Am Vorabend der US-Wahlen, wies die New York Times vorsichtig darauf hin, dass sich zwischen der Republikanischen und der Demokratischen Partei in Washington eine gemeinsame Haltung zu einer neuen aggressiven Strategie gegen den Iran herauskristallisiere. Während im Wahlkampf praktisch nichts dazu gesagt wurde, haben hinter den Kulissen Spitzenberater von Obama und McCain die schnelle Eskalation von diplomatischem Druck verbunden mit harten Strafmaßnahmen gegen den Iran verabredet. Unterstützt werden diese Maßnahmen durch die Vorbereitungen auf Militärschläge.
Der Artikel mit dem Titel "Neue Beltway-Debatte: Was tun mit dem Iran?" bemerkt mit einer gewissen Beunruhigung: "Es ist ein erschreckender Gedanke, aber es ist nicht nur die schießwütige Bush-Administration, die, wenn auch nur theoretisch, die Möglichkeit eines Militäreinsatzes diskutiert, um das Kernwaffenprogramm des Iran zu stoppen,. ... Vernünftige Leute beider Parteien prüfen neben diplomatischen Initiativen auch die so genannte militärische Option."
Hinter dem Rücken der amerikanischen Wähler haben Spitzenberater des designierten Präsidenten Barack Obama die Voraussetzungen für eine drastische Eskalation der Konfrontation mit dem Iran geschaffen, sobald die neue Regierung das Amt übernimmt. Ein im September veröffentlichter Bericht vom "Bipartisan Policy Center", einer in Washington ansässigen Denkfabrik beider Parteien, argumentiert, dass ein kernwaffenfähiger Iran "strategisch nicht akzeptabel" sei und beschrieb eine robuste Vorgehensweise "aus einem Guss mit neuen diplomatischen, ökonomischen und militärischen Werkzeugen".
Ein Schlüsselmitglied der Task Force des "Bipartisan Policy Center" war Obamas Spitzenberater für den Nahen Osten, Dennis Ross, der als Falke bekannt ist. Er unterstützte die US-Invasion im Irak und unterhält enge Kontakte zu Neokonservativen wie Paul Wolfowitz. Ross arbeitete unter Wolfowitz in den Regierungen von Carter und Reagan, bevor er unter den Präsidenten Bush Senior und Clinton Hauptunterhändler für den Nahen Osten wurde. Nachdem er das State Department 2000 verlassen hatte, trat er der rechten, pro-israelischen Denkfabrik Washington-Institut für Nah-Ost-Politik bei und heuerte als außenpolitischer Analyst bei Fox News an.
Der Bericht des "Bipartisan Policy Center" betonte, dass die Zeit knapp sei, und erklärte: "Teherans Fortschritte bedeuten, dass die nächste Regierung wenig Zeit hat und weniger Möglichkeiten, mit der Bedrohung umzugehen." Er wies nicht nur Teherans Behauptung von vorn herein zurück, dass seine Atomprogramme friedliche Zwecke verfolgten, sondern auch die Einschätzung der US-Nachrichtendienste aus dem Jahr 2007, die befand, dass der Iran sein Atomwaffenprogramm 2003 beendet habe.
Der Report kritisierte das Versagen der Bush-Administration, die iranischen Atomprogramme zu stoppen, aber seine Strategie ist im Wesentlichen die gleiche - begrenzte Anreize, die durch schärfere Wirtschaftssanktionen und Kriegsdrohungen unterstützt werden. Sein Plan zur Festigung der internationalen Unterstützung setzt ebenfalls auf präventiven Militäreinsatz gegen den Iran. Russland, China und die europäischen Mächte werden darauf hingewiesen, dass ihr Weigerung, harten Sanktionen, bis hin zu einer provozierenden Blockade iranischer Ölexporte, zuzustimmen, nur die Wahrscheinlichkeit eines Krieges erhöht.
Um diese Warnungen zu unterstreichen, schlug der Bericht vor, die USA sollten ihre militärische Anwesenheit im Persischen Golf sofort erhöhen. "Damit sollte am ersten Tag begonnen werden, an dem der neue Präsident sein Büro betritt, besonders da die Islamische Republik und ihre Verbündeten versuchen könnten, die neue Regierung zu testen. Dazu könnte gehören, amerikanische und alliierten Streitkräfte schon einmal in Stellung zu bringen, zusätzliche Flugzeugträgerkampfgruppen und Minensuchboote zu entsenden [und] anderes Kriegmaterials in die Region zu schicken" hieß es.
In ähnlichen Worten wie George W. Bushs Ausspruch, dass "alle Optionen auf dem Tisch" bleiben, erklärte der Bericht: "Wir glauben, dass ein Militärschlag eine machbare Option ist und als letzter Ausweg bleiben muss, um das Atomprogramm des Irans zu verhindern." Solch ein Militärschlag "würde nicht nur auf die atomare Infrastruktur, sondern auch auf seine herkömmliche Militärinfrastruktur zielen müssen, um eine iranische Antwort unmöglich zu machen."
Bezeichnenderweise wurde der Report von Michael Rubin vom neokonservativen American Enterprise Institute verfasst, welches erheblich daran beteiligt war, die Invasion 2003 im Irak voranzutreiben. Mehrere von Obamas wichtigsten Demokratischen Beratern "befürworteten das Dokument einmütig", einschließlich Dennis Ross, der ehemalige Senator Charles Robb, der die Task Force mit leitete, und Ashton Carter, stellvertretender Verteidigungsminister unter Clinton.
Carter und Ross arbeiteten auch an einem Bericht des überparteilichen Center for a New American Security mit. Der Bericht wurde im September veröffentlicht und stellte fest, dass ein Militäreinsatz gegen den Iran "ein reale Alternative" sein müsse. Während Ross die diplomatischen Optionen im Detail überprüfte, entwickelte Carter die "militärischen Elemente", die sie untermauern sollten, einschließlich einer Kosten Nutzen Analyse für eine US-Luftbombardierung des Iran.
Andere hohe außen- und verteidigungspolitische Berater Obamas waren eng in diese Diskussionen einbezogen. Ein Arbeitsstab des Washington-Institut für Nah-Ost-Politik verfasste im Juni eine Erklärung mit dem Titel "Die Partnerschaft verstärken: Wie man die amerikanisch-israelische Zusammenarbeit gegen die nukleare Herausforderung des Iran vertieft". Er empfahl der nächsten Regierung mit Israel Diskussionen über "alle politischen Optionen" zu führen, einschließlich "eines vorbeugenden Militäreinsatzes". Ross war einer der Leiter der Task Force und Obamas Top-Berater Anthony Lake, Susan Rice und Richard Clarke, setzten alle ihre Namen unter das Dokument.
Wie die New York Times am Montag erwähnte, nahm Obamas verteidigungspolitischer Berater Richard Danzig, ehemaliger Marineminister unter Clinton, an einer Konferenz zum Nahen Osten teil, die im September von der gleichen pro-israelischen Denkfabrik veranstaltet wurde. Er erklärte der Zuhörerschaft, dass Obama glaube, ein Militärangriff gegen Iran wäre eine "schreckliche" Alternative, aber "es kann sein, dass wir in dieser schrecklichen Welt mit solch einer schrecklichen Entscheidung zurecht kommen müssen". Der ebenfalls anwesende Richard Clarke erklärte, Obama sei der Ansicht, dass "Teherans wachsender Einfluss zurückgedrängt werden muss und Atomwaffen in der Hand des Iran nicht inakzeptabel sind." Obwohl "Obama nicht ständig mit dem Finger am Abzug herumläuft", stellte Clarke fest, werde "er nicht zögern, wenn die Umstände den Einsatz militärischer Macht erforderten."
Obwohl der New York Times -Artikel zurückhaltend war und die Berichte nicht besonders tiefgehend überprüfte, war Autorin Carol Giacomo wegen der Parallelen zur US-Invasion im Irak offensichtlich besorgt. Nachdem sie unterstrichen hatte, "dass die amerikanische Öffentlichkeit von dieser Diskussion größtenteils nichts weiß", erklärte sie: "Mich macht nervös, dass es im Vorfeld des Irakkriegs genauso lief."
Giacomo fuhr fort: "Vertreter der Bush-Administration trieben die Diskussion voran, aber die Experten machten sich mitschuldig. Die Frage wurde in Politikkreisen gestellt und beantwortet, bevor die meisten Amerikaner wussten, was geschah... Als damalige diplomatische Korrespondentin für Reuters, fühle ich eine gewisse Verantwortlichkeit dafür, nicht mehr getan zu haben, dass die verhängnisvolle Entscheidung, in den Irak einzufallen, skeptischer diskutiert wurde."
Die aufkommende Einigkeit in außenpolitischen Kreisen der USA über den Iran unterstreicht erneut die Tatsache, dass die Unterschiede zwischen Obama und McCain lediglich taktischer Art sind. Während Millionen Amerikaner den Demokratischen Kandidaten in dem Glauben gewählt haben, dieser werde den Krieg im Irak beenden und sich um ihre dringenden ökonomischen Bedürfnisse kümmern, stellten sich mächtige Teile der amerikanischen Elite hinter ihn, weil sie hofften, er werde die ökonomischen und strategischen Interessen der Vereinigten Staaten im Mittleren Osten und Zentralasien besser vertreten - einschließlich des Gebrauchs militärischer Gewalt gegen den Iran.