Diskussionsveranstaltung in Dublin:

WSWS-Chefredakteur David North verurteilt den Irakkrieg

Die Philosophical Society am Trinity College in der irischen Hauptstadt Dublin hielt am 14. Oktober ihre jährliche Diskussionsveranstaltung zur amerikanischen Außenpolitik ab. Die These, die vor einem Publikum von mehr als 200 Menschen debattiert wurde, lautete: "Diese Versammlung ist der Überzeugung, dass Amerika weiterhin der Wahrer des Weltfriedens ist."

Der Chefredakteur der World Socialist Web Site David North, der von der Philosophical Society als Redner eingeladen worden war, wandte sich in seiner Rede gegen diese These und den damit verbundenen Resolutionsvorschlag. Andere Sprecher, die die Resolution ablehnten, waren der irische Senator David Norris, der nationale Sekretär der Socialist Equality Party in Großbritannien Chris Marsden und der Auslandsredakteur der britischen Tageszeitung Independent Leonard Doyle.

Sprecher, die die These und Resolution unterstützten, waren John Micklethwait, der Amerikaredakteur des Londoner Magazins Economist , Richard Aldous, ein Historiker und Spezialist für internationale Beziehungen am University College in Dublin, und Paul MacDonald von der Open Republic Institution. Nach den Redebeiträgen sprach sich das Publikum in seiner überwältigenden Mehrheit gegen die Resolution aus.

Wir dokumentieren im Folgenden den Beitrag von David North.

Zunächst möchte ich der Philosophical Society für die Einladung danken, an dieser Debatte zur Außenpolitik der Vereinigten Staaten teilzunehmen. Ich begrüße diese Gelegenheit, im Namen jener vielen Millionen Amerikaner zu sprechen, die die Besetzung des Iraks unversöhnlich ablehnen, die die Bush-Regierung und alles, wofür sie steht, verabscheuen und die zutiefst beschämt sind angesichts dessen, was die US-Regierung in Namen des amerikanischen Volkes getan hat und tut.

Eine unüberbrückbare moralische Kluft trennt das politische Establishment, das vom imperialistischen Größenwahn berauscht ist, von den Millionen Menschen der Arbeiterklasse, die den Krieg hassen, kein Teil eines amerikanischen Reiches sein wollen, niemanden töten oder unterwerfen wollen, kein finanzielles Interesse an den Ölfeldern des Mittleren Ostens und Zentralasiens haben und in ihrem Herzen an die Worte Lincolns glauben - dass das Recht die Grundlage der Macht sein sollte und nicht umgekehrt.

Die These, die dieser Versammlung vorgelegt wurde, "dass die Vereinigten Staaten weiterhin die Wahrer des Weltfriedens sind", stellt die internationale politische Wirklichkeit auf den Kopf. Die Vereinigten Staaten einen "Friedenswahrer" zu nennen ist ungefähr so, wie einen Bestatter als "Spezialisten für die Verbesserung des Lebens nach dem Tod" zu bezeichnen.

Der amerikanische Imperialismus ist in seinem Streben nach globaler Vorherrschaft der Hauptanstifter von Gewalt, Ausbeutung und Unmenschlichkeit in der heutigen Welt. Seine Außenpolitik hat den Charakter eines gewaltigen internationalen kriminellen Unterfangens angenommen. Während sie einen Krieg gegen den Terrorismus verkünden, sind die Vereinigten Staaten zur einzigen Nation weltweit geworden, deren Staatschef öffentlich und offiziell den Terrorismus zur Grundlage der strategischen Doktrin seiner Regierung erklärt hat. Dies ist die wesentliche Bedeutung von Präsident Bushs Erklärung vom September 2002, in der er den "Präventivkrieg" zur Doktrin erhob.

Das Wort "Terrorismus" hat eine komplexe Geschichte und ist zu verschiedenen Zeiten auf verschiedene Weise politisch benutzt worden. Aber wenn wir diesen Begriff in seinem weitesten und allgemeinen modernen Sinn gebrauchen - als vorsätzlichen und illegalen Einsatz von Gewalt (oder Androhung von Gewalt) gegen andere Staaten oder ihre Bevölkerung, um bestimmte strategische politische und wirtschaftliche Ziele zu erreichen; als das vorsätzliche Töten und Zufügen schrecklicher Verletzungen unter dem Kalkül, andere Staaten und ihre Zivilbevölkerung einzuschüchtern, in Angst zu versetzen und dazu zu zwingen, den Forderungen der Terrorausübenden nachzugeben - dann ist die höchste und schrecklichste Form des Terrorismus der Krieg selbst.

Von diesem Standpunkt aus stellen die Doktrin des Präventivkriegs und ihre erste Anwendung in Form der Besetzung und Unterwerfung des Iraks einen gefährlichen historischen Rückschritt dar - weg von den Prinzipien des Völkerrechts, das in Reaktion auf die blutigen Ereignisse der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts etabliert wurde, hin zu einer Wiederbelebung der Art von imperialistischen Verbrechen, wie sie einst das Nazireich beging.

Im neunzehnten Jahrhundert war die Diplomatie und Militärpolitik der Großmächte von Clausewitz’ Diktum geleitet, dass der Krieg seinem Wesen nach eine Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln sei. Doch nach dem Ersten Weltkrieg konnte die Verwandlung Europas in ein Schlachthaus nicht einfach als eine andere Form der Politik bezeichnet werden. Es kam der Begriff der Kriegsschuld auf: Regierungen konnten für einen Angriffskrieg verantwortlich gemacht und zur Rechenschaft gezogen werden. Man begann, den Rückgriff auf Krieg zur Erlangung strategischer geopolitischer und wirtschaftlicher Ziele - das heißt für andere Zwecke als die Selbstverteidigung im striktesten Sinne des Wortes - im Völkerrecht als Verbrechen zu betrachten, das nicht auf der Grundlage der traditionellen und konventionellen "Staatsräson" gerechtfertigt werden konnte.

Der nächste große Schritt zur Ächtung des Angriffkriegs war der berühmte Vertrag über Kriegsverzicht, der unter dem amerikanischen Außenminister Frank Kellogg im Jahre 1928 ausgehandelt wurde. Der Kellogg-Briand-Pakt erklärte seine Verletzung nicht zu einer strafbaren Handlung, und die Alliierten waren nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs entschlossen, diese Schwachstelle zu korrigieren. Artikel 6(a) der Charta des Internationalen Militärtribunals, auf die sich die Nürnberger Prozesse gegen die Naziführer stützten, definierte als "Verbrechen gegen den Frieden": "Planen, Vorbereitung, Einleitung oder Durchführung eines Angriffskrieges oder eines Krieges unter Verletzung internationaler Verträge, Abkommen oder Zusicherungen oder Beteiligung an einem gemeinsamen Plan oder an einer Verschwörung zur Ausführung einer der vorgenannten Handlungen."

Das Internationale Tribunal erklärte darüber hinaus, dass "Krieg im Wesentlichen etwas Böses ist. Seine Folgen beschränken sich nicht nur auf die kriegsführenden Staaten, sondern sie treffen die ganze Welt. Einen Angriffskrieg einzuleiten ist daher nicht nur ein internationales Verbrechen, es ist das größte internationale Verbrechen und unterscheidet sich von anderen Kriegsverbrechen insofern, als dass es die Summe des gesamten Bösen in sich enthält."

In den Jahren 1945/46 waren die Vereinigten Staaten die nachdrücklichsten Befürworter der These, dass das Einleiten eines Angriffskriegs ein Verbrechen darstellt. Der Oberste Richter Robert Jackson, der als Hauptankläger der Vereinigten Staaten fungierte, erklärte, dass die Rechtsprinzipien der Nürnberger Prozesse von universeller Gültigkeit seien. Er bestand darauf, dass "wenn bestimmte Verstöße gegen ein Abkommen ein Verbrechen darstellen, ist dies sowohl der Fall, wenn die Vereinigten Staaten sie begehen, als auch wenn Deutschland sie begeht. Wir sind nicht bereit, kriminelle Verhaltensregeln gegen andere festzulegen, deren Anwendung wir nicht auch gegen uns zulassen würden."

Vieles hat sich verändert, seit diese Worte gesprochen wurden. Die Verkündung der Doktrin des Präventivkriegs im September 2002 und ihre Anwendung im März 2003 mit dem Beginn eines Angriffskriegs gegen den Irak stellen nichts Anderes dar als den unwiderruflichen Bruch der Vereinigten Staaten mit den Rechtsprinzipien, die gegen die Nazi-Rädelsführer in Nürnberg angewandt wurden, und somit die Kriminalisierung, im vollen und juristischen Sinn des Wortes, der amerikanischen Außenpolitik.

Die Nationale Sicherheitsstrategie, die von der Bush-Regierung am 17. September 2002 verkündet wurde, spricht den Vereinigten Staaten das Recht zu, unilaterale militärische Aktionen gegen ein anderes Land zu ergreifen, ohne glaubhafte Beweise dafür vorlegen zu müssen, dass sie zur Selbstverteidigung handeln, wie sie im Völkerrecht definiert wird. Diese allumfassende Befugnis zum Rückgriff auf Gewalt, wie und wann es den Vereinigten Staaten gefällt, wird mit einer lose zusammengewürfelten Sprache gerechtfertigt, die nicht einmal einer flüchtigen Analyse standhält: "Wir müssen vorbereitet sein, Schurkenstaaten und ihre terroristischen Klienten zu stoppen, bevor sie in der Lage sind, mit Massenvernichtungswaffen zu drohen oder sie gegen die Vereinigten Staaten und unsere Alliierten und Freunde zum Einsatz zu bringen."

Wer bestimmt, was ein "Schurkenstaat" ist? Ist das jeder Staat, der direkt oder indirekt amerikanische Interessen gefährdet? Der Anspruch auf das Recht, militärische Handlungen gegen "Schurkenstaaten" vorzunehmen, bevor sie in der Lage sind mit Massenvernichtungswaffen zu drohen oder sie einzusetzen, kann nur heißen, dass die Vereinigten Staaten für sich das Recht geltend machen, jeden Staat anzugreifen, den sie als potenzielle Bedrohung verstehen. Die Definition von "Bedrohung", die keine offene Handlung gegen die Vereinigten Staaten verlangt sondern lediglich die Möglichkeit, irgendwann in der Zukunft eine Gefahr darstellen zu können, bringt buchstäblich jedes Land der Welt auf die Liste potenzieller Angriffsziele. Tatsächlich spricht das Dokument nicht nur von "Feinden" sondern auch von "potenziellen Widersachern". Ein potenzieller Widersacher ist jedes Land, das sich der globalen Vorherrschaft der Vereinigten Staaten irgendwann entgegenstellen könnte oder hierbei in irgendeiner Form als Hindernis gesehen wird. Auf wie viele Länder trifft das sehr allgemeine Kriterium zu, das die Regierung der Vereinigten Staaten anführt, um "potenzielle Widersacher" zu identifizieren? Genauso gut könnte man fragen, wie viele Länder es auf der Welt gibt.

Länder, die im Namen eines "Kriegs gegen den Terrorismus" plötzlich zur Zielscheibe eines Angriffs werden können, sind keineswegs nur unter den "üblichen Verdächtigen" im Nahen und Mittleren Osten und Zentralasien zu finden. Ein jüngst erschienenes Buch, das von einem ehemaligen engen Berater Bushs hoch gelobt worden ist, erhebt den folgenden reißerischen Vorwurf: "Die nackte Wahrheit ist, dass Kanada seit den frühen 1980-er Jahren zu einem Ursprungsland des internationalen Terrorismus geworden ist. [...] Kanada versorgt die weltweit tödlichsten Bewegungen religiöser, ethnischer und politischer Extremisten mit sicherem Unterschlupf, Geld, Propaganda, Waffen und Fußsoldaten, wodurch sich dieses Land in eine Basis des internationalen Terrors verwandelt hat." Und ihr habt wahrscheinlich gedacht, dass der Film Canadian Bacon nur ein Witz war!

Die Behauptungen der amerikanischen Regierung, bei ihrem Angriff auf den Irak handele es sich um Selbstverteidigung, waren in jeglicher Hinsicht unglaubwürdig und rechtlich schon gar nicht haltbar. Sie war ebenso aus der Luft gegriffen wie die Scheinerklärungen der Nazis, als die Wehrmacht am 1. September 1939 in Polen einmarschierte.

Wir alle wissen heute, dass alle Behauptungen der Vereinigten Staaten über die irakische Massenvernichtungswaffen nichts als Lügen waren. Aber es muss hervorgehoben werden, dass selbst wenn der Irak solche Waffen besessen hätte, dies allein und für sich genommen nach dem Völkerrecht keine Invasion im Irak gerechtfertigt hätte.

Die Folgen dieses Krieges sind fürchterlich. Städte und Dörfer werden von amerikanischen Kriegsflugzeugen und Kampfhubschraubern beinahe täglich bombardiert und unter Beschuss genommen. Seit Beginn der Invasion wurden mehr als 30.000 Iraker und 1.000 amerikanische Soldaten getötet. Niemand weiß, wie viele Zehntausende Iraker darüber hinaus verwundet und verstümmelt worden sind. Die Bush-Regierung und das Pentagon interessieren sich nicht einmal für diese Zahlen.

Unweigerlich hat der verbrecherische Entschluss, Krieg gegen den Irak zu führen, weitere Verbrechen nach sich gezogen, so wie die brutale Behandlung irakischer Bürger im Gefängnis Abu Ghraib. Nach internationalem Recht sind die Urheber des Irakkriegs voll verantwortlich für die kranke, sadistische und perverse Misshandlung irakischer Bürger.

Es gibt einen weiteren Aspekt des Völkerrechts, wie es aus Nürnberg hervorgegangen ist, der von höchster Relevanz ist, wenn es um die juristische Feststellung von Schuld derjenigen amerikanischen Entscheidungsträger geht, die den Krieg gegen den Irak zu verantworten haben. Ein Verbrechen gegen den Frieden ist eine kriminelle Handlung. Aber um ein Verbrechen handelt es sich erst dann, wenn die Tat von einer kriminellen Absicht geleitet ist. Es muss festgestellt werden, dass der Angriffskrieg vorsätzlich unternommen wurde.

Wenn die juristischen Prozesse zum Irakkrieg schließlich stattfinden - und dieser Tag wird kommen -, dann wird es möglich sein nachzuweisen, dass der Krieg gegen den Irak von hohen Vertretern des amerikanischen Staates geplant und eingeleitet wurde, um langfristige geostrategische politische, wirtschaftliche und militärische Ziele zu erreichen, die vollkommen unabhängig von den Scheinargumenten der Selbstverteidigung waren, die später vorgebracht wurden, um irgendeinen, wenn auch fadenscheinigen, rechtlichen Deckmantel zu liefern. Unter anderem hat der stellvertretende Verteidigungsminister Paul Wolfowitz eine lange Papierspur hinterlassen, mit der sich sein jahrzehntelanges, glühendes Eintreten für Gewalt als Mittel zur Sicherung der strategischen Dominanz der Vereinigten Staaten unwiderleglich belegen lässt.

Was den Irak betrifft, so schrieben Herr Wolfowitz und seine Kollegen vom mittlerweile berüchtigten Project for a New American Century am 26. Januar 1998 einen Brief an Präsident Clinton, in dem sie für den Einsatz militärischer Gewalt zur Absetzung von Saddam Hussein eintraten.

Präsident Bush, Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und sein Stellvertreter Wolfowitz könnten die ziemlich abgegriffene Phrase benutzen, dass "der 11. September alles verändert hat", und argumentieren, dass neue Bedingungen den Rückgriff auf Krieg rechtfertigten etc. Wie Richter Jackson vor 58 Jahren sehr gut erklärte, sollten solche Behauptungen den Historikern überlassen werden, die sich für Fragen der politischen und strategischen Motivation interessieren. Aber sie haben keinen Platz im Völkerrecht, das das Planen und Einleiten eines Angriffskriegs für illegal erklärt.

Ich fordere diese Versammlung auf, die Resolution abzulehnen. Die von Ihnen getroffene Entscheidung ist von enormer politischer und moralischer Bedeutung. Ob die Rechtfertigung im Namen des "Lebensraums" oder des Geschwätzes von "nationaler Sicherheit" geschieht - die Menschheit darf nicht die Rückkehr zur imperialistischen Barbarei tolerieren, für die die Invasion im Irak durch die Vereinigten Staaten ein schreckliches Omen ist.

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