Spitzenvertreter der Bush-Regierung, darunter Vizepräsident Dick Cheney und Außenministerin Condoleezza Rice, haben bei Treffen im Weißen Haus spezifische Foltermethoden an Gefangenen in US-Gewahrsam diskutiert und abgesegnet. Dies berichteten amerikanischen Medien.
Die Berichte bestätigen nur ein weiteres Mal, dass die Spitzen der US-Regierung direkt für die Kriegsverbrechen verantwortlich sind, die Washington in den vergangenen Jahren unter dem Deckmantel des "weltweiten Kriegs gegen den Terror" begangen hat.
Der Nachrichtensender ABC News meldete auf Grundlage ungenannter Quellen, dass sich die Führungsriege des Nationalen Sicherheitsrats bei Treffen in den Jahren 2002 und 2003 mit den Verhörtechniken beschäftigte, die an mutmaßlichen Al Qaida-Mitgliedern in CIA-Gewahrsam angewandt wurden.
ABC berichtete: "Die hochrangigen Diskussionen über jene 'verschärften Verhörmethoden' gingen derartig ins Detail, sagen die Quellen, dass einige dieser Verhöre beinahe nachgespielt wurden - bis hin zur der Frage, wie oft eine bestimmte Taktik von den CIA-Agenten bei einer Sitzung eingesetzt werden darf." Zu den "verschärften Verhörmethoden" - einem Euphemismus für Folter - gehört das als "Waterboarding" bekannt gewordenen simulierte Ertränken.
Dem Nationalen Sicherheitsrat stand zu diesem Zeitpunkt Condoleezza Rice vor. Zur Führungsriege gehörten auch Cheney, Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, Außenminister Colin Powell, CIA-Direktor George Tenet und Justizminister John Ashcroft.
ABC zufolge begannen die Diskussionen nach der Gefangennahme von Abu Zubaydah im Frühjahr 2002. Die Bush-Regierung hat inzwischen zugegeben, dass die CIA bei Zubaydah, Khalid Sheikh Mohammed und Abd al-Rahim al-Nashiri Waterboarding anwandte.
Im Dezember 2007 räumte die Regierung ebenfalls ein, dass die CIA Videoaufnahmen zerstört hatte, auf denen die Verhöre von Zubaydah und al-Nashiri festgehalten waren. Es ist durchaus möglich, dass die Spitze des Nationalen Sicherheitsrats oder Präsident Bush selbst diese Bänder sahen, als sie die Folter an diesen Gefangenen begutachteten und guthießen.
In jedem Fall planten die Regierungsvertreter die Folter bis ins feinste Detail und offenbarten dabei ihr nahezu sadistisches Interesse. In einem AP-Artikel von letztem Freitag heißt es: "Manchmal führten CIA-Offiziere einige der Taktiken vor oder erklärten zumindest detailliert, wie sie funktionieren, damit die kleine Gruppe an der Spitze des Nationalen Sicherheitsrats in vollem Umfang verstand, was mit den Al Qaida-Gefangenen passierte."
ABC News berichtete, dass die CIA ihre Pläne für spezifische Verhörtechniken regelmäßig absegnen ließ. "Den Quellen zufolge stimmten die versammelten Spitzenvertreter bei jedem Treffen zu."
Am Verhalten der Regierungsvertreter lässt sich offen ablesen, dass sie sich der Verletzung des Völkerrechts und amerikanischen Rechts überaus bewusst waren. Alle, die an jenen Treffen teilnahmen, können in den Vereinigten Staaten oder anderswo als Kriegsverbrecher verhaftet und unter Anklage gestellt werden.
Die Nachrichtenagentur AP meldete: "Die Regierungsvertreter schlossen Präsident Bush bewusst von den Treffen aus." Dies geschah zu dem Zweck, dass der Präsident glaubhaft abstreiten und leugnen konnte, falls die Diskussionen an die Öffentlichkeit gelangen sollten.
Nichtsdestotrotz verteidigte Bush in einem Interview mit ABC News am Freitag die Treffen und die Entscheidung für Folter. "Nun, wir begannen, die Enden zusammenzufügen, um das amerikanische Volk zu schützen", sagte er gegenüber der ABC-Korrespondentin im Weißen Haus Martha Raddatz. "Ja, ich weiß, dass sich unser Nationales Sicherheitsteam zu dieser Frage traf. Und ich befürwortete dies."
Zeitgleich mit den Treffen entstanden mindestens zwei Memoranden, die ein juristisches Feigenblatt für Folter darstellen sollten, eines davon im August 2002 und das andere im März 2003. Nach den Memoranden sollte der Präsident unbeschränkte Machtbefugnisse erhalten, um Folter und andere rechtswidrige Mittel anordnen zu können; als Rechtfertigung diente dabei der "weltweite Krieg gegen den Terror".
Ein ehemaliger US-Geheimdienstvertreter, der mit den Treffen vertraut war, sagte gegenüber AP: "Wenn man sich den Zeitpunkt der Treffen und der Memoranden anschaut, so sieht man einen Zusammenhang." Die Teilnehmer an den Treffen wollten "eine juristische Meinung zur Rechtmäßigkeit dieser Taktiken", bevor sie weitermachten. Das heißt, die Bush-Regierung entschied sich für den Einsatz von Folter und gab das Verfassen einer pseudo-juristischen Rechtfertigung für diese Entscheidung in Auftrag, mit der sowohl die Regierungsvertreter als auch die mit der Folter direkt befassten CIA-Agenten geschützt werden sollten.
Im Jahre 2004 zog das Justizministerium formal das Memorandum zur Folter zurück, doch die Regierung distanzierte sich nie von den rechtlichen Argumenten, die darin angeführt waren. Tatsächlich wurden in einem späteren Memorandum zu Verhörfragen die Inhalte der vorangegangenen Memos verteidigt.
Beteiligt am Entwurf der Memoranden waren unter anderem John Yoo, ein Jurist aus dem Justizministerium, Cheneys Rechtsberater David Addington und Alberto Gonzales, der damals zum Beraterstab des Weißen Hauses gehörte.
Die direkte Beteiligung des Weißen Hauses beim Organisieren von Folter machte einige der Spitzenvertreter nervös, so zum Beispiel Ashcroft. Nach Aussage eines Zeugen, die ABC News anführt, sagte Ashcroft auf einem Treffen: "Warum sprechen wir darüber im Weißen Haus? Die Geschichte wird kein mildes Urteil fällen." Laut ABC unterstützte Ashcroft das allgemeine Verhörprogramm der CIA, hielt es aber für unangebracht, dass das Weißes Haus die angewandten Techniken im Detail absegnete.
Fraglos wird bis zum heutigen Tage gefoltert. ABC berichtete, dass sich die CIA nach der Gefangennahme eines Verdächtigen im Sommer 2004 wieder an die Regierung wandte, um die Foltertechniken absegnen zu lassen. "Die damalige Nationale Sicherheitsberaterin Rice, sagen die Quellen, zeigte sich unnachsichtig. Trotz wachsenden politischen Bedenken - die Powell teilte - dass das Vorgehen das Ansehen der Vereinigten Staaten im Ausland beschädige, nahm sie offenbar nichts zurück und teilte der CIA mit: 'Das ist eure Sache. Nun macht euch schon an die Arbeit!'"
Diese Enthüllungen sind eine weitere Bestätigung, dass die Verbrechen in Abu Ghraib und anderen Foltergefängnissen nicht die Taten verrohter Einzeltäter sondern vielmehr vom Weißen Haus geplant und befohlen waren.
Francis Boyle, Professor für Völkerrecht und Menschenrechte an der Universität Illinois sagte gegenüber der WSWS: "Fraglos handelte es sich zur Tatzeit um einen kriminellen Akt. Zumindest wurden die Genfer Konventionen, die Antifolterkonvention, das Gesetz gegen Kriegsverbrechen und die US-Bundesgesetze gegen Folter verletzt. Dies sind fraglos Vergehen, die mit einem Amtenthebungsverfahren beantworten werden müssten."
Boyle setzt sich persönlich für Amtenthebungsverfahren und Anklagen gegen Regierungsvertreter ein. Ihm zufolge gehört nach den jüngsten Enthüllungen Rice auf die Liste von Spitzenvertretern der Bush-Regierung, die Kriegsverbrechen begangen haben.
Zur Frage, warum bis heute kein Amtenthebungsverfahren angestrengt wurde, bemerkt Boyle: "Die Demokraten tragen eine Mitschuld an praktisch allem, was die Regierung seit dem 11. September gemacht hat. Sie haben die Kriege im Irak und in Afghanistan auch dann noch finanziert, als sie im Januar 2007 die Mehrheit im Kongress gewannen. Es überrascht mich nicht, dass sie keine Gegner von Folter sind."
Dass eine Führungsriege der amerikanischen Regierung an detaillierten Diskussionen über Foltermethoden beteiligt war, ist bezeichnend nicht nur für die Bush-Administration sondern für das ganze politische System in den Vereinigten Staaten. Von Anfang an haben die Demokraten dem Weißen Haus zu Verstehen gegeben, das sie sich dieser Politik nicht ernsthaft entgegenstellen.
Führende Abgeordnete der Demokraten, darunter die jetzige Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, wurden bereits 2002 über das CIA-Vorgehen informiert und über die angewandten Methoden in Kenntnis gesetzt. Andere wussten von der Existenz und Vernichtung von Videobändern, auf denen Folter zu sehen war.
Zweifellos wusste die Spitze der Demokratischen Partei, dass die CIA Foltermethoden anwandte und die Regierung dies befürwortete. Sie unternahm jedoch nichts, um diesen Praktiken Einhalt zu gebieten oder die amerikanische Bevölkerung über das Regierungshandeln zu informieren. Im Jahre 2006 unterstützten die Demokraten das Gesetz zu Militärkommissionen als Ergänzung zum Gesetz über Kriegsverbrechen, wodurch die Regierungsvertreter einen verbesserten rechtlichen Schutz erhielten.
Die Frage der Folter spielt im derzeitigen Präsidentschaftswahlkampf bislang noch keine Rolle. Keiner der beiden möglichen Kandidaten der Demokratischen Partei, weder Hillary Clinton noch Brack Obama, haben sich zu den jüngsten Enthüllungen oder dem kürzlich veröffentlichten Memorandum zur Rechtfertigung von Folter geäußert.
Folter wird im politischen Establishment nicht geächtet. Sie bleibt ungestraft, die Medien präsentieren ihren Einsatz als legitime politische Entscheidung und Juristen, die Folter befürworten, bekommen Professuren an führenden Universitäten. So schlimm ist es um die Demokratie in den Vereinigten Staaten bestellt.