Einen schweren Einbruch haben die dänischen Sozialdemokraten unter ihrem seit 1993 amtierenden Ministerpräsidenten Poul Nyrup Rasmussen bei der vorgezogenen Parlamentswahl am Dienstag erlitten. Sie verloren 6,2 Prozent der Stimmen und stehen jetzt bei 29,2 Prozent nach 35,9 Prozent bei der letzten Wahl 1998. Sie sind von 63 auf 52 Sitze zurückgefallen.
Sie verlieren damit die Macht an die größte Oppositionspartei, die rechtsliberale Venstre, die unter ihrem Vorsitzenden Anders Fogh Rasmussen 7,2 Prozent hinzu gewann und auf 31,2 Prozent der Stimmen und 56 Sitze (+14) kam. Fogh Rasmussen strebt eine Koalition mit der Konservativen Partei an, die sich leicht auf 9,1 Prozent verbessern konnte und ihre 16 Sitze behielt. Außerdem ist er auf die Unterstützung der rechtsradikalen, extrem ausländerfeindlichen Dänischen Volkspartei von Pia Kjaersgaard angewiesen, die 4,6 Prozent hinzugewann und 12 Prozent der Stimmen erreichte. Sie erhält 22 Sitze, neun mehr als vorher, und ist damit zur drittstärksten Partei geworden. Deswegen ist mit einem deutlichen Rechtsruck der dänischen Politik zu rechnen.
Die Sozialdemokraten werden das erste Mal seit 1920 nicht mehr stärkste Partei im dänischen Parlament, dem Folketing, sein und die bürgerlichen Parteien des rechten Zentrums haben die größte Mehrheit seit 1926 errungen.
Der bisherige Koalitionspartner der Sozialdemokraten, die sozialliberale Radikale Venstre, gewann zu ihren bisher sieben Sitzen zwei hinzu und die ehemaligen Stalinisten der Sozialistischen Partei, die die Regierung gestützt hatten, verloren einen ihrer dreizehn Sitze.
Der dreiwöchige Wahlkampf war von erbitterten Debatten über die Ausländer- und Asylpolitik geprägt, bei der sich sämtliche Parteien mit Forderungen nach härteren Maßnahmen gegen Einwanderung und Asylbewerber überboten.
Die Dänische Volkspartei gab in dieser Debatte den Ton an, trieb die anderen Parteien vor sich her und beschuldigte die Regierung, nicht genug zu tun, um Ausländer aus dem Land zu halten. Die Terrorangriffe vom 11. September und die Reaktion der Regierung darauf heizten ausländerfeindliche Stimmungen, vor allem gegen Muslime, weiter an. Unisono forderten Regierung und Opposition schärfere Kontrollen bei der Einwanderung und Beschränkungen bei der Einwanderung durch Heirat (Familiennachzug).
Wahlsieger Fogh Rasmussen hatte in einer Fernsehdiskussion für den Fall einer Regierung der rechten Mitte die Bildung eines speziellen "Integrationsministeriums" angekündigt. Die Einwandererorganisation INDsam verglich dies mit der Politik von Apartheid und Antisemitismus. Mohammed Gelle, ein Sprecher von INDsam, äußerte die Befürchtung, ein Ministerium speziell für Integration und Einwanderung könne zu noch restriktiveren Gesetzen gegen Einwanderer führen "Ich fürchte, wir könnten uns ein Judenproblem' einhandeln, ähnlich wie in Deutschland in den 30er Jahren - ein Gesetz für die Dänen und ein anderes für Neuankömmlinge."
Einige Auslandskorrespondenten internationaler Zeitungen äußerten sich in einer Umfrage der Zeitung Jyllands Posten entsetzt über den dänischen Wahlkampf. Die Korrspondentin der Financial Times, Clare MacCarthy verglich den Zungenschlag des Wahlkampfs mit der anti-pakistanischen und anti-indischen Rhetorik im Großbritannien der 60er Jahre, die ihren Höhepunkt in der "Ströme von Blut"-Rede des rechten Tory-Politikers Enoch Powell gefunden hatte.
"Es kommt mir ziemlich unappetitlich vor, wie buchstäblich jeder dänische Politiker bereit ist, Einwanderer zu Sündenböcken zu machen, nur um an die Regierung zu kommen," sagte MacCarthy. "Es ist primitiv, vulgär und reine Fremdenfeindlichkeit wie die Politiker eine Lüge nach der anderen auftischen und sie mit zweifelhaften Statistiken zu stützen versuchen."
Charles Farro, der für News Week und die britische Daily Mail schreibt, nannte den einwandererfeindlichen Ton der gegenwärtigen Debatte "schockierend". "Wenn ich mir diese Debatte anhöre, dann gewinne ich manchmal den Eindruck, dass es in Dänemark wohl keine Kriminalität gegeben hat, bevor Einwanderer hier ankamen."
Ein Korrespondent der jordanischen Nachrichtenagentur, der 45jährige Osama Al-Habahbech, sagte, die Politiker hätten "die Integration zwanzig Jahre zurückgebombt". "Es sind Vergleiche mit Jörg Haider gezogen worden, aber der Ton ist in Dänemark viel schlimmer, als in Österreich," schrieb er. "Der Anstand scheint in den vergangenen Wochen Urlaub genommen zu haben. Wenn man das Wort Jude durch Moslem ersetzt, dann könnte man die gegenwärtige Kampagne mit der Nazipropaganda während des zweiten Weltkriegs vergleichen."
Diese Kritik richtet sich zwar in erster Linie gegen die beiden rechtsradikalen Parteien, die Fortschrittspartei von Mogens Glistrup, die nicht wieder ins Parlament einzog, und die Dänische Volkspartei, aber auch die anderen Parteien sind keineswegs ausgenommen. Der schwedische Einwanderungsexperte Leif Stenberg von der Universität Lund sagte vergangenen Woche, er sei "enttäuscht und schockiert über den ausländerfeindlichen Ton des dänischen Wahlkampfs. Ich könnte es ja noch verstehen, wenn diese Angriffe von ultrarechten Organisationen kämen, aber selbst eine respektable Partei wie die sozialdemokratische Partei ist auf den Zug aufgesprungen."
Selbst der ehemalige Außenminister Niels Helveg Petersen von der Radikalen Venstre warf den Politikern vor, mit ihrem extrem ausländerfeindlichen Ton im Wahlkampf das Ansehen Dänemarks im Ausland zu schädigen. Er griff alle großen Parteien an, sie führten "eine laute und hysterische Debatte". Es sei der widerwärtigste Wahlkampf, den er in seinen dreißig Jahren als Abgeordneter erlebt habe, aller wesentlichen politischen Inhalte entleert. "Sie sollten sich schämen," sagte Petersen.
Die Verantwortung für diese Entwicklung und ihre Wahlniederlage liegt bei den Sozialdemokraten selbst. Mit ihrer rigiden Sparpolitik auf Kosten des großen Teils der Bevölkerung, den sie trotz einer guten wirtschaftlichen Lage des Landes - geringste Arbeitslosigkeit seit 25 Jahren, hohes Wirtschaftswachstum, niedrige Inflation - auf Druck der internationalen Finanzmärkte durchgesetzt haben, haben sie sich ihre traditionelle Wählerschaft zunehmend entfremdet. Dadurch haben sie es den rechten bürgerlichen Parteien ermöglicht, sie von links anzugreifen und mit dem Versprechen, mehr Geld für Sozialleistungen, das Gesundheitswesen und die Altenpflege bereitzustellen, viele Wähler zu ködern.
Zum anderen haben sie mit ihren Angriffen auf demokratische Rechte und Einwanderer den Rechten in die Hände gearbeitet und die ausländerfeindlichen Stimmungen geschürt, die letzteren zu Gute kamen.