Rot-Grüne Regierung rechnete Opferzahlen herunter

Den Opfern einen Namen geben

Frankfurter Rundschau und Berliner Tagesspiegel veröffentlichen Namensliste der Opfer rechter Gewalt seit der deutschen Wiedervereinigung

Am Donnerstag, den 14. September, veröffentlichten die Tageszeitungen Frankfurter Rundschau und der in Berlin erscheinende Tagesspiegel auf jeweils drei Seiten die Namen aller Menschen, die seit der Wiedervereinigung Deutschlands vor zehn Jahren eindeutig Opfer rechtsradikaler Gewalt geworden sind. (Die vollständige Liste befindet sich unter www.frankfurter-rundschau.de/fr/spezial/rechts.)

Die Aufzählung beginnt mit dem Polen Andrzej Fratczak, der am 7. Oktober 1990 vor einer Diskothek in Lübbenau (Brandenburg) bei einem Angriff von drei jungen Deutschen durch einen Messerstich tödlich verletzt wurde. Sie endet mit dem Fall des 51 Jahre alten Obdachlosen Norbert Plath, der am 27. Juli 2000 in Ahlbeck (Vorpommern) von vier jungen Rechtsextremisten zu Tode geprügelt wurde.

Stellvertretend für die vielen Opfer seien hier nur einige herausgegriffen:

"Der Angolaner Agostinho Combolo wird in der Nacht zum 16. Juni 1991 in Friedrichshafen (Baden-Württemberg) von einem Rechtsextremisten verprügelt und erstochen. Der Täter wird laut Landgericht Ravensburg nach dem Verbrechen in der rechten Szene als ,Held von Friedrichshafen' gefeiert. Das Gericht verurteilt ihn wegen Totschlags zu fünf Jahren Haft.

Der 27-jährige Samuel Kofi Yeboah aus Ghana verbrennt in der Nacht zum 19. September 1991 in Saarlouis. Unbekannte haben nachts gegen 3.30 Uhr einen Brandsatz in eine Asylbewerberunterkunft geschleudert. Zwei weitere Asylbewerber aus Nigeria werden verletzt. Die Politik im damals SPD-regierten Saarland braucht lange, um die fremdenfeindlichen Hintergründe der Tat anzuerkennen und eine angemessene Belohnung auszusetzen. Die Ermittlungsakte ist geschlossen. Der Brandanschlag ist neun Jahre nach der Tat noch nicht aufgeklärt.

Eine dreiköpfige Familie aus Sri Lanka stirbt am 31. Januar 1992 in ihrer brennenden Flüchtlingsunterkunft in Lampertheim/Bergstraße. Im Herbst 1992 werden drei Jugendliche festgenommen, die den Brandanschlag gestehen. 1994 werden sie wegen besonders schwerer Brandstiftung vom Landgericht Darmstadt zu viereinhalb bis fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Das Gericht sieht keinen ausländerfeindlichen Hintergrund.

Bei einem Überfall von Neonazis auf ein Lokal in Geierswalde (Sachsen) in der Nacht zum 11. Oktober 1992 wird die Aushilfskellnerin Waltraud Scheffler so schwer verletzt, dass sie 13 Tage später stirbt. Scheffler hatte versucht, auf die mit ,Sieg Heil'-Rufen eindringenden Skinheads einzureden. Doch ein Neonazi schlug ihr mit voller Wucht eine Holzlatte auf den Kopf. Das Jugendschöffengericht Bautzen verurteilt den Täter zu viereinhalb Jahren Jugendstrafe.

In der Nacht zum 26. Juli 1994 ertrinkt in Berlin der polnische Bauarbeiter Jan W. in der Spree. Der 45-Jährige und ein 36-jähriger Landsmann sind nach einem Streit mit einer Gruppe junger Deutscher ins Wasser getrieben und gewaltsam daran gehindert worden, ans Ufer zu schwimmen. Eine Polizeistreife hört die Rufe ,Polacken verpisst Euch!' und ,Lasst den Polen nicht raus'. Das Gericht kann keine ausländerfeindlichen Motive erkennen. Die Rufe hätten lediglich auf die Ausländereigenschaft der Opfer angespielt. Im Mai 1995 werden vier 19- bis 25-jährige Männer und zwei 16- und 17-jährige Mädchen wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu Bewährungs- und Freiheitsstrafen bis zu vier Jahren verurteilt.

Der 30-jährige Achmed Bachir wird am 23. Oktober 1996 in Leipzig vor einem Gemüsegeschäft erstochen. Er wollte deutschen Kolleginnen beistehen, die von zwei Skinheads attackiert und als ,Türkenschlampen' beschimpft worden waren. Im November 1997 verurteilt das Landgericht Leipzig Daniel Z. (20) wegen Mordes und schwerer Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von neuneinhalb Jahren. Sein 19-jähriger Mittäter Norman E. erhält wegen Beihilfe zum Totschlag viereinhalb Jahre Jugendhaft.

Die 14-jährige Jana Georgi aus der thüringischen Kleinstadt Saalfeld wird am 26. März 1998 auf offener Straße von einem 15-jährigen erstochen, der kurz zuvor aus einer psychiatrischen Einrichtung entlassen worden ist. Als Motiv gibt der Jugendliche Rache für die Beschimpfung als ‚Fascho‘ an. Die Staatsanwaltschaft verneint einen politischen Hintergrund. Der Junge sei ein ‚Einzelgängertyp‘, der zwar gern Mitglied einer rechten Szene wäre, dort aber nicht akzeptiert würde."

Insgesamt kommen die Journalisten, die bei den Nachforschungen und der Zusammenstellung mitgewirkt haben, auf 93 Todesopfer rechtsextremer Gewalt in Deutschland in den letzten zehn Jahren. Laut Erklärungen der beiden Redaktionen wurden folgende Kriterien zugrundegelegt: "Aufgenommen wurden Fälle, bei denen die Tat nachgewiesenermaßen aus rechten Motiven (dazu zählt auch der Hass auf "Andersartige", "Fremde" oder "Minderwertige") begangen wurde oder dafür plausible Anhaltspunkte bestehen. Dazu kommen solche, in denen der oder die Täter nachweislich einem entsprechend eingestellten Milieu zuzurechnen sind und ein anderes Tatmotiv nicht erkennbar ist. Mehrere Dutzend Zweifelsfälle haben wir nicht aufgeführt, so dass die tatsächliche Zahl der Opfer um einiges höher liegen dürfte."

So beinhaltet die Liste die Opfer der Brandanschläge auf Wohnhäuser von Ausländern 1992 in Mölln und 1993 in Solingen, dem allein fünf Mitglieder einer Familie zum Opfer fielen. Nicht in die Liste aufgenommen wurden ein Brandanschlag auf ein von Ausländern bewohntes Haus 1994 in Stuttgart, bei dem sieben Menschen starben und der Brandanschlag auf das Asylbewerberheim in Lübeck 1996, dem zehn Menschen zum Opfer fielen, obwohl in beiden Fällen ein rechtsradikaler Hintergrund wahrscheinlich ist. Im Falle von Lübeck wurde ein Bewohner des Heims vom Vorwurf des zehnfachen Mordes freigesprochen. Im Frühjahr dieses Jahres hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen vier Angehörige der rechten Szene wieder aufgenommen, die unmittelbar nach dem Band festgenommen, aber dann ohne weitere Untersuchungen wieder freigelassen worden waren.

Grundlage der Liste ist der Entwurf einer ausführlichen Dokumentation, die der Redakteur des Tagesspiegel Frank Jansen und der Journalist Jürgen Elsässer in Zusammenarbeit mit weiteren Autoren Anfang des kommenden Jahres in Buchform herausgeben werden.

Die Chefredakteure der Frankfurter Rundschau, Hans-Helmut Kohl und Jochen Siemes, schreiben in ihrer Vorstellung der Dokumentation: "Heute wollen die Frankfurter Rundschau und Der Tagesspiegel den Opfern, den Todesopfern der Gewalt, einen Namen und - wo es angesichts der Trauer der Angehörigen vertretbar erscheint - auch ein Gesicht geben. Zehn Jahre vereinte deutsche Wirklichkeit: das heißt auch 93 Menschenleben, die ausgelöscht wurden, weil diese Menschen anders waren, weil sie anders aussahen, weil sie anders lebten."

Die meisten der Toten, jeweils 32 waren Ausländer und Deutsche, die aufgrund ihres Aussehens, anderer Ansichten oder weil sie Neonazis entgegengetreten sind, Opfer rechter Skinheads oder Schläger geworden sind. Auch viele Obdachlose wurden Opfer rechtsextremer Gewalt. So führt die Liste 15 Personen ohne festen Wohnsitz in Ost- und Westdeutschland auf, die seit Oktober 1990 bei gewalttätigen Angriffen umgebracht worden sind. Rechte Schläger betrachteten sie erklärtermaßen als "Asoziale" oder "minderwertig" und sprachen ihnen ihr Existenzrecht ab.

Beispielhaft sei hier der Fall eines 33 Jahre alten Obdachlosen angeführt: "Am 16. Juli 1993 traktiert ein 18-jähriger rechtsradikaler, einschlägig vorbestrafter Skinhead in Marl einen 33 Jahre alten Obdachlosen mit Faustschlägen und Fußtritten gegen Körper und Kopf. Dabei beschimpft er ihn als ,Du Judensau'. Das Opfer stirbt Wochen später, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben. Im Prozess befindet das Gericht, dass ,ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Tatgeschehen und dem Tod nicht feststellbar' sei. Nicht die Verletzungen, sondern die Hirnerkrankung des Opfers hätten die Blutung ausgelöst und den Tod herbeigeführt. Deshalb wird der Täter vom Landgericht Essen am 3. März 1994 lediglich wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt."

Frank Jansen stellt in seinem Artikel im Berliner Tagesspiegel zur Veröffentlichung der Opferliste heraus, dass seit der Wiedervereinigung wesentlich mehr Menschen bei rechten Gewalttaten ums Leben kamen, als die Bundesregierung bisher zugegeben hat. In der offiziellen Statistik des Bundesinnenministeriums tauchen nur 26 Todesfälle infolge rechtsextremer Gewalt auf.

Entgegen den vollmundigen Verlautbarungen von Politikern - insbesondere seit dem Anschlag von Düsseldorf am 27. Juli dieses Jahres, bei dem neun Ausländer zum Teil lebensgefährlich verletzt wurden - Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus mit aller Entschlossenheit entgegenzutreten, zeigt der Umgang allein mit den Opferzahlen das Gegenteil. Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen Wolfgang Clement versprach noch am 30. August im Rahmen seiner Regierungserklärung: "Wir werden keine Ruhe geben, bis auch der oder die Täter gefasst und zur Rechenschaft gezogen sind, die vor wenigen Wochen in Düsseldorf mit einem hinterhältigen Anschlag zehn Menschen schwer verletzt haben, die bei uns ihre neue Heimat nehmen wollten." Doch bis heute gibt es angeblich keine Spur, die auf die Täter hindeuten würde.

Das Herunterspielen und Beschönigen von rechten Gewalttaten mit Todesfolgen fand nicht nur unter der Kohl-Regierung statt. Es hat seit der Amtsübernahme der rot-grünen Regierung eine neue Qualität erhalten. So schreibt Frank Jansen im Tagesspiegel vom 14. September: "Die alte Regierung unter Helmut Kohl hatte 1993 in einer Antwort auf die Kleine Anfrage der PDS-Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke und weiterer Kollegen für die Zeit von der Wiedervereinigung im Oktober 1990 bis Ende 1992 insgesamt 21 rechte Angriffe aufgelistet, bei denen 23 Menschen getötet wurden. In einer Antwort der Regierung Schröder auf eine Anfrage der PDS-Abgeordneten aus dem Jahr 1999 finden sich insgesamt in den Jahreslisten 1990 bis 1992 nur noch elf Tötungsdelikte mit 13 Opfern."

Diese skandalöse Tatsache wurde bereits in der ARD-Sendung Panorama vom 24. August aufgegriffen. Der Beitrag "Die verschwiegenen Toten - Behörden vertuschen Ausmaß der rechtsradikalen Gewalt" beschäftigte sich, gestützt auf die unter anderen von Frank Jansen erstellte Opferliste, mit der Manipulation, Vertuschung und Beschönigung der Statistik, die die Opfer rechtsradikaler Gewalt aufzählt.

Es fehlen in dieser Statistik unter anderen der Portugiese Nuno Lourenco, der im Juli 1998 in Leipzig brutal niedergeschlagen wird. Er stirbt am 29. Dezember 1998 in Portugal. Die Täter: acht junge Männer zwischen 15 und 20 Jahren, die nach der WM-Niederlage deutscher Fußballer gegen Kroatien "Ausländer klatschen" wollten. Das Landgericht Leipzig erkennt im September 1999 auf "Körperverletzung mit Todesfolge" und verurteilt den Haupttäter, einen Elektro-Lehrling, zu vier Jahren Haft, die Mitangeklagten erhalten Bewährungsstrafen.

Es fehlt in der Statistik der Fall des 28-jährigen Asylbewerbers Farid Guendoul (alias Omar Ben Noui), der in der Nacht zum 13. Februar 1999 in Guben (Brandenburg) von Rechtsextremisten gejagt wird. In seiner Panik tritt der Algerier in eine Glastür und zieht sich tödliche Schnittverletzungen zu. Im Juni 1999 beginnt am Landgericht der Prozess gegen elf Tatverdächtige; ein Ende der Hauptverhandlung ist frühestens im kommenden Oktober zu erwarten. Einige Angeklagte beteiligen sich an der Schändung des in Guben aufgestellten Gedenksteins für Farid Guendoul.

Auch der Fall des 17-jährigen Frank Böttcher fehlt in der offiziellen Statistik Er wurde am 8. Februar 1997 in Magdeburg von einem Gleichaltrigen mit Springerstiefeln zusammengetreten, weil er aussah wie ein Punk. Als er bereits auf dem Boden liegt, sticht der Täter noch mehrmals mit einem Butterflymesser auf das Opfer ein. Frank Böttcher stirbt im Krankenhaus. Das Magdeburger Landgericht verurteilt den 17-jährigen Täter, eine Randfigur der rechtsextremen Skinhead-Szene in Magdeburg, im Juni 1997 zu sieben Jahren Jugendstrafe wegen Totschlags.

Bemerkenswert ist auch, dass der Fall des einschlägig bekannten Kay Diesner, der unstrittig über mehrere Jahre zum harten Kern der Berliner Neonaziszene gehörte und am 23. Februar 1997 auf dem Autobahn-Parkplatz Roseburg (Schleswig-Holstein) den Polizisten Stefan Grage erschießt und einen weiteren Polizisten schwer verletzt, keinen Eingang in die Statistik rechtsextremistischer Gewalttaten fand. Kay Diesner bezeichnete sich selbst als "Kämpfer im Weißen Arischen Widerstand". Vier Tage vorher hatte Diesner den Buchhändler Klaus Baltruschat in Berlin, den er als "politischen Gegner" bezeichnete, schwer verletzt. Während das Landeskriminalamt Berlin diesen Anschlag als politisch motivierte Tat bewertet, meldet das Kieler Landeskriminalamt den Tod des Polizisten nicht an das Bundeskriminalamt. Es habe sich um einen Mord "zur Vertuschung einer anderen Straftat" gehandelt, lautete die Begründung.

Fritz Rudolf Körper, Staatssekretär im Bundesinnenministerium, der in der Panorama-Sendung mit den eben angeführten Fällen konfrontiert und nach dem "Verschwinden von zehn Opfern" aus der offiziellen Statistik der Bundesregierung gefragt wurde, erklärte, die Zahlen seien "nicht vergleichbar, weil zwischenzeitlich die statistischen Erfassungsmerkmale geändert wurden".

Frank Jansen erklärte zu diesen Vorgängen in der Panorama-Sendung: "Und dann spielt natürlich auch eine Rolle, dass hinterher, wenn die Zahlen dann zusammengerechnet werden zu einer Statistik, oftmals auch Fälle einfach gestrichen werden, herausgestrichen werden. Da habe ich also beispielsweise hier von der Brandenburger Polizei durchaus zu hören bekommen: Also die Statistik, die jetzt öffentlich vorliegt, stimmt so nicht, das ist einfach so nicht richtig. Wir können da nichts machen, wir dürfen nichts sagen, das ist politisch so gewollt, damit das Land eben nicht als braune Hochburg dasteht."

Von den in der Chronik von Frankfurter Rundschau und Tagesspiegel aufgeführten 15 Todesopfern unter Obdachlosen finden nur vier Eingang in die Statistik der rot-grünen Bundesregierung über Opfer von Tötungsdelikten mit rechtsextremistischem oder fremdenfeindlichem Hintergrund.

Die Reaktion von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD), dessen Ministerium für die Manipulation der Opferlisten rechtsextremer Gewalt verantwortlich ist, auf die namentliche Aufführung der 93 Opfer in der Frankfurter Rundschau und im Berliner Tagesspiegel, die dem wirklichen Ausmaß rechter Gewalt weitaus näher kommt, bestand in einer Erklärung, dass er die Statistik der Opfer überprüfen lassen und sich auf der nächsten Konferenz der Bundesinnenminister für einheitliche Kriterien der Definition rechtsextremer Gewalt im Bund und bei den Ländern einsetzen wolle.

Bundesratspräsident Wolfgang Thierse (SPD) hat noch vor kurzem einen empörten Brief an den Innenminister von Brandenburg, den CDU-Rechtsaußen Jörg Schönbohm (die CDU befindet sich in Brandenburg in einer großen Koalition mit der SPD) geschrieben, als er von der Rechtsanwältin eines Asylbewerbers, der zusammen mit dem bei dieser Jagd umgekommenen Farid Guendol im Februar 1999 durch Guben gehetzt worden war, um Unterstützung gebeten wurde. Schönbohm hatte ein dauerhaftes Bleiberecht für den Asylsuchenden mit der Begründung abgelehnt, das Opfer werde aufgrund dieses "traumatischen Ereignisses" nur "bedingt in der Lage sein, sein Leben eigenständig zu meistern". Thierse schrieb in seinem Brief, den der Spiegel(Nr. 37/2000) bekannt machte, der Vorgang hinterlasse den Eindruck, "dass deutsche Regierungsstellen die Ergebnisse und Konsequenzen rechtsextremer und rassistischer Vorfälle nicht nur hinnehmen, sondern sogar nutzen, indem sie Teil offizieller Argumentation werden." Das Ergebnis wäre, dass der Betreffende "letztlich auf Grund des Überfalls nicht in Deutschland bleiben darf und damit das Ziel der rechtsextremistischen Angreifer mit Billigung offizieller Stellen erreicht würde - eine verheerende Situation". Dies ist unzweifelhaft wahr und kein Einzelfall.

In einem Interview, das Thierse der Frankfurter Rundschau einen Tag nach der Veröffentlichung der Opferliste gegeben hat, spricht er zwar von Wahrnehmungsstörungen Berlins gegenüber rassistischer Gewalt, äußert aber gleichzeitig sein Vertrauen, dass Otto Schily und seine Mitarbeiter eine vernünftigere Definition finden werden, als sie derzeit gelte. Diese Herangehensweise stellt selbst ein Herunterspielen des Problems und vor allem der Verantwortung der Regierungspolitik für das Aufkommen und die regelrechte Ermutigung rechtsextremistischer Gewalt dar. Diese besteht sowohl in dem strikten Sparkurs und dem damit verbundenen Sozialabbau wie auch einer Asyl- und Ausländerpolitik, die voll auf Abschreckung ausgerichtet ist.

Siehe auch:
Ist die Ausländerfeindlichkeit im Osten ein Erbe der DDR?
(9. September 2000)
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