Am letzten Tag der Urabstimmung über einen Streik beteiligten sich rund 12 000 Beschäftigte der Telekom an bundesweiten Protestaktionen und kurzfristigen Arbeitsniederlegungen. Die Streikvorbereitung richtet sich gegen den geplanten Konzernumbau und die damit verbundenen drastischen Einkommensverluste und Arbeitsplatzabbau.
Die Streikbereitschaft der Beschäftigten sei außerordentlich groß, gab ein Sprecher der Gewerkschaft Verdi bekannt. Bereits am 3. Mai hatten hunderte von Telekom-Beschäftigten die diesjährige Jahreshauptversammlung genutzt, um ihrer Wut über die Pläne des Konzernvorstandes Luft zu machen. Als Besitzer von Mitarbeiter-Aktien konnten sie sich Zutritt zum Konferenzsaal verschaffen. Die Rede des Vorstandsvorsitzenden René Obermann, in der er mehrmals von der Notwendigkeit einer drastischen Senkung der Personalkosten sprach, wurde immer wieder von ohrenbetäubenden Pfiffen und Zwischenrufen wie "Halsabschneider" unterbrochen.
Schon vor Wochen hatte der Telekom-Vorstand angekündigt, über 50.000 Arbeitsplätze in drei neu zu gründende Tochterunternehmen mit Namen "T-Service" auszugliedern, dabei die Löhne drastisch zu senken und die Arbeitszeit zu verlängern.
Konkret will die Telekom eine Lohnsenkung in Höhe von 9 Prozent bei einer gleichzeitigen Verlängerung der Wochenarbeitszeit von 34 auf 38 Stunden durchsetzen. Die Einstiegsgehälter sollen um 40 Prozent (!) auf 20.000 bis 22.000 Euro im Jahr abgesenkt werden. Gleichzeitig wird von einer Beschäftigungsgarantie bis zum Jahr 2011 gesprochen, was nichts anderes bedeutet, als dass die T-Service bereits in drei Jahren an den Meistbietenden verscherbelt werden soll.
Alles zusammengenommen geht es, wie Vertreter von Verdi einräumen, um eine Senkung der Einkommen von etwa 30 bis 40 Prozent.
Die Rücksichtslosigkeit, mit der der Telekom-Vorstand und ihr Vorsitzender Obermann - der von Beschäftigten auch "Bulldozer" oder "Dobermann" genannt wird - agiert, kennt man aus den USA. Dort ist seit Jahren gängige Praxis, was nun weltweit um sich greift. Investment-Gesellschaften und Hedge-Fonds kaufen Unternehmen, um sie auszuschlachten und dann weiter zu verkaufen oder dichtzumachen.
Eine solche Investment-Gesellschaft ist die Blackstone-Group, die Ende April 2006 einen 4,5 Prozent-Anteil an der Deutschen Telekom, von der bundeseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) erwarb. Seitdem ist sie drittgrößter Aktionär mit einem Sitz im Aufsichtsrat.
Dieses Geschäft ist direkt auf Initiative der schwarz-roten Regierung in Berlin zustande gekommen, sprich durch Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) persönlich eingefädelt worden. Die SPD betreibt somit selbst aktiv die Zerschlagung der Telekom und zehntausender Arbeitsplätze. Die Bundesrepublik Deutschland ist nach wie vor größter Anteilseigner der Telekom und mit 14,83 Prozent direkt und 16,87 Prozent indirekt durch die KFW beteiligt.
Die Blackstone-Group verfügt weltweit über Beteiligungen an etlichen Unternehmen in Industrie, Gesundheitswesen, Energie und Entsorgung, Medien- und Unterhaltungsbranche und Gastronomie.
In Deutschland hat sie große Wohnungsbestände von Wohnungsbaugesellschaften, zum Beispiel in Kiel, Wuppertal oder Mönchengladbach aufgekauft. Vertreten wird sie in Deutschland von Roland Berger (Unternehmensberatung) und Ron Sommer, der in der Zeit von 1995 bis 2002 selbst Vorstandsvorsitzender der Telekom war.
Seit dem Kauf der Telekom-Anteile treibt Blackstone die Umstrukturierung des Unternehmens heftig voran und hat sich für René Obermann als neuen Vorstandsvorsitzenden eingesetzt. Ziel ist es, alle unprofitablen Bereiche des ehemals bundeseigenen Unternehmens abzustoßen und nur die Filetstücke zu erhalten. Dabei sind die jetzigen Pläne erst der Anfang.
Medienberichte machen darauf aufmerksam, dass Konzern-Chef Obermann noch sehr viel weitergehende Pläne hat. Für große Teile der Sparte T-Systems, die unter anderem für die Geschäftskunden zuständig ist, soll ein Partner gefunden werden. Letztlich könnte die Telekom nur noch einen Minderheitsanteil an T-Systems halten. "Die Sparte würde nur noch als Finanzbeteiligung auftauchen - zehntausende Arbeitsplätze würden auf einen Schlag aus der Telekom-Bilanz verschwinden." (Netzeitung)
Seit das Unternehmen 1995 privatisiert und 1996 an die Börse ging, haben die Beschäftigten bereits sechzehn Umstrukturierungsmaßnahmen miterlebt bei denen insgesamt 120.000 Arbeitsplätze abgebaut worden sind. Immer wurde von "notwendigen Maßnahmen zur Verbesserung des Kundenservice" gesprochen, doch das genaue Gegenteil war der Fall. Bluten musste die Belegschaft - der Vorstand dagegen belohnte sich mit fürstlichen Gehältern und Tantiemen.
Ein Telekom-Techniker aus Berlin, hatte dies in seinem Protestbrief an den Vorstand treffend beschrieben und dabei vielen Kollegen aus der Seele gesprochen: "Sie kommen, strukturieren um, und das mit einer Arroganz und Selbstherrlichkeit, ohne auf warnende Hinweise zu hören, dass sich so die Qualität und die Zuverlässigkeit nicht mehr halten lassen kann, geschweige denn besser wird. Es kümmert sich auch niemand von ihnen um die Folgen ihrer Entscheidungen. Sie ziehen mit voll gestopften Taschen weiter, um im nächsten Unternehmen das Gleiche zu tun und sie hinterlassen skrupellos einen immer größer werdenden Scherbenhaufen."
Die Streikvorbereitungen leiten ein neues Stadium der Auseinandersetzung ein und stellen die Beschäftigten vor Aufgaben, die weit über einen traditionellen Arbeitskampf hinaus gehen. Die Tatsache, dass der Bund mit Abstand größter Anteilseigner ist und über eine Sperrminorität verfügt, macht deutlich, dass die geplanten Angriffe auf die Beschäftigten in direkter Zusammenarbeit mit der Bundesregierung vorbereitet wurden und nun durchgesetzt werden sollen.
Der Streik bedeutet also eine politische Konfrontation mit der Großen Koalition.
Die Gewerkschaft ist nicht bereit eine solche Auseinandersetzung zu führen. Nicht nur ist die große Mehrheit auch der Verdi-Funktionäre Mitglied der Regierungspartei SPD und hat bereits in der Vergangenheit alle Proteste in dem Moment abgebrochen, als sie die Große Koalition in Schwierigkeiten zu bringen drohten. Auch jetzt hat die IG Metall die Tarifauseinandersetzung in der Metall- und Elektroindustrie schnellstmöglich beendet, um zu verhindern, dass ein Streik in der Metallindustrie mit einem Streik im größten Dienstleistungsbetrieb zusammenkommt und daraus eine breite Bewegung gegen die Regierung der Großen Koalition entsteht.
Mit der Entscheidung für Streik haben die Telekom-Beschäftigten einen Kampf begonnen, der sich auch gegen die opportunistische Politik der Gewerkschaften richtet, die mit diesem Arbeitskampf nur Dampf ablassen wollen, um einem "Kompromiss" zuzustimmen, der die Abwärtsspirale bei Löhnen und Arbeitsbedingungen noch weiter antreibt.
Deutlicher als in vielen früheren Arbeitskämpfen stellt sich in dieser Auseinandersetzung die Notwendigkeit eines politischen Programms, das nicht auf das bestehende kapitalistische System beschränkt ist, sondern eine internationale, sozialistische Perspektive verfolgt.