Pierre Lambert, der langjährige Führer der französischen Organisation communiste internationaliste (OCI) und des heutigen Parti des travailleurs (PT), wurde am 25. Januar auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise beerdigt.
Dem Trauerzug, der sich vom Tor des Friedhofs zum Krematorium bewegte, schlossen sich rund 2.000 Menschen an. An der Spitze marschierte eine Gruppe Jugendlicher mit vier roten Fahnen mit Hammer und Sichel. Lamberts aufgebahrter Sarg wurde anschließend mit diesen Fahnen bedeckt.
Neben Vertretern des Parti des travailleurs und seiner internationalen Ableger waren eine große Delegation der Gewerkschaft Force Ouvrière (FO) sowie einzelne Vertreter der Sozialistischen Partei zur Beerdigung erschienen, um Lambert die letzte Ehre zu erweisen.
Von Force Ouvrière, dem drittgrößten französischen Gewerkschaftsverband, war laut mehreren übereinstimmenden Zeitungsberichten praktisch die gesamte nationale Führung anwesend. Angeführt wurde die Delegation vom amtierende Generalsekretär Jean-Claude Mailly sowie von dessen beiden Vorgängern André Bergeron (1963 bis 1989) und Marc Blondel (1989 bis 2004).
Die massive Teilnahme der FO-Führung an Lamberts Begräbnis bestätigt, dass dessen Organisation, ungeachtet ihrer Lippenbekenntnisse zum Trotzkismus, eine tragende Rolle innerhalb des konservativen Gewerkschaftsapparats gespielt hat und weiterhin spielt.
FO war 1947 als rechte Abspaltung von der stalinistisch dominierten Confédération Générale du Travail (CGT) entstanden. Sie vertrat stets einen reformistischen, pro-kapitalistischen Kurs und hat in den vergangenen Jahren - wie die CGT und die anderen Gewerkschaftsverbände auch - eine wichtige Rolle dabei gespielt, die großen Streikbewegungen abzuwürgen, die das Land erschütterten.
Lambert, der 1950 aus der CGT ausgeschlossen wurde, arbeitete seit den 1950er Jahren vollamtlich für die FO. Nach dem Bruch der OCI mit der trotzkistischen Weltbewegung, dem Internationalen Komitee der Vierten Internationale, im Jahr 1971 entwickelte sich die OCI zu einer wichtigen Stütze der Sozialistischen Partei François Mitterrands. Lionel Jospin, der spätere Premierminister, trat damals als heimliches OCI-Mitglied der Partei Mitterrands bei und wurde zu einem seiner wichtigsten Mitarbeiter.
Spätestens seit dieser Zeit übte die OCI auch einen maßgeblichen Einfluss innerhalb von FO aus. Führende Mitglieder arbeiteten vollamtlich im Gewerkschaftsapparat. Lambert selbst wurde zum engen Berater Bergerons und später Blondels, wobei stets offen blieb, ob diese selbst der OCI angehörten.
Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die OCI die reformistische Orientierung von FO jemals in Frage gestellt oder versucht hätte, sie in eine revolutionärer Richtung zu lenken. Lambert rechtfertigte seine Unterstützung einer bürgerlich-reformistischen Gewerkschaftspolitik, indem er die gegenseitige Unabhängigkeit von Parteien und Gewerkschaften zum universellen Prinzip erhob - oder anders ausgedrückt: indem er jede politische Kritik an der reformistischen Gewerkschaftsbürokratie für unstatthaft erklärte.
Patrick Hébert, Chef von FO in der Region Loire-Atlantique und Führungsmitglied von Lamberts PT, konzentrierte seine Würdigung Lamberts während der Beisetzungsfeierlichkeiten auf diese Frage.
Gestützt auf die Erfahrungen, die er in den 1940er Jahren in der stalinistisch kontrollierten CGT machte, habe Lambert die Schlussfolgerung gezogen, "dass es notwendig sei, unter allen Umständen für die Beachtung der gegenwärtigen Unabhängigkeit von Parteien und Gewerkschaften zu kämpfen," sagte Hébert.
Er fuhr fort: "So kam es, dass Lambert 1947, auf dem Kongress der trotzkistischen Organisation, einen Zusatzantrag zur Abstimmung brachte, der den Standpunkt der Kommunistischen Internationale, die sogenannten 21 Punkte, abänderte. Er veränderte insbesondere die Punkte 9 und 16 [die auf die Unterordnung der Gewerkschafts- unter die Parteiarbeit bestehen; die Red.] und ersetzte sie mit der gegenseitigen Anerkennung von Parteien und Gewerkschaften. Diese Orientierung blieb für ihn während seines gesamten Lebens auf gewerkschaftlicher wie auf politischer Ebene zentral."
Hébert beendete seinen Beitrag, indem er erneut jegliche politische Kritik an den Gewerkschaften für unstatthaft erklärte: "Was immer unsere Meinungsverschiedenheiten in dieser oder jener Frage und wie wichtig diese sein mögen, diese Meinungsverschiedenheiten müssen momentan zweitrangig sein, untergeordnet dem Überleben der Gewerkschaftsbewegung, frei und unabhängig von jeder Partei, von jedem Staat, von jeder Regierung und jeder Partei."
Als prominentester Vertreter der Sozialistischen Partei war Jean-Luc Mélenchon, der seit 1986 das Departement Essonne im Senat vertritt, auf Lamberts Beerdigung erschienen. Mélonchon hatte sich 1968 der OCI angeschlossen und eine wichtige Rolle in der von ihr kontrollierten Studentenorganisation gespielt. 1976 wechselte er zur Sozialistischen Partei, wo er Mitterrand unerstützte und später in diversen linken Fraktionen aktiv war. Im Jahr 2000 trat er als Staatssekretär in die Regierung Lionel Jospins ein. 2005 setzte er sich für die Ablehnung der Europäischen Verfassung ein. Im folgenden Jahr unterstützte er Laurent Fabius gegen Ségolène Royal als Präsidentschaftskandidat der Sozialistischen Partei.
Mélenchon, der das sozialistische Parteiabzeichen, die rote Rose trug, sagte der Zeitung Libération zu seiner OCI-Vergangenheit: "Was mich betrifft, so schäme ich mich nicht für diese drei Jahre in meinem Leben! Schließlich haben wir Trotzkisten gegen den Stalinismus, den Maoismus und all diese Schrecken gekämpft. Wir haben niemanden ermordet."
Als weiterer prominenter Sozialist war Gérard Filoche zur Beerdigung erschienen. Er gehörte von 2000 bis 2005 dem nationalen Büro der Sozialistischen Partei an. Filoche war 25 Jahre lang Mitglied der pablistischen Ligue communiste révolutionnaire (LCR), wo er eine Minderheitsfraktion führte, der Verbindungen zu Lamberts OCI nachgesagt wurden. 1995 trat er mit 150 weiteren LCR-Mitgliedern der Sozialistischen Partei bei und wurde sofort in deren nationale Führung aufgenommen.
Filoche begründete sein Erscheinen auf der Beerdigung mit den Worten: "Pierre Lambert kam zur Beerdigung mehrerer meiner Freunde. Daher ist es normal, dass ich an seiner teilnehme. Er war ein wirklicher Kämpfer."
Nicht auf der Beerdigung anwesend war Jean-Christophe Cambadélis, der in den 1970er Jahren die Studentenarbeit der OCI geleitet und bis 1986 deren nationalen Führung angehört hatte. Dann war er mit etwa 400 Anhängern der Sozialistischen Partei beigetreten, wo er zu den engsten Vertrauten Lionel Jospins zählte. Cambadélis vertritt seit 1988 das 19. Pariser Arrondissement in der Nationalversammlung und zählt zu den politischen Schwergewichten der Partei.
Cambadélis zollte Lambert in seinem täglichen Internet-Blog Tribut. "Der Mann war verführerisch, seine Charakterstärke unbestreitbar und als Privatperson war er viel charmanter als sein öffentliches Handeln hätte vermuten lassen," schreibt er.
Lamberts Unterstützung für Mitterrand und die Gewerkschaft FO erklärt Cambadélis mit dessen Feindschaft gegen den Stalinismus: Er war "überzeugt, dass das Haupthindernis für die proletarische Revolution’ der Stalinismus sei. ... So kann man verstehen, weshalb er sich durch die Entsendung eigener Mitglieder in ihre Reihen an Organisationen beteiligte, die der KPF die Vorherrschaft auf der Linken streitig machten. Denn die Trotzkisten hatten nicht die Kapazität dazu."
Lambert, schließt Cambadélis, sei "ein Bezugspunkt meiner Jugend und keine schändliche Krankheit, die man verstecken muss."
Nicht zu Lamberts Tod äußern wollte sich Lionel Jospin, der französische Regierungschef von 1997 bis 2002, der zwanzig Jahre lang der OCI angehört und unter Lamberts Leitung erfolgreich Karriere in der Sozialistischen Partei gemacht hatte. Er kam weder zur Beerdigung, noch reagierte er auf Zeitungsanfragen. Ein Teilnehmer kommentierte dies gegenüber Libération sarkastisch mit den Worten: "Da er zwanzig Jahre lang heimliches Mitglied war und zu einem wirklichen Freund des Alten wurde, hätte Lionel wirklich kommen können."
Der Tribut, den die FO-Bürokratie und führende Sozialisten dem verstorbenen Pierre Lambert zollen, unterstreicht, in welchem Maße die französische Elite seit den Erschütterungen vom Mai 1968 von der Unterstützung der OCI und anderen revisionistischen Kräften abhängig war. Die WSWS wird weiter zu diesen Fragen und ihren historischen und politischen Hintergründen schreiben, die enorme Lehren für die Kämpfe des 21. Jahrhunderts beinhalten.