Der Kandidat der Demokratischen Partei Barack Obama errang am Dienstag in den amerikanischen Präsidentschaftswahlen einen überwältigenden Sieg über den Republikaner John McCain. Die Demokraten konnten ihre Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses, dem Repräsentantenhaus und dem Senat, beträchtlich vergrößern.
Um Mitternacht sah es bereits so aus, dass Obama mit 338 Wahlmännerstimmen im Vergleich zu 156 für McCain gewinnen würde, wobei noch in fünf Staaten ausgezählt werden musste. 270 Stimmen reichten für einen Sieg. Die Demokraten hatten mindestens fünf Sitze im Senat und fast 20 im Repräsentantenhaus dazu gewonnen, wobei viele Ergebnisse noch nicht feststanden.
Obama gewann in 26 Staaten, darunter in allen 19, die 2004 auch der Kandidat der Demokraten John Kerry gewonnen hatte, und in sieben Staaten, die bei dieser Wahl an Bush gegangen waren - Virginia, Florida, Ohio, Iowa, Colorado, Neu Mexiko und Nevada. Er lag in drei Staaten vorn, die Bush 2004 gewonnen hatte - Indiana, North Carolina und Montana.
Obamas nationale Stimmenmehrheit wird an die 10 Millionen betragen. Damit hat er die größte Stimmenmehrheit zu verzeichnen, die je ein Präsident gewonnen hat, seit Eisenhower 1952 gewählt wurde.
In erster Linie bedeutet dieses Wahlergebnis eine massive Ablehnung der Präsidentschaft von Bush, der Republikanischen Partei und der beinahe drei Jahrzehnte dauernden Vorherrschaft der Rechten über die amerikanische Politik. Die Wahl kennzeichnet einen Wendepunkt, sie widerspiegelt im Rahmen der Stimmabgabe die enormen demographischen, sozioökonomischen und kulturellen Veränderungen der letzten 25 Jahre.
Alle rechten, in den letzten Jahren von den Medien und dem politischen Establishment beider Parteien ständig wiederholten Phrasen - Amerika sei eine "rechte" oder "Mitte-Rechts"-Nation mit einer Mehrheit "roter Staaten", die unwandelbar zu den Republikanern stünden; Religion und kulturelle "Werte" seien die entscheidenden politischen Fragen - sind erschüttert worden.
Vor allem hat das Wahlergebnis die Behauptungen widerlegt, die Vereinigten Staaten seien eine rassistische Nation und irrationale, rassistische Animositäten würden alle anderen Fragen ausstechen. Wenn man die Umfragen zum Wahlausgang betrachtet, dann gab nur eine winzige Minderheit der Wähler an, die Rassenfrage habe Einfluss auf ihre Wahlentscheidung gehabt. Stattdessen äußerten unter dem Eindruck von Krieg, Finanzkrise und sich verschärfender Rezession viele Millionen vollkommen vernünftig ihre demokratischen und egalitären Ansichten - auch wenn sie ihre Meinung wegen des verzerrten und beschränkten Rahmens der offizielle Politik nur durch eine Stimme für die Demokraten kundtun konnten.
Die Umfragen zeigen auch, dass sich zwei Drittel der zahlreichen Jugendlichen, die zur Wahl gingen, für Obama entschieden.
Das Ergebnis kommt einem Schiffbruch für die Republikanische Partei gleich, deren Basis auf einen regionalen Rest zusammengeschrumpft ist - auf den tiefen Süden und die weitgehend ländlichen Staaten des Mittleren Westens. Obama eroberte die gesamte Ostküste von Maine bis hinunter nach Florida, den industrialisierten Mittleren Westen, die gesamte Pazifikküste und einen großen Teil der Gebirgsstaaten im Westen.
Die Republikaner verloren in allen Regionen des Landes Sitze im Senat. Die Demokraten konnten vakante Sitze in Virginia, Colorado und Neu Mexiko erobern und amtierende Republikaner in New Hampshire und North Carolina absetzen, während in Oregon, Alaska und Minnesota noch nicht ausgezählt war. Nicht ein einziger amtierender Demokrat verlor sein Amt.
Im Repräsentantenhaus konnten die Demokraten in New York drei Sitze von den Republikanern erobern, in Virginia ebenfalls drei, zwei in Ohio, zwei in Florida, zwei in Neu Mexiko und jeweils einen in Connecticut, Pennsylvania, North Carolina, Alabama, Illinois, Colorado, Arizona, Nevada und Idaho. Nur drei demokratische Abgeordnete in Florida, Louisiana und Texas verloren ihre Sitze.
Millionen Menschen in Amerika und Milliarden auf der ganzen Welt begrüßen die gewaltige Wahlniederlage der Republikaner mit Erleichterung und sogar mit Freude. Sie deuten den Sieg von Obama jedoch ganz anders als die Führung der Demokratischen Partei, einschließlich Obama selbst und jene Teile der herrschenden Klasse, die den Senator von Illinois unterstützt haben.
Die US-Medien werden zweifellos erklären, dass der Sieg der Demokraten kein Mandat für einen radikalen Kurswechsel sei. Noch bevor die Stimmen ausgezählt waren und Obamas Sieg offiziell bestätigt worden war, äußersten sich führende Demokraten in dieser Weise. Der Gouverneur von Neu Mexiko Bill Richardson, der sich während der Vorwahlen hinter Obama gestellt hatte, mahnte am späten Dienstagabend zur Vorsicht und erklärte, die Demokraten sollten "maßvoll" vorgehen und "Bündnispartner suchen". Der Kongressabgeordnete John Lewis wiederholte diese Bemerkungen und sagte, die Demokraten sollten "langsam vorwärts gehen" und einen "von beiden Parteien getragenen Kurs" einschlagen.
In Wirklichkeit war die Wahl am Dienstag jedoch ein klares öffentliches Mandat für eine Abkehr von der rechten Politik, die weitgehend von beiden großen Parteien geprägt war.
Die Freude der Demokratischen Partei über ihren Wahlsieg wird im Umkreis Obamas, in der Parteiführung und im politischen Establishment durch die Erkenntnis gedämpft, dass sich die durch die Wahl geweckten Erwartungen und Hoffnungen der Massen nicht so leicht wieder zügeln lassen. Das Wahlergebnis bereitet den Boden für eine neue lange Periode intensiver Klassenauseinandersetzungen in den Vereinigten Staaten.