Vergangene Woche demonstrierten Premierminister Tony Blair und Schatzkanzler Gordon Brown Eintracht, um den Grabenkrieg einzudämmen, der um den Zeitpunkt von Blairs Amtsniederlegung tobt.
Brown, dem die Medien und Teile der Labour-Partei vorgeworfen hatten, er sei der Urheber der Kampagne, die Blair zur Bekanntgabe eines Rücktrittstermins zwingen sollte, sprach dem Premierminister seine Anerkennung aus. Die Terminfrage, sagte er, sei die persönliche Angelegenheit Blairs.
Größere Bedeutung für die Finanzoligarchie, die die Politik Labours bestimmt, hatte die Versicherung Browns, das "Vermächtnis" des rechten Parteiflügels sei bei ihm in guten Händen. Er wies die Anti-Blair-Demonstranten vor dem Jahreskongress des Gewerkschaftsdachverbands TUC zurecht, und versprach, die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen fortzusetzen.
Wenige Tage später jedoch brach Europaminister Geoff Hoon den Burgfrieden. Er forderte Blair zum Rücktritt noch vor den Kommunalwahlen im kommenden Mai auf.
Die wichtigste Frage für Blair sei es, "zu dem für Partei und Land günstigsten Zeitpunkt zurückzutreten", sagte Hoon. Er unterstützte Browns Anspruch auf die Labour-Führung und erklärte: "Ich bin der Meinung, dass Gordon der nächste Parteiführer sein sollte, und deshalb sollten wir sehr sorgfältig darüber nachdenken, wen wir bei der nächsten Testwahl im Amt haben."
Hoon versuchte, die bittere Pille zu versüßen und sagte, Blair solle sich schon Anfang nächsten Jahres zurückziehen, damit der Premierminister "in einer günstigen Phase ausscheidet". Er fügte noch hinzu: "Er sollte es tun, solange er noch populär ist." Diese Aussage wurde durch das anschließende Eingeständnis Lügen gestraft, dass die Partei im Mai bei den Parlamentswahlen in Schottland und Wales und bei den englischen Kommunalwahlen "völlig ausradiert" werden könnte, wenn Blair weiter Parteichef bleibe.
"Wir müssen bedenken, dass viele Labour-Aktivisten im Fall einer erneuten schweren Niederlage bei den Kommunalwahlen in den folgenden zwei Jahren und bei der nächsten Parlamentswahl ihre Aktivitäten einstellen", sagte er. Und er erinnerte daran, dass die Konservativen sich immer noch nicht von Margaret Thatchers Regentschaft erholt haben.
Hoon ist ein typischer Repräsentant der Kräfte, die jetzt in der Labour Party gegen Blair aufstehen. Lange Zeit Blair gegenüber loyal, setzte er sich als britischer Verteidigungsminister von 1999 bis 2005 mit Nachdruck für die von den USA geführten Invasionen in Afghanistan und im Irak ein. Gemeinsam mit dem Premierminister war er für die Lügen- und Desinformationskampagne über Saddam Husseins "Massenvernichtungswaffen" verantwortlich, die den Präventivkrieg rechtfertigen sollte.
Seine Rolle bei der "Enttarnung" des führenden Waffeninspektors und "Informanten" Dr. David Kelly festigte seinen Ruf als ehrloser Charakter - genauso wie das Dementi über sein Wissen von den Misshandlungen irakischer Zivilisten durch amerikanische und britische Soldaten. Monate zuvor hatte er einen vertraulichen Bericht darüber vom Internationalen Komitee des Roten Kreuzes erhalten. Notorisch hielt Hoon an seiner Ausrede fest, er habe den Bericht nicht gelesen, weil er ihn nur für ein "vorläufiges" Dokument gehalten habe.
Hoons letzte Aussagen sprechen für sich selbst. Von Blair im vergangenen Jahr degradiert, hofft er, mit Browns Amtsübernahme seinen Parlamentssitz zu retten und möglicherweise wieder einen Kabinettsposten zu ergattern.
Er steht nicht allein. Es wird berichtet, dass mehrere Anträge für den Labour-Parteitag, der Ende des Monats stattfinden soll, vom Vorstand die Wahl des Parteiführers für Anfang nächsten Jahres verlangen.
Diese Forderungen sind aber nicht einmal entfernt Ausdruck einer echten oppositionellen Haltung. Durch ihre Unterstützung für die illegale Invasion im Irak und ihre Begeisterung für Blairs wirtschaftsfreundliche Politik, hat sich die Labour Party von ihrer ehemaligen Basis völlig entfremdet. Ihre Hauptsorge besteht heute darin, der rechten Politik der Regierung einen neuen Anstrich zu geben.
Blair weiß, was er von seinen Kritikern zu halten hat. Am Montag stellte er Pläne für eine "Erneuerung" des politischen Kurses vor, die die Programmdiskussion der Labour Party in den kommenden zehn Jahren prägen sollen - ein deutliches Signal, dass er nicht die Absicht hat, so bald abzutreten.
Gleichzeitig weigerte sich der Premierminister, den Schatzkanzler öffentlich als seinen Nachfolger zu bestätigen, und ließ das von Berichten begleiten, seine Anhänger seien auf der Suche nach einem "Stoppt Brown"- Kandidaten. Die Times of London berichtete, Blair habe angedeutet, er sähe gerne "einen Generationenwechsel" in der Führung. Die Weigerung von Arbeitsminister John Hutton, die Führung Browns zu unterstützen, wurde als weiteres Anzeichen dafür gewertet, dass Blairs Anhänger einen Gegenschlag vorbereiten.
Wie berichtet wird, zählt auch Hutton selbst zur engeren Wahl der möglichen Herausforderer. Ebenfalls Befürworter von Irakkrieg und Privatisierungen, hat er neulich Maßnahmen zur Kürzung von Leistungen bei Arbeits- und Berufsunfähigkeit ausgearbeitet. Wie der Telegraph berichtete, wird allgemein angenommen, Mr. Hutton sei das nicht namentlich genannte Kabinettsmitglied, das einem BBC-Korrespondenten in öbszöner Ausdrucksweise sagte, er halte Mr. Brown für einen sehr schlechten Premierminister, den es zu verhindern gelte.
Auch Innenminister John Reid, Umweltminister David Miliband und Bildungsminister Alan Johnson sollen zur engeren Wahl der Herausforderer gehören.
Miliband, ehemaliger Leiter des politischen Planungsstabes des Premierministers, gilt als Blairs Favorit. Anfangs hatte er sich selbst aus der Kandidatenliste heraus gehalten, indem er Brown als "einen sehr guten Führer" empfahl. Aus Labour-Kreisen verlautete aber, es handele sich um ein Manöver, mit dem er vorzeitige Spekulationen über seine eigenen Absichten verhindern möchte und das es ihm im Falle eines Scheiterns von Brown ermöglichen solle, mit weißer Weste in den Wettkampf um die Kandidatur einzutreten.
Es gibt Berichte, dass verschiedene Websites aufgetaucht sind, die Johnson unterstützen. Wieder handelt es sich um einen Befürworter des Irakkrieges, der Einführung von Personalausweisen und von Privatisierungen. Man geht davon aus, dass sich Johnson, falls er kandidiert, der Unterstützung von Blairs "Strippenziehern" sicher sein kann.
Johnson gab im Laufe des vergangenen Wochenendes eine Reihe von Interviews, in denen er seine Duftmarken setzte und seinen persönlichen Aufstieg aus einfachen Verhältnissen hervorhob; gleichzeitig machte er seine lebenslange Feindschaft gegenüber dem Trotzkismus unmissverständlich deutlich. Als aktiver Gewerkschafter während der Regierungszeit der Tories habe er den "Trots" gesagt, sie sollten "sich verpissen", brüstete er sich gegenüber dem Observer.
Ein weiterer Herausforderer ist Alan Milburn. Ex-Innenminister Charles Clarke schickte den ehemaligen Gesundheitsminister gegen Brown ins Rennen. Letzte Woche hielt Milburn eine politische Ansprache, die allgemein als Anmeldung seines Führungsanspruchs interpretiert wurde.
In einer als "radikales Manifest für die Ära nach Blair" bezeichneten Rede forderte Milburn staatliche Hilfen, damit Eltern ihre Kinder aus den öffentlichen Bildungseinrichtungen heraus nehmen können, die Förderung von "Aktienbesitz", Steuersenkungen und zusätzliche Maßnahmen, die Alleinerziehende zur Arbeitsaufnahme zwingen sollen.
Johnson deutete an, dass er sich auch für eine Kandidatur um den Fraktionsvorsitz bei Labour entscheiden könnte. Es wird davon ausgegangen, dass der derzeitige Amtsinhaber, John Prescott, gleichzeitig mit Blair zurücktritt.
Der Minister für Irland und Wales, Peter Hain, hat seine Kandidatur für die Wahl zum Vize-Parteichef angekündigt, desgleichen Harriet Harman, zuständig für Fragen der Verfassung, und Entwicklungsministerin Hilary Benn. Weiter soll der Abgeordnete aus Dagenham und ehemalige Berater Blairs, Jon Cruddas, sein Interesse bekundet haben.
Am Wochenende bereitete auch Jack Straw, der schon Innenminister und Außenminister war und jetzt Parlamentssprecher ist, seine Kandidatur für den Posten des Vize-Parteichefs vor. Er behauptete zwar, noch nicht entschieden zu haben, ob er wirklich kandidieren will, pries aber schon einmal seine Referenzen für den Job an:
"Ich habe neun Jahre lang zwei der drei wichtigsten Regierungsaufgaben erledigt", sagte er. "Der Ruf von Stärke und intellektueller Strenge begleitet mich, und ich bin in der Lage, das Vertrauen des Volkes gewinnen, wenn Land und Regierung sich in Schwierigkeiten befinden."
Die meisten Bewerber präsentieren sich als Kandidaten, die für die Einheit Labours stehen und in der Lage wären, die zerstrittenen Fraktionen unter der Führung Browns zusammenzuhalten. Aber vieles deutet darauf hin, dass dies unmöglich ist.
Vergangene Woche kündigte die Abgeordnete Clare Short an, nach 26 Jahren bei der nächsten Wahl nicht mehr für Labour zu kandidieren. Sie deutete an, eventuell als Unabhängige zur Wahl anzutreten, und wünschte sich ein Parlament ohne klare Mehrheit. Jetzt droht ihr ein Parteiausschlussverfahren.
Short, die wegen der Beteiligung am Irakkrieg aus dem Kabinett austrat, gehört immer noch zu der kleinen Gruppe in der Labour Party, die Blair wegen der Invasion angreift. In ihrer neuesten Stellungnahme verurteilte sie Blairs "unterwürfige Unterstützung der extremistischen und neokonservativen amerikanischen Außenpolitik", auch weil er "das Vereinigte Königreich entehrt, die Vereinten Nationen und das Völkerrecht geschwächt, und dazu beigetragen hat, die Welt gefährlicher zu machen". Sie meinte, dass von Brown auch nichts anderes zu erwarten sei.
Doch Short verband die Verurteilung der amerikanischen und britischen Nahostpolitik mit einer Verteidigung der innenpolitischen Agenda Labours. "Seit 1997 hat New Labour viel Positives erreicht", sagte sie und behauptete, es handele sich "vor allem um Dinge, die Labour schon vor dem New Labour Putsch beschlossen hatte".
Die Bemühungen Shorts, eine Trennungslinie zwischen Labours Außenpolitik und der Umsetzung der Vorgaben der Wirtschaft im Heimatland zu ziehen, entbehren aber jeder Grundlage. Genauso misslungen ist der Versuch ihrer politischen Distanzierung von Blair und Brown.
Short war an der Umwandlung in New Labour, die sie jetzt als "New Labour Putsch" bezeichnet, beteiligt. Wie sie selbst angibt, hatte sie eng mit den Labour-Führern Neil Kinnock und John Smith zusammen gearbeitet, "um die Partei auf die Übernahme der Regierungsverantwortung vorzubereiten". Entscheidend bei dieser Vorbereitung war der Abschied der Labour-Partei von ihrem ehemaligen sozialreformistischen Programm.
Der Independent zeigte auf, dass Short im Fall ihres Ausschlusses erst der vierte solche Fall in fünfzehn Jahren wäre. Sie selbst hatte eine zentrale Rolle beim Ausschluss von zwei anderen gespielt - Dave Nellist und Terry Fields, die 1991 im Zuge einer Hexenjagd gegen die Militant-Tendenz in der Labour-Partei aus der Partei geworfen worden waren.
Dennoch, ein möglicher Aufruf Shorts, ihrer eigenen Partei eine Wahlniederlage beizubringen, macht deutlich, wie stark die inneren Spannungen Labour jetzt in eine Zerreißprobe versetzen.
Jahrelang war betont worden, es sei eine der wichtigsten Leistungen Blairs, den qualvollen Fraktionskämpfen Labours der 1980er Jahre ein Ende gesetzt zu haben. Durch den Ausschluss der Linken, und dadurch, dass er politische Entscheidungen jeglicher demokratischen Kontrolle entzogen hatte, hatte er angeblich die ideologische und organisatorische Homogenität gesichert.
Aber nach der Zerstörung der letzten Reste einer sozialen Massenbasis der Labour Party blieb als letztes verbindendes Prinzip nur noch der individuelle Karrierismus übrig - ein Merkmal, das die Partei zu einem idealen Vehikel für die Verlockungen der Reichen und Mächtigen werden ließ. Jetzt, da der Karren im Dreck steckt und die Partei kurz vor dem Verlust der Macht steht, ist nichts mehr übrig geblieben, was sie zusammenhält.