Nur fünfzig Tage nach Amtsantritt lässt die neue rechtsbürgerliche Regierung in Dänemark, eine Minderheitskoalition aus Liberaler Venstre und Konservativer Volkspartei, die im Parlament von der extrem ausländerfeindlichen Dänischen Volkspartei (DVP) gestützt wird, die schlimmsten Befürchtungen wahr werden.
Nachdem vor allem Venstre und DVP den Wahlkampf mit dem Schüren dumpfer fremdenfeindlicher Stimmungen bestritten hatten, gab der zuständige Minister für Flüchtlinge, Einwanderung und Integration, Bertel Haarder (Venstre) am 17. Januar Gesetzentwürfe bekannt, die eine drastische Verschlechterung und Verschärfung der Lage von Flüchtlingen und Einwanderern bringen werden.
Die Regierung macht keinen Hehl daraus, dass es ihr darum geht, "die Zahl der nach Dänemark kommenden Flüchtlinge zu begrenzen und höhere Anforderungen an die Selbstversorgung zu stellen". Haarder machte die wirtschaftlich begründeten Motive der Regierung unverhüllt deutlich, als er sagte: "Die Ausländer sind heute eine Last für die Gesellschaft. Sie kosten mehr, als sie einbringen. Das muss sich ändern."
Dazu passt, dass die Regierung an einem Punkt auch Erleichterungen bei der Einwanderung plant. Durch die Einführung einer Green Card möchte sie gerne fähige Köpfe aus dem Ausland zur Stärkung des eigenen Wohlstands ins Land holen. Das veranlasste die deutsche Tageszeitung taz zu der Bemerkung: "Alle, die keine weißen, christlichen Computerexperten mit fließenden Dänischkenntnissen sind, sollten sich am besten erst gar nicht blicken lassen."
Im Einzelnen sind folgende Regelungen vorgesehen:
Entscheidendes Mittel zur Senkung der Zahl neu ins Land kommender Asylbewerber soll nach Angaben Haarders die Streichung des Begriffs De-facto-Flüchtling sein. Unter dieser Kategorie wurde bisher vielen Asylbewerbern Aufnahme gewährt, die in den meisten anderen EU-Ländern keine Chance dazu erhielten. "Dies bedeutet eine wesentliche und prinzipielle Verschärfung der Bedingungen, nach denen Asyl gewährt wird, die nach Ansicht der Regierung nötig ist," heißt es in dem zehnseitigen Konzept der Regierung. Es soll auch verhindert werden, dass Flüchtlinge zu Einwanderern werden. Anders als bisher sollen sie nach drei Jahren kein dauerhaftes Aufenthaltsrecht mehr bekommen, sondern in der Regel wieder in ihr Heimatland zurückkehren müssen.
Ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht gibt es künftig frühestens nach sieben Jahren. Außerdem unterliegen Flüchtlinge Reisebeschränkungen. Wer zu Besuch in seine alte Heimat fährt, läuft Gefahr, seine Aufenthaltsberechtigung aberkannt zu bekommen.
Der Erwerb der dänischen Staatsbürgerschaft soll erschwert werden. Er soll erst nach acht Jahren regulären Aufenthalts in Dänemark möglich sein. Weitere Voraussetzung ist das Erlernen der dänischen Sprache und der Besuch von Integrationskursen. Außerdem dürfen keine Sozialleistungen in Anspruch genommen werden.
Abgelehnte Asylbewerber sollen innerhalb eines Tages abgeschoben werden, unabhängig von möglichen juristischen Anfechtungen des Ablehnungsbescheids.
Eine weitere wichtige Maßnahme, die von zahlreichen Kritikern als Verletzung internationaler Normen angesehen wird, besteht darin, den Nachzug von Ehepartnern nur dann zu erlauben, wenn beide Partner älter als 24 Jahre sind. Weitere Bedingung ist auch hier, dass keine Sozialhilfe in Anspruch genommen werden darf. Eltern, die älter als 60 Jahre sind, dürfen gar nicht mehr nachgeholt werden.
Die Sozialhilfe für Flüchtlinge und Einwanderer soll drastisch gekürzt werden. Erst nach siebenjährigem Aufenthalt im Lande bestünde dann Anspruch auf den vollen Satz. Arbeitsminister Claus Hjort Frederiksen verteidigte diesen Vorschlag mit den Worten: "Nach Dänemark kommende Ausländer sollen von Anfang an wissen, dass von ihnen erwartet wird, Arbeit zu finden. Dies ist nicht das Land, wo Milch und Honig fließt, wo man einfach unter den Palmen liegen und das Leben genießen kann. Diese neuen Vorschläge sollen für jeden Anreiz sein, auch eine Niedriglohnarbeit anzunehmen."
Diese Äußerungen sind geradezu zynisch angesichts der Tatsache, dass kaum ein Arbeitsmarkt in Europa so stark gegen Ausländer abgeschottet ist, wie der dänische. Selbst in Dänemark aufgewachsene und fließend dänisch sprechende farbige Jugendliche mit "fremden" Namen haben kaum Chancen, eine Lehrstelle oder einen Arbeitsplatz zu finden.
Auf einen weiteren Aspekt dieser Argumentation wies der Generalsekretär des dänischen Flüchtlingsrats, Andreas Kam, hin: Wenn durch eine Senkung der Sozialhilfe mehr Leute dazu bewegt werden können, zu arbeiten, warum sollte der gleiche Maßstab dann nicht über kurz oder lang auch an Dänen angelegt werden.
Ihre Offensive gegen demokratische Grundrechte von Einwanderern und Flüchtlingen will die Regierung noch durch das finanzielle Austrocknen ihrer Kritiker flankieren. Zahlreichen Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen will die Regierung die finanzielle Unterstützung kürzen oder ganz streichen. Betroffen ist auch das renommierte Internationale Menschenrechtszentrum, das in der Vergangenheit den guten Ruf Dänemarks im Kampf für Menschenrechte begründete. In einem Brief an Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen kritisierte die UN-Menschrechtskommissarin Mary Robinson diese Entscheidung: "Sie wird vermutlich von weniger demokratischen Regierungen in anderen Teilen der Welt als willkommener Anlass genommen werden, die Menschenrechtsarbeit zu erschweren."
Die sozialdemokratische Opposition kritisiert die geplante Aktion als ideologischen Feldzug und als "Massaker", und sie wird dabei von einer Reihe von Wissenschaftern unterstützt. Der Regierung gehe es weniger ums Geldsparen als darum, selbst die volle Kontrolle über sämtliche gesellschaftlichen Bereiche übernehmen zu können, heißt es. Ein Teil der unabhängigen Kommissionen, Experten-, Analyse- und Lobbygruppen stelle heute für die Regierung ein unkontrollierbares Kritikpotenzial dar, das sie loswerden wolle. Das Manöver sei eine Mixtur aus Thatcherismus und McCarthyismus, meinte ein Sprecher der Sozialdemokraten.
Die Vorsitzende der fremdenfeindlichen DVP, Pia Kjaersgaard, deren Stimmen dem Gesetzespaket im Parlament zur Mehrheit verhelfen dürften, begrüßte die Vorschläge enthusiastisch und bezeichnete sie als "einen Meilenstein" und "wichtigen Tag in der Geschichte Dänemarks". Kein Wunder, wenn das eigene Programm verwirklicht wird, ohne dass man selbst an der Regierung ist.
Bei Flüchtlingsorganisationen, Oppositionspolitikern und auch im Ausland trafen die Pläne der Regierung, an denen auch die rechtsnationalistischen Regierungen in Wien und Rom ihre Freude haben werden, dagegen auf scharfe Kritik. Von "einem Stacheldrahtzaun, der um Dänemark gelegt wird", ist die Rede. Die Schwedische Integrationsministerin Mona Sahlin nannte die dänischen Vorschläge "beschämend".
Die Sprecherin der sozialliberalen Radikalen Venstre, Elisabeth Arnold, bezeichnete die Vorschläge als "fremdenfeindlich", während Ritt Bjerregard von den Sozialdemokraten sie "ziemlich abstoßend" nannte. Ihre Parteifreundin Britta Christensen, Bürgermeisterin einer Vorstadt von Kopenhagen sagte. "Das ist voller Ungeheuerlichkeiten mit einem erschreckenden Menschenbild als Basis."
Die Kritik der Sozialdemokraten wäre allerdings glaubwürdiger, wenn sie nicht während ihrer Regierungszeit bis zur Wahl vor zwei Monaten an dem gleichen Menschenbild gearbeitet hätten. So wollte schon die damalige Innenministerin Karen Jespersen straffällige Asylbewerber auf einer einsamen Insel internieren und bekannte, niemals in einer multikulturellen Gesellschaft leben zu wollen. Und der sozialdemokratische Ministerpräsident Poul Nyrup Rasmussen hatte seinen Mitbürgern versichert, dass sich die Dänen unter seiner Regierung nicht mehr "wie Fremde im eigenen Land fühlen müssten" und dass Dänemark unter keinen Umständen ein multi-ethnisches Land werde.
Allerdings fällt die Kritik der Sozialdemokraten auch recht nuanciert aus. Einiges an den Vorschlägen sei gut, anderes hingegen inhuman. Immerhin hatten die Sozialdemokraten im Wahlkampf, der von der Ausländerpolitik geprägt war, schon selbst eine restriktivere Asylpolitik eingeführt.