Rettungsaktion enthüllt Bankrott des amerikanischen Kapitalismus

Die Übernahme der Hypothekengiganten Fannie Mae und Freddie Mac durch die US-Regierung hat der Ideologie des Marktkapitalismus einen vernichtenden Schlag versetzt. Diese Ideologie hatte jahrzehntelang dazu gedient, die Arbeiterklasse anzugreifen; mit ihr rechtfertigte die amerikanische herrschende Elite die Konzentration enormen Reichtums in ihren Händen.

Endlos wurden die Segnungen privaten Unternehmertums gepriesen, gegen den Sozialismus führte man die Eigenverantwortung ins Feld und verteidigte ein System, das die große Mehrheit zum Nutzen der Finanzelite ausbeutet. Dies alles ist nun als Betrug entlarvt: Wenn das Großkapital betroffen ist, werden die Verluste sozialisiert. Nur die Profite sind privat.

Die gleichen Leute, die jahraus, jahrein gegen eine "starke Regierung" gewütet haben, um alle juristischen Hindernisse für die Akkumulation von Unternehmensprofiten und privatem Vermögen zu beseitigen, und die jede soziale Absicherung der Arbeiterklasse zerstört haben, haben jetzt die Vollmachten der Regierung enorm ausgedehnt, um die Interessen der Finanzelite zu schützen.

Die Rettungsaktion hat auch die tatsächlichen Machtverhältnisse hinter der Fassade der amerikanischen Demokratie enthüllt. Die größte Rettungsaktion einer Regierung für private Firmen in der Weltgeschichte - deren Kosten für die Steuerzahler sich am Ende auf Hunderte Milliarden Dollar belaufen werden - wurde schon im Voraus von den Demokraten im Kongress gebilligt und erhielt die sofortige Zustimmung der Führung beider Parteien und ihrer Präsidentschaftskandidaten.

Es gab bisher noch keine Untersuchung des größten Finanzskandals der Weltgeschichte. Beide Parteien haben kein Interesse daran, den Schwindel und die Intrigen der Wall-Street-Mogule ans Licht zu bringen, weil beide Parteien über tausend Fäden mit den Verantwortlichen für dieses Finanzdebakel verbunden sind.

Die Fassade der demokratischen Einrichtungen liegt in Scherben, und dahinter kommt eine Plutokratie zum Vorschein. Es ist die politische Herrschaft der Reichen. Wenn es um die Interessen der Finanzaristokratie geht, stehen beide Parteien und alle offiziellen Institutionen der Gesellschaft stramm und sind ihren Herren von der Wall Street zu Diensten.

Die Rettungsaktion für die zwei Hypothekengiganten, die 80 Prozent aller Wohnungsbauhypotheken finanzieren, beweist das historische Scheitern des amerikanischen Kapitalismus und des weltweiten Profitsystems. Dahinter steht die tiefste Wirtschaftskrise seit der Depression der 1930er Jahre, und ihr Epizentrum liegt in den USA. Die Übernahme von Fannie Mae und Freddie Mac durch die Bush-Regierung unterhöhlt rasch das internationale Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit - nicht nur dieser beiden Gesellschaften, sondern der Regierung der Vereinigten Staaten selbst.

In den vergangenen Monaten haben globale Investoren, Zentralbanken und regierungsnahe Investmentfonds ihre Papiere der beiden Hypothekenriesen abgestoßen. Besonders Investmentfonds in Asien und Russland haben dies getan. Fannie Mae und Freddie Mac haben zusammen durch Hypotheken gesicherte Papiere im Wert von 5,3 Billionen Dollar in ihren Büchern, die sie selbst besitzen oder garantieren. Die Flucht aus ihren Anlagen hat nicht nur die Krise der beiden Firmen verschärft, die massiv verschuldet sind und infolge des Zusammenbruchs des privaten amerikanischen Immobilienmarktes Milliarden Dollar verloren haben, sondern den Status der gesamten Schulden der amerikanischen Regierung, einschließlich der amerikanischen Schatzbriefe, in Frage gestellt.

Die Vereinigten Staaten, bei weitem der größte Schuldner der Welt mit einem Zahlungsbilanzdefizit von fast 800 Mrd. Dollar, benötigen einen Zufluss von Hunderten Milliarden Dollar aus dem Ausland. Zurzeit importieren sie eine Billion Dollar im Jahr oder mehr als vier Milliarden Dollar am Tag.

Die Übernahme der Schulden der beiden Hypothekengesellschaften durch die US-Regierung hat zwar einen unmittelbaren Finanzzusammenbruch abgewendet, aber die Krise des amerikanischen Kapitalismus insgesamt nur verschärft. Der Finanzkorrespondent der Financial Times, Martin Wolf, schrieb am Dienstag: "Im Ergebnis ist die gesamte Wohnungsbaufinanzierung in die Verantwortung der Regierung übergegangen, und dadurch hat sich die ehrlich bewertete Bruttoverschuldung der US-Regierung auf einen Schlag um 5.400 Milliarden [5,4 Billionen] Dollar erhöht. Das entspricht etwa einer Verdoppelung der öffentlichen Schulden oder 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts."

In einem Handstreich wird also die Staatsschuld verdoppelt, und damit ist sie ungefähr so hoch wie das Bruttoinlandsprodukt. Am 14. Juli, am Tag, nachdem US-Finanzminister Henry Poulsen ein Gesetz gefordert hatte, dass ihm die einseitige und unbeschränkte Vollmacht geben sollte, Steuergelder zur Rettung von Fannie Mae und Freddie Mac zu verwenden, kommentierte das Wall Street Journal die möglichen Folgen einer solchen Rettungsaktion der Regierung. Die Zeitung schrieb: "Mit dem Anwachsen der Finanzprobleme wägen einige Investoren die Frage ab, wie sie von dem scheinbar Undenkbaren profitieren könnten: Könnte die US-Regierung bankrott gehen?"

Der ungeheure Anstieg der Verschuldung der amerikanischen Regierung muss zwangsläufig das internationale Vertrauen in die Kreditwürdigkeit von US-Anleihen unterhöhlen, was zu einem weiteren Verfall des Dollars und einem scharfen Anstieg der Zinsen führt, die die USA an ihre internationalen Gläubiger zahlen müssen.

Die Behauptung der Bush-Regierung, die von den Medien wiederholt wird, dass die Rettungsaktion für die beiden Hypothekenfirmen höchstens 200 Mrd. Dollar an öffentlichen Mitteln verschlingen werde, ist nicht glaubwürdig. Selbst das wäre eine enorme Summe, die bisherige Rettungsaktionen für die Wirtschaft in Frage stellt, darunter auch die Rettung der Spar- und Darlehnskassen vor knapp zwei Jahrzehnten. Als Anhaltspunkt, mit welchen Summen die Politiker rechnen, mag gelten, dass das im Juli verabschiedete Gesetz, das Paulson ermächtigte, Fannie Mae und Freddie Mac zu retten, das Schuldenlimit für die US-Regierung um 800 Mrd. Dollar anhob. Damit wurde der Puffer zwischen dem Schuldenlimit und der tatsächlichen Verschuldung des Staates auf 1,1 Billionen Dollar vergrößert.

Man bekommt einen Endruck von den gesellschaftlichen Prioritäten der herrschenden amerikanischen Elite, wenn man die aufgewendeten Summen für die Rettung von nur zwei Firmen mit den Mitteln vergleicht, die die Bundesregierung für Bildung (67,5 Mrd. Dollar), Arbeitslosengeld (37,3 Mrd. Dollar), Straßenbau und öffentlichen Nahverkehr (53,1 Mrd. Dollar) und Wohnungsbau (7,4 Mrd. Dollar) aufwendet.

Außerdem ist die Rettungsaktion für Fannie Mae und Freddie Mac nur der Auftakt für einen noch viel weiter reichenden Einsatz öffentlicher Gelder für die Sanierung der Bilanzen von Wirtschaftsunternehmen. Der Demokratische Präsidentschaftskandidat Barack Obama und sein Republikanischer Gegenspieler John McCain unterstützen beide ein 50 Mrd. Dollar Hilfspaket für die amerikanische Autoindustrie, was unvermeidlich weitere Kürzungen bei Arbeitsplätzen und Löhnen mit sich bringen würde. Und der Absturz der Wall Street Investmentbank Lehman Brothers in den Bankrott - die Aktien der Bank fielen alleine am Dienstag um 45 Prozent - stellt eine weitere Rettungsaktion auf die Tagesordnung, ähnlich der 29 Mrd. Dollar-Aktion im Fall von Bear Sterns im März.

Es wird schon darüber spekuliert, dass die Regierung einen permanenten Mechanismus etablieren könnte, um mit Steuergeldern faule Papiere in Milliardenhöhe von großen Banken und Finanzinstituten zu übernehmen. Das Wall Street Journal schrieb am Dienstag: "Eine von der Regierung gestützte Institution, die diese Papiere aufkauft, könnte dem Markt für Wohnungsbaukredite entscheidend auf die Sprünge helfen und den Banken und anderen Finanzinstituten unter die Arme greifen, die große Schläge in ihren Bilanzen und gleichzeitig einen Rückgang ihrer Aktienkurse verkraften müssen."

Die Financial Times hieb in die gleiche Kerbe: "Es könnte passieren, dass die US-Regierung eine weit größere Zahl von Finanzinstituten rekapitalisieren muss, damit die Kreditkrise überwunden werden kann."

Diese Zitate machen klar, dass Fannie Mae und Freddie Mac keine Sonderfälle sind, keine Ausreißer, die in ihrer rücksichtslosen Spekulationswut und ihrem Streben nach Superprofiten von der Norm abgewichen seien. Sie sind im Gegenteil typische Beispiele für den finanziellen Parasitismus und die schiere Kriminalität, die die Funktionsweise des amerikanischen Kapitalismus und die soziale Physiognomie der amerikanischen Wirtschaftselite prägen.

Die Geschäftspolitik der beiden von der Regierung gestützten Firmen unterscheidet sich nicht von der hemmungslosen, durch eine enorme Ausweitung des Kredits angetriebene Spekulation, die zum Kennzeichen des amerikanischen Kapitalismus geworden ist. Ihre Rolle im Wohnungsbau- und Kreditboom, der jetzt zusammengebrochen ist, unterscheidet sich nicht von der Schaffung von ungeheuren Papierwerten mittels der so genannten "Besicherung" von Schulden, die die Superprofite und ungeheuren Gehälter an der Wall Street möglich gemacht haben.

Im Nachgang zu der Rettungsaktion haben Presseberichte auf die aufgeblähten Gehälter der Vorstände der Firmen hingewiesen. Bevor sie im Zuge der Regierungsübernahme entlassen wurden, nahmen der Vorsitzende von Fannie Mae, Daniel Mudd, und der Vorsitzende von Freddie Mac, Richard Syron, in den Jahren, die sie die Firmen leiteten, zusammen 29,5 Millionen Dollar ein. Als Abfindung werden sie weitere 29 Millionen Dollar erhalten.

Aber diese Summen sind keineswegs außergewöhnlich. Die Financial Times berichtete letzte Woche, dass von 2005 bis 2007 die addierten Gehälter wichtiger Vorstände der sieben größten amerikanischen Banken 95 Milliarden Dollar betrugen.

Der Zusammenbruch von Fannie Mae und Freddie Mac zeigt der gesamten US-Wirtschaft die Richtung. In den vergangenen drei Jahrzehnten hat der Niedergang des amerikanischen Kapitalismus die Form eines enormen Wachstums von finanziellem Parasitismus angenommen. Im Kern geht es dabei um die Trennung der Anhäufung von Reichtum von der Schaffung realer Werte im Produktionsprozess. Die herrschende Elite der USA hat die produktive Basis der US-Wirtschaft stark geschmälert und das produzierende Gewerbe stark geschwächt. Das hat Millionen Arbeitsplätze gekostet und den Lebensstandard der Arbeiterklasse zerstört. Stattdessen wurden höhere Profite aus zunehmend verantwortungsloser Finanzspekulation gezogen.

Die Kennziffern für das Anwachsen der Finanzspekulation in der amerikanischen Wirtschaft sind atemberaubend. 1982 machten die Profite amerikanischer Finanzfirmen erst fünf Prozent der Profite nach Steuern in der Wirtschaft aus. 2007 machten sie 41 Prozent der in der Wirtschaft erzielten Profite aus.

Dieser Prozess hat zu immer größerer sozialer Ungleichheit geführt, was das auffälligste Symptom der Degeneration des amerikanischen Profitsystems ist. Ein am 31. Juli auf den neuesten Stand gebrachter Bericht des Congressional Research Service gibt ein Bild von der Kluft, die sich zwischen der herrschenden Elite und der großen Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung aufgetan hat. Er stellt fest, dass im Jahr 2005 der Anteil des obersten Prozents der Bevölkerung am Nationaleinkommen 21,8 Prozent erreicht hat, soviel wie seit 1928 nicht mehr. Der Bericht stellte weiterhin fest, dass die Unternehmensgewinne 2006 12,4 Prozent des Nationaleinkommens ausmachten, soviel wie seit 50 Jahren nicht mehr.

Die Kosten der immer umfangreicheren Rettungsaktionen für die amerikanische Wirtschaft werden voll und ganz der Arbeiterklasse aufgebürdet. Trotz wachsender Arbeitslosigkeit und Armut und einer Flut von Zwangsräumungen wird in den Medien viel darüber geredet, dass die Amerikaner "über ihre Verhältnisse lebten".

Die nächste Regierung wird den Angriff auf den Lebensstandard der Arbeiterklasse deutlich verschärfen, unabhängig davon, ob sie von McCain oder von Obama geführt wird. Dies machte die New York Times klar, die am Dienstag kommentierte: "Die Senatoren McCain und Obama haben beide ihre Unterstützung für die Rettungsaktion signalisiert, was von einem gutes Urteilsvermögen zeugt. Aber worum sich der nächste Präsident kümmern muss, und worüber die beiden Kandidaten sprechen müssen, ist das Ausmaß der Wirtschaftskrise. Disziplin und Opfer werden notwendig sein."

Die einzige Alternative zu einem schnellen Niedergang des Lebensstandards der Arbeiterklasse und die einzige rationale und fortschrittliche Lösung der Finanzkrise ist ein sozialistisches Programm: die Verstaatlichung des gesamten Finanzsystems unter der demokratischen Kontrolle der arbeitenden Bevölkerung. Die Einlagen kleiner Sparer und Aktienbesitzer müssen gesichert werden. Der Reichtum und die Mittel des Landes müssen für die gesellschaftlichen Bedürfnisse der Bevölkerung eingesetzt werden, und nicht für die geldgeilen Finanzspekulanten.

Dieses Programm kann nur durch die unabhängige politische Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen das Zwei-Parteien-System und die Finanzaristokratie durchgesetzt werden. Die Socialist Equality Party baut eine solche sozialistische Massenbewegung der Arbeiterklasse auf.

Siehe auch:
US-Kongress stimmt Rettungsaktion der Regierung für Hypothekengiganten zu
(1. August 2008)
Rettung der Hypothekengiganten in den USA: Die Politik der Plutokratie
( 19. Juli 2008)
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