Die französische "Linke" und das Referendum über die EU-Verfassung

"Hier zeichnet sich das gleiche Szenario ab wie am 21. April", kommentierte der Sprecher der Sozialistischen Partei Frankreichs, Julien Dray, das "Nein" zur EU-Verfassung, das sich in den französischen Meinungsumfragen immer deutlicher abzeichnet. Seither gibt diese Anspielung auf die Präsidentschaftswahlen 2002 den Ton an, wenn die Sozialistische Partei (SP) begründen will, warum man beim Volksentscheid vom 29. Mai über die EU-Verfassung mit "Ja" stimmen müsse. Am 21. April 2002 war der SP-Kandidat Lionel Jospin beim ersten Wahlgang ausgeschieden, weil er weniger Stimmen als der Neofaschist Jean-Marie Le Pen erhalten hatte.

"Wir sollten uns in Acht nehmen, damit wir nicht noch einmal mit einem Brummschädel aufwachen, wie nach einer gewissen Wahl", warnte der sozialistische Politiker Jack Lang. François Hollande, sein Chef, schlug in die gleiche Kerbe: "Am 21 April war jeder davon ausgegangen, dass die Wahl eh’ nichts ändern werde."

Die SP hat aus dem Wahldebakel von 2002 nur eine einzige Lehre gezogen: Sie nutzt es, um damit die Wählerschichten politisch unter Druck zu setzen, die sich von der offiziellen Linken abwenden. Es ist eine Linke, die - von Mitterrands Aufstieg zum Präsidenten 1981 bis hin zur Regierung der "Pluralen Linken" unter Lionel Jospin - der kapitalistischen Ordnung ihre bedingungslose Loyalität und der Sache der Arbeiter ihre Feindschaft erwiesen hat.

Dass die Sozialisten zum Mittel der Einschüchterung greifen, zeugt von der Panik, die sie ergriffen hat, weil ihre Kampagne für die EU-Verfassung bisher auf wenig Widerhall in einer Bevölkerung stößt, welche die Verfassungspläne des europäischen Großkapitals kaum zwei Monate vor dem Referendum mit wachsendem Misstrauen betrachtet.

Allianz auf höchster Ebene für ein "Ja"

Vor drei Jahren hatte der rechtsextreme Front National als Vorwand gedient, um den Wahlaufruf der Sozialistischen Partei für den erzkonservativen Jacques Chirac im zweiten Wahlgang zu rechtfertigen und eine Regierung zu legitimieren, die einen brutalen Angriff auf Renten, Bildung und Arbeitsplätze durchführen sollte.

Heute wird den Gegnern der EU-Verfassung eine "gewisse Form der Demagogie und des Populismus" unterstellt, wie sich Jack Lang geäußert hat, der die Opposition gegen den Verfassungsentwurf kurzerhand mit Ausländerfeindlichkeit gleichsetzt. "Das ‚Nein’", behauptet auch der sozialistische Abgeordnete von Seine-Saint-Denis, Bruno Le Roux, "führt zu einer Anpassung an Nationalismus und ‚Souveränismus’."

Die offizielle Linke geht nach demselben Muster vor wie im Jahr 2002: Man malt den Teufel der extremen Rechten an die Wand, um ein "republikanisches" Zusammenrücken zur Verteidigung der grundlegenden Interessen der französischen und europäischen Elite zu rechtfertigen.

Die Zusammenarbeit von Sozialistischer Partei und rechter Regierung, die für den 29. Mai beide ein "Ja" propagieren, bietet ein bemerkenswertes Schauspiel.

Nicolas Sarkozy, der Führer der Regierungspartei UMP, brüstet sich, er habe den steten Rückgang der "Ja" - Stimmen unter den konservativen Wählern eingedämmt, indem er ihre Befürchtungen, er trete für einen Eintritt der Türkei in die EU ein, zerstreut habe. Gleichzeitig fordert er die Sozialistische Partei auf, bei den "linken Wählern" das Ihre zu tun und "Verständnis dafür zu schaffen, dass die EU-Verfassung Schutz vor einem Europa der Märkte gewährt". Ironisch fügte er hinzu: "Man darf von mir aber nicht verlangen, dass ich die Kampagne der SP führe." Was ihn nicht daran hinderte, neben seinem sozialistischen Amtskollegen François Hollande auf der Titelseite von Paris-Match, der Pariser Zeitschrift der Reichen und Berühmten, zu posieren.

Die SP reagierte auf die ungünstigen Meinungsumfragen, indem sie ihre Appelle an die Rechte vervielfachte. Präsident Chirac müsse "als Unterzeichner den Vertrag vor den Franzosen verteidigen", sagte Hollande im Nachrichtensender LCI. Die Ankündigung von Ministerpräsident Raffarin, er werde sich persönlich für ein "Ja" einsetzen, wurde von der SP-Führung als eine "gute Sache" begrüßt. Wie die Tageszeitung Le Monde bemerkte, braucht Chirac "heute die sozialistischen Wähler eben so sehr, wie er ihnen 2002 seine Wiederwahl gegen Jean-Marie Le Pen verdankte".

Trotz aller Anspielungen auf die Wahl von 2002 geht man einer Untersuchung der unterschwelligen sozioökonomischen Verhältnisse und der Entfremdung der Bevölkerung vom politischen Establishment aus dem Weg, die eine Parallele mit der heutigen Situation rechtfertigen würden.

Lionel Jospin hatte im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahl von 2002 den Preis für die arbeiterfeindlichen Maßnahmen seiner Regierung der Mehrheitslinken bezahlt - unter anderem für eine Rekordzahl an Privatisierungen und für die Billigung der Verlängerung des Pensionsalters auf dem EU-Gipfel von Barcelona. Die Ablehnung dieser Politik, die von der Chirac-Raffarin-Regierung weitergeführt und verschärft wurde, nährt nicht nur die heutigen breiten sozialen Protestbewegungen, sondern auch die Opposition gegen die EU-Verfassung. Letztere wird im Bewusstsein der Bevölkerung zu Recht als gesetzliche Grundlage für die Privatisierungen, die Produktionsverlagerungen und die drastischen Kürzungen der Sozialausgaben aufgefasst, wie sie heute unter dem ständigen Druck der internationalen Finanzmärkte von sämtlichen Regierungen der Europäischen Union durchgeführt werden.

Auf den ersten Blick gibt es einen Unterschied zwischen der jetzigen Kampagne für die EU-Verfassung und dem zweiten Wahlgang der Präsidentenwahl vom 5. Mai 2002, bei dem sich die gesamte politische Klasse - mit Ausnahme der Parteigänger Le Pens, der 18 Prozent der Stimmen erhielt - hinter den Konservativen Jacques Chirac stellte. Im Gegensatz zu damals gibt es heute eine bedeutende Strömung, die dazu aufruft, die Verfassung am 29. Mai abzulehnen.

Ein Teil der Verfassungsgegner steht auf dem Standpunkt des nationalen Chauvinismus, wie er vom Front National oder den rechten sogenannten "Souveränisten" von Phillipe de Villiers (Mouvement pour la France) und Charles Pasqua (Rassemblement pour la France) vertreten wird. Der andere Teil wendet sie sich gegen den in der EU-Verfassung beinhalteten "Neoliberalismus". Diese Opposition besteht aus einer Minderheit der SP, den Stalinisten der KPF (Kommunistische Partei Frankreichs), der Antiglobalisierungsbewegung Attac und den Organisationen der sogenannten "extremen Linken", der Ligue Communiste Révolutionnaire (LCR), der Lutte Ouvrière (LO) und dem Parti des Travailleurs (PT).

Ein linkes "Nein"?

Die Wortführer der zweiten Gruppe haben sich vor der Parallele zu 2002 verwahrt, allen voran die Vertreter der LCR. "Hollande beschwört ständig das Risiko eines neuen 21. April, was für ihn ein Sieg des ‚Nein’ wäre", konnte man vor kurzem in ihrer Wochezeitung Rouge lesen. "In Wahrheit würde es sich um eine Umkehrung der Situation vom 5. Mai 2002 handeln, es wäre ein Schlag gegen die Rechten und Sozialliberalen."

Aber diese von der LCR behauptete "Umkehrung" besteht nur zum Schein, wie eine Analyse der Positionen, die von den Befürwortern des "Nein zum Neoliberalismus" vertreten werden, deutlich macht.

2002 haben diese Elemente entweder zur Wahl Chiracs aufgerufen, wie die LCR und die Globalisierungsgegner, oder sich, wie Lutte Ouvrière, an die "republikanische" Welle angepasst, indem sie dazu aufriefen, Wahlenthaltung zu üben und einen ungültigen Stimmzettel abzugeben. Sowohl die LCR wie auch LO haben einen aktiven Wahlboykott durch die extreme Linke abgelehnt, die im ersten Wahlgang ein Gesamtergebnis von zehn Prozent der Stimmen erreicht hatte. Eine solche Aktion war von der World Socialist Website als einzige Möglichkeit vorgeschlagen worden, die den französischen Arbeitern offen stand, um ihre politische Unabhängigkeit auszudrücken und sich auf die Angriffe vorzubereiten, die der Wahlsieg der Rechten unweigerlich nach sich ziehen würde.

Das "Nein von links", für das diese Elemente in der heutigen Referendums-Kampagne eintreten, zielt erneut darauf ab, einer unabhängigen Politik der Arbeiterklasse den Weg zu versperren.

Die Wut der Bevölkerung konzentriert sich auf die Verfassungsartikel, die die Mobilität des europäischen Kapitals und seine Fähigkeit begünstigen, billige Arbeitskräfte in den verarmten Ländern Osteuropas auszubeuten. Diese Maßnahmen werden nun als "neoliberaler" Missbrauch hingestellt, und nicht als der juristische Ausdruck der unaufhaltsamen Tendenz der Produktivkräfte, die veralteten Gefängnismauern des Nationalstaatensystems zu sprengen.

Diese Tendenz, die unter dem auf Privateigentum und Profit basierenden kapitalistischen System zerstörerische soziale Formen annimmt, beinhaltet gleichzeitig ein großes Potential für den sozialen Fortschritt. Dessen Verwirklichung hängt von der Fähigkeit der europäischen und internationalen Arbeiterklasse ab, als unabhängige politische Kraft einzugreifen und die beispiellose Integration der Weltwirtschaft und die Steigerung der Produktivität, die sie mit sich bringt, in den Dienst der gesamten Gesellschaft zu stellen.

Das ist der einzig tragfähige Standpunkt, den eine fortschrittliche Opposition einnehmen kann, wenn sie eine Alternative zu dem in der Verfassung vorgesehenen, politisch und militärisch integrierten kapitalistischen Europa aufzeigen will. Dieser Standpunkt ist in der Perspektive der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa enthalten und kann nur durch die Einheit der internationalen Arbeiterklasse im Kampf für den Sozialismus erreicht werden.

Eine solche Perspektive wird von den Anhängern des "linken Neins" abgelehnt. Sie trennen den "Neoliberalismus" vom Kapitalismus und schweigen über die objektiven Grundlagen der alten national-reformistischen, keynesianischen Politik, um die Illusion aufrechtzuerhalten, es sei möglich, die sozialen Errungenschaften beizubehalten und den Lebensstandard der arbeitenden Bevölkerung zu erhöhen, ohne das Profitsystem selbst in Frage zu stellen.

Sie schreien laut über die neoliberalen "Exzesse" der Europäischen Union, aber verlieren kein Wort über den Kern der Frage, dass diese "Exzesse" ein Ergebnis der Bemühungen der tonangebenden Kreise des europäischen Großkapitals unter Führung von Frankreich und Deutschland sind, die nach politischer Einheit streben, um auf dem ganzen Kontinent den Angriff auf die Arbeiterklasse zu verstärken und im erbitterten Kampf um die Kontrolle über die wichtigsten Märkte und Ressourcen des Planeten ein Gegengewicht zur amerikanischen Hegemonie zu schaffen.

Die Vertreter des "linken Neins" verurteilen die Verfassung, weil sie eine europäische Verteidigungspolitik im Rahmen der NATO vorsieht, dieser "von Washington kontrollierten Allianz", wie die LCR sich ausdrückt. Aber sie schweigen über den Aufbau einer europäischen, von den Vereinigten Staaten unabhängigen Interventionsstreitmacht.

Unter dem Vorwand, man müsse das "europäische Sozialmodell" vor den Auswüchsen des "angelsächsischen" Modells und der "amerikanischen Übermacht" retten, passt sich die offizielle Kampagne für ein "linkes Nein" an die Visionen des europäischen Imperialismus an, der dem amerikanischen Imperialismus historisch an Brutalität oder nackter Gier in nichts nachsteht.

Politisch versuchen die Anhänger des "linken Nein", die Opposition der Bevölkerung in den Schoß der SP zurückzuführen.

Politische Unterordnung unter die SP

Dies ist das ausdrückliche Ziel einer Minderheitsströmung innerhalb der Sozialistischen Partei, die den Konsens in der französischen politischen Elite aufgebrochen hat, selbst auf die Gefahr hin, sich mit dem Parteiestablishment zu überwerfen. Man drohte ihr mit Parteiausschluss, doch bezeichnenderweise wurden die Drohungen nicht wahr gemacht. Dabei geht es nicht allein um Reibereien zwischen Cliquen, die um ihre Aufstellung im Hinblick auf die nationalen Wahlen von 2007 rivalisieren. Wichtiger ist die Funktion der SP, die Opposition von unten aufzufangen. Sie könnte diese Funktion nicht erfüllen, würde sie nicht gewisse Gesten ihrer "linken Erkundungstrupps" tolerieren, die darauf abzielen, einer solchen Opposition zu schmeicheln, um sie besser neutralisieren zu können.

Die Erklärungen der wichtigsten Vertreter des "Nein"-Lagers innerhalb der SP sind in dieser Hinsicht unmissverständlich. "Wir haben den 21. April 2002 nicht vergessen: Wenn die Sozialisten nicht mehr in erster Linie auf der Linken sammeln, dann werden sie verlieren", erklärte der ehemalige Premierminister und hohe SP-Führer, Laurent Fabius, im November letzten Jahres, als er sich für das "Nein" zum EU-Vertrag in seiner Partei stark machte.

Henri Emmanuelli, ehemaliger Führer der Sozialistischen Partei und ebenfalls Vertreter des "Nein"-Lagers, bedauerte den Mangel an Fingerspitzengefühl der jetzigen Parteiführung, weil diese Mitglieder, die die "Parteidemokratie" verletzen, mit Sanktionen und Ausschluss bedroht hat. (Ein parteiinternes Referendum hatte im Dezember letzten Jahres eine Mehrheit für eine Zustimmung zur EU-Verfassung ergeben). Nostalgisch erinnerte er an François Mitterrand und erklärte: "Er kannte die Linke und verstand es, mit dem Proporzsystem eine große Partei zu schaffen. Mit der Mehrheitslogik bringt man die Partei in Gefahr."

Eine Analyse mit dem Titel "Der Krieg der Linken", die Ende März 2005 in der SP-nahen Wochenzeitschrift Nouvel Observateur erschien, pflichtet dem bei. "Die Regierungslinke kann Opfer einer Pendelbewegung werden" warnt der Verfasser. "Das Misstrauen gegenüber der SP kehrt zyklisch zurück." Dann macht er folgende wichtige Bemerkung: "Fabius ist offiziell aus der Reihe gestanzt, um den Bruch mit der radikalen Linken abzuwenden."

Ein weiterer Aspekt von Fabius’ Haltung verdient Beachtung: Er befürchtet, dass "unsere Bemühungen um ein mächtiges und solidarisches Europa" immer mehr zu einem "großen, nach allen Richtungen offenen und politisch geschwächten Markt" abgleiten. Dies schrieb er letzten Monat in einem Artikel für den Figaro, in dem er für eine "politische Organisation" Europas plädierte, die es diesem ermöglicht, "Einfluss auf das Weltgeschehen zu nehmen".

Anders ausgedrückt, der sozialistische Ex-Premier murrt gegen ein Verfassungsprojekt, das in seinen Augen zu schwach und zu halbherzig ist, um die Interessen des europäischen Großkapitals zu vertreten. Die Tatsache, dass ein Fabius oder seine Unterstützer sich im "linken Nein-Lager" wiederfinden, spricht Bände über die politische Umgruppierung, die von Kräften wie der LCR betrieben wird.

Attac und die Altermondialisten

Wie der Nouvel Observateur bemerkte, sind die "Altermondialisten" unter den Minderheitssozialisten stark vertreten. Attac, Vorreiterin der Altermondialisten-Bewegung, deren französischer Ableger politisch immer von der SP kontrolliert wurde, lässt in dieser Hinsicht keinen Zweifel offen. Erstmals greift der Verband offiziell in eine nationale Abstimmung ein und führt eine Kampagne gegen die EU-Verfassung.

"Diese Verfassung hat die Wegwendung von jeglicher sozialen Bestrebung zum Programm", erklärt der Vorsitzende von Attac, Jacques Nikonoff. Seit Jahren mache "Europa eine schwere wirtschaftliche, soziale und ökologische Krise durch", betonte er.

Dann formuliert er ausdrücklich die politische Perspektive, die die ganze Kampagne für ein "linkes Nein" am 29. Mai beseelt. "Diese Krise ist das direkte Ergebnis der politischen Entscheidungen, die von den Regierungen der Länder der Europäischen Union und der Europäischen Kommission getroffen wurden, die dem Wettbewerb und dem Markt den Vorrang vor jeder anderen Erwägung wie Kooperation, Solidarität und sozialer Gerechtigkeit geben."

Nikonoff leugnet jede objektive Grundlage der Krise des europäischen und weltweiten Kapitalismus, stellt dessen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswüchse und Auswirkungen auf die Umwelt als Konsequenz "schlechter politischer Entscheidungen" dar und posiert so ganz offen als Verteidiger des Profitsystems. Im Übrigen versucht er nicht zu verhehlen, dass seine Organisation mit der SP "im Geschäft" ist.

"Ein Sieg des ‚Neins’ wäre sicherlich Ansporn für die sozialen und gewerkschaftlichen Kämpfe (...) Dieser Sieg würde außerdem zu einer Klärung der Position der SP und der Grünen über die zentrale Frage unserer Epoche führen: die Frage des Liberalismus. Diese Klärung könnte zum Zeitpunkt der Präsidentschafts- und Parlamentswahl von 2007 zur Reife gelangen, so dass diese vielleicht nicht nur einen Austausch des Personals bringen, sondern eine echte Alternative."

Wenn er von einem eventuellen Sieg der SP im Jahr 2007 als einer "Alternative" spricht, kümmert sich Nikonoff natürlich nicht um solche "Kleinigkeiten" wie die Erfahrung mit der letzten sozialistischen Regierung von Lionel Jospin, die dazu beitrug, die Angriffe auf die Arbeiterklasse durchzuführen, oder das kürzlich publizierte "Projekt 2007" der Sozialistischen Partei, in dem zu lesen ist: " Die Sozialisten schlagen keinen Bruch mit der Marktwirtschaft oder Ausstieg aus der Globalisierung vor. Diese hat sich in der Praxis erwiesen, und man muss damit leben."

Die "extreme Linke"

Attac ist eine der politischen Organisationen, die von der LCR als Teil ihres Projektes einer großen "antikapitalistischen" Sammelpartei hofiert werden, und mit denen sie eine gemeinsame Kampagne für das "Nein" zur "neoliberalen" Verfassung führt.

Die Minderheit in der SP ist ein weiteres politisches Feld, das von der LCR beackert wird. Christian Piquet, ein führendes LCR-Mitglied, hat kürzlich an einer gemeinsamen Veranstaltung mit der KPF in Paris teilgenommen, die im Rahmen der Kampagne für das "Nein" stattfand. Er saß neben dem SP-Senator Jean-Luc Mélanchon, der seit Anfang der Referendums-Kampagne innerhalb der SP am lautesten für eine Ablehnung eintritt.

Picquets Beitrag gipfelte in den Worten: "Am 29 Mai muss man Chirac sagen: ‚Zwanzig Jahre sind genug!’". Das "linke Nein" , das von der LCR in radikalem Ton versprochen wird und das seit Wochen im Zentrum ihres politischen Handelns steht, ist also letzten Endes nicht mehr als eine Proteststimme gegen Chirac.

Die wichtigste politische "Beute" aber, die sich die LCR erhofft, ist der sterbende Überrest des französischen Stalinismus, die heutige KPF. Der langjährige Führer der LCR, Alain Krivine, drückte sein Bedauern darüber aus, dass "die Nationalsekretärin [der KPF] bis jetzt ihre Auftritte ausschließlich auf KPF-Veranstaltungen beschränkt, auch wenn diese anderen Kräften, darunter auch der LCR, offen stehen".

Krivine bedauert insbesondere die Anwesenheit von Elementen in der KPF-Führung, "die jegliches ‚Minderheitsbündnis’ mit der LCR ablehnen und alles tun, um eine Allianz mit der SP in der Zukunft nicht zu verbauen, was sie mit der Formel erklären, es gebe nicht nur rechte Argumente für ein ‚Ja’."

Es könnte nicht klarer sein: Die LCR rennt der KPF nach, die ihrerseits nur daran denkt, "eine Allianz mit der SP in der Zukunft nicht zu verbauen". Auf einem etwas gewundeneren Weg als Attac gelangt am Ende auch die LCR zum selben Ziel: in den politischen Umkreis der Sozialistischen Partei.

Was Lutte Ouvrière betrifft, so ist ihre Position zum Referendum vom 29. Mai von der gleichen politischen Passivität beherrscht, die sie schon im zweiten Wahlgang der letzten Präsidentschaftswahl an den Tag legte. Handeln die Arbeiter politisch, so ist dies nach Ansicht der LO reaktionär. In einem Leitartikel der Zeitung, dessen Namen die Organisation trägt, schrieb Arlette Laguiller am 18. März:

"Während und nach den Demonstrationen vom 10. März wurde gesagt, man müsse deren Erfolg in einen Erfolg des ‚Nein’ im Referendum verwandeln. Wer so etwas sagt, verrät die Interessen der Arbeiter. Die steigende Unzufriedenheit darf nicht in Richtung der Wahlurnen geleitet werden. (...) In den Betrieben und auf der Straße sind wir stark."

Die dritte Gruppe, die sich neben der LCR und LO in Frankreich auf den Trotzkismus beruft, der Parti des Travailleurs, nimmt zum anstehenden Volksentscheid eine politisch abscheuliche Haltung ein.

Ihr Generalsekretär, Daniel Gluckstein, schrieb dazu auf der Titelseite der Parteizeitung Informations Ouvrières vom 10. März: "Der Parti des Travailleurs setzt sich dafür ein, dass all jene, die heute aktiv für Forderungen kämpfen, verstehen, dass die Europäische Union der Ursprung der Angriffe ist, deren Opfer sie sind, und dass man den europäischen Vorschriften Einhalt gebieten muss, wenn ihre Forderungen erfüllt werden sollen."

Seit ihrer Ausgabe vom 23. Dezember 2004 posaunt Informations Ouvrières unaufhörlich: "Für die Ablehnung der EU-Verfassung! Für ein Europa der freien Völker und der souveränen Nationen. Nein zur Regionalisierung. Nein zur erzwungenen Gemeinsamkeit. Nein zu den Privatisierungen. Verteidigt den Öffentlichen Dienst. Verteidigt die 36.000 Kommunen. Verteidigt die einige, unteilbare und laizistische Republik. Befreien wir uns vom Joch der Europäischen Union! Freie und brüderliche Einheit der Völker Europas!"

Durch diese stark nationalistisch anmutenden Parolen vollzieht die PT einen Schritt in Richtung der rechten und ultra-rechten Gegner der EU-Verfassung. Sie spielt den Bemühungen der französischen und europäischen Eliten in die Hände, die versuchen, jede Opposition zu ihrem Verfassungsprojekt eines "starken" kapitalistischen Europas zu diskreditieren, indem sie sie als etwas hinstellen, das ausschließlich von einem bornierten, nationalistischen Standpunkt getragen wird.

Auf die PT trifft dies ganz offensichtlich zu. Aber der gleiche reaktionäre Nationalismus bestimmt, wenn auch in verschleierter Form, die Position, die von der LCR, Attac und Konsorten eingenommen wird. Diese Kräfte verbreiten die Illusion, dass der nationale Staat bei ausreichendem politischen Willen immer in der Lage sei, das globale Finanzkapital zu kontrollieren und ihm Zugeständnisse abzutrotzen, die den Erhalt eines "sozialen Europas" sicherstellen, ohne dass man seine kapitalistischen Grundlagen antastet.

Die Opposition der französischen und europäischen Arbeiter zur Europäischen Union muss eine völlig andere politische Orientierung haben, eine internationalistische Orientierung: Sie muss für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa und einen gemeinsamen Kampf mit der amerikanischen und der Weltarbeiterklasse gegen den globalen Kapitalismus und für den Sozialismus eintreten.

Siehe auch:
Nach den Massenprotesten vom 10. März: Französische Regierung und Opposition befürworten "Ja" zur EU-Verfassung
(24. März 2005)
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