Beteiligung von Klaus-Peter Müller zustande gekommen und speziell auf die Fusion von Dresdner und Commerzbank zugeschnitten.
Müller saß seit 1990 im Vorstand der Commerzbank und war von 2001-2008 dessen Sprecher. Im Mai 2008 übernahm er den Vorsitz des Aufsichtsrats. Seit 2005 ist er Präsident des Bundesverbandes Deutscher Banken und gilt mit Deutsche-Bank-Chef Joseph Ackermann als wichtigster deutscher Bankenlobbyist. Er ist Mitglied der CDU und steht Bundeskanzlerin Angela Merkel sehr nahe. 2005 wurde ihm das Ehrenkreuz der Bundeswehr in Gold verliehen - u.a. zur Anerkennung des Engagements für vertiefte Begegnungen zwischen Führungskräften der Bundeswehr und der Wirtschaft.
So ist es nicht verwunderlich, dass sich die Bundesregierung mit ihrer Entscheidung gleich über zwei Grundregeln des Bankenrettungsfonds hinweggesetzt hat. Erstens war vorgesehen, dass sie nicht mehr als 10 Mrd. Eigenkapitel an ein Geldinstitut geben darf, und zweitens, dass sie sich nicht direkt an einem Kreditinstitut beteiligt.
Der staatliche Einstieg in die Commerzbank gibt einen Einblick, wie die deutsche herrschende Klasse auf die sich vertiefende Weltwirtschaftskrise reagieren wird. Wie in den 30er Jahren legt sie gegenüber der eigenen Bevölkerung und den internationalen Konkurrenten eine zunehmende Aggressivität an den Tag, um das kapitalistische Wirtschaftssystem und dessen Profiteure zu retten.
Die persönliche Geschichte der zweiten schillernden Figur dieser Bankenübernahme legt darüber beredt Zeugnis ab. Der Großvater von Martin Blessing, des Vorstandsvorsitzenden der Commerzbank AG, arbeitete in den 30er Jahren als Assistent von Reichsbankpräsident und Reichsfinanzminister Hjalmar Schacht, war von 1939-45 Mitglied im Freundeskreis Reichsführer SS und wurde zum Wehrwirtschaftsführer ernannt. Von 1941-45 war er Vorstandsmitglied der Kontinentalen Öl AG, die die südosteuropäischen Erdöl-Lagerstätten für den Bedarf der Wehrmacht ausbeutete. Weil er von der Hitler-Opposition um Carl Friedrich Gördeler als Reichsbankpräsident und Wirtschaftsminister gehandelt worden war, wurde er von 1959-1969 zweiter Präsident der Deutschen Bundesbank.