Der Lynchprozess gegen Saddam Hussein beginnt

Der Prozess gegen Saddam Hussein, der am 19. Oktober in Bagdad im Namen der irakischen Regierung vor dem von Amerika geschaffenen Sondertribunal begann, ist eine juristische Farce. Die Anklage gegen den ehemaligen irakischen Präsidenten ist unglaubwürdig. Sie wird vor einem Marionettengericht und unter der Verantwortung eines Marionettenregimes erhoben, das nur aufgrund der illegalen und räuberischen Invasion des Irak durch den US-Imperialismus und der Anwesenheit von mehr als 150.000 amerikanischen und anderen ausländischen Truppen besteht.

Hussein und sein Baath-Regime haben sich für viele Verbrechen gegen das irakische Volk zu verantworten. Aber das Gerichtsverfahren, das jetzt begonnen hat, ist nichts weiter als ein Schauprozess mit der Absicht, den Ex-Diktator schnell zu verurteilen und hinzurichten. Das Ziel ist nicht Gerechtigkeit, sondern die Verschleierung der Komplizenschaft der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und anderer Großmächte an mancher Gräueltat von Hussein.

Im jetzigen Prozess werden nur 19 Anklagepunkte gegen Hussein verhandelt, die mit einem Massaker in Zusammenhang stehen, bei dem in dem Dorf Dujail 1982 150 Menschen getötet wurden. Die Morde ereigneten sich nach einem fehlgeschlagenen Attentatsversuch gegen Hussein von angeblichen Mitgliedern der fundamentalistischen Schiiten-Organisation Da’awa - der Partei des heutigen irakischen Ministerpräsidenten Ibrahim al-Jaafari.

Das Massaker von Dujail wurde sorgfältig ausgewählt. Es erhielt Vorrang gegenüber anderen baathistischen Verbrechen, die von den Großmächten ermutigt oder gebilligt worden sind. Zu den letzteren gehören: die Ermordung von Mitgliedern der irakischen Kommunistischen Partei 1979; die Ermordung Tausender Schiiten in der Vorbereitung auf den Überfall des Irak auf den Iran 1980, der von den USA unterstützt wurde; der Einsatz von vom Westen gelieferten Chemiewaffen gegen iranische Truppen und Zivilisten während des iranisch-irakischen Kriegs von 1980-88; die Pogrome gegen die kurdische Bevölkerung in den späten 1980er Jahren; sowie das Abschlachten von Tausenden Kurden und Schiiten nach dem Golfkrieg von 1991.

Es ist kein Geheimnis, dass der Prozess gegen Hussein bewusst so organisiert worden ist, dass es nicht zu einer Wiederholung der Vorgänge beim Prozess gegen den ehemaligen jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic vor dem Internationalen UNO-Strafgericht kommt. Gegen Milosevic werden 66 Anklagepunkte wegen Kriegsverbrechen und Völkermord verhandelt, die er angeblich in Kroatien, Bosnien und dem Kosovo begangen haben soll.

Milosevic ist ein nationalistischer Demagoge, der einen gehörigen Teil Verantwortung für den Schrecken trägt, dem die Völker des Balkans in den 1990er Jahren ausgesetzt waren. In den vergangenen vier Jahren hat er aber den Prozess dazu genutzt, die Verantwortung der Großmächte für das Schüren ethnischer Konflikte nachzuweisen, die die Region zerrissen haben, und den kriminellen Charakter des NATO-Angriffs von 1999 auf Jugoslawien zu entlarven. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass dieser Prozess die Ankläger in Verlegenheit gebracht hat.

Es wird fest davon ausgegangen, dass Husseins Verteidigung die Legalität der US-Invasion von 2003 und damit die Legitimität des Gerichts bestreiten wird. Aber durch die enge Auswahl der Anklagepunkte hoffen die USA, zumindest eine Erörterung ihrer Zusammenarbeit mit dem Baath-Regime in den 1980er Jahren zu vermeiden. Dabei könnte Hussein zum Beispiel über die Gespräche berichten, die er 1983 und 1984 mit dem damaligen Gesandten des Präsidenten und heutigen Verteidigungsminister Donald Rumsfeld geführt hat und die zur amerikanischen Unterstützung des Irak im Krieg gegen den Iran führten.

Die Folge ist ein Prozess, der an Lynchjustiz nach dem Prinzip "Tote reden nicht" erinnert. Das Ergebnis ist von der irakischen Regierung mehr oder weniger vorbestimmt, da sie das Sondertribunal praktisch angewiesen hat, in der kürzest möglichen Zeit ein Todesurteil gegen Hussein zu produzieren.

Der irakische Präsident Jalal Talabani sagte am 6. September im nationalen Fernsehen, Hussein sei "ein Kriegsverbrecher, der es verdient, zwanzigmal am Tag für seine Verbrechen hingerichtet zu werden". Ministerpräsident Jaafari erklärte am Montag, dass der Prozess kein "Forschungsprojekt" sei. Die Richter hätten lediglich - und zwar schnell - die Frage zu entscheiden: "Hat dieser Mann Verbrechen begangen?"

Artikel 30(b) der Statuten des Irakischen Sondertribunals bestimmt, dass ein Todesurteil spätestens dreißig Tage nach Ausschöpfung der Rechtsmittel vollstreckt werden muss.

Am 16. Oktober machte Human Rights Watch in einem längeren Artikel über den Hussein-Prozess auf diesen Paragraphen aufmerksam. Die Urteilsvorschriften, bemerkte die Organisation, "können dazu führen, dass eine in mehreren Verfahren angeklagte Person in einem dieser Verfahren angeklagt, verurteilt und hingerichtet wird, bevor die anderen Verfahren abgewickelt worden sind, was dazu führen könnte, dass Opfer, Zeugen und das irakische Volk insgesamt daran gehindert werden, schlüssig festzustellen, welche Personen für einige der schlimmsten Menschenrechtsverletzungen der irakischen Geschichte verantwortlich sind. Die Hinrichtung eines verurteilten Gefangenen, während noch andere Prozesse gegen ihn laufen, bedeutet, dass die Beweise für oder gegen ihn hinsichtlich dieser Fälle vielleicht niemals öffentlich zur Sprache kommen werden."

Die Washington Post kommentierte am 18. Oktober: "Die Länge und Komplexität des Milosevic-Prozesses überzeugte die irakischen Ankläger davon, dass es besser sei, sich auf einige Schlüsselereignisse zu konzentrieren, anstatt zu versuchen, die Gräueltaten der 24-jährigen Amtszeit Husseins umfassend zu verhandeln, sagten juristische Experten und Beobachter."

Die Zeitung ignorierte die Tatsache, dass die US-Besatzungsbehörde den Vorläufer des Sondertribunals geschaffen, deren ursprüngliche Statuten verfasst und den obersten Untersuchungsrichter sowie vier weitere Richter für den Prozess ausgewählt hat. Die Bush-Regierung hatte entschieden, der UNO jeden Einfluss auf den Hussein-Prozess zu verwehren, um in der Lage zu sein, die maximale Kontrolle über das Verfahren auszuüben.

Die Anklage gegen Hussein und andere Baath-Führer ist von Anfang an von einem Verbindungsbüro vorbereitet worden, in dem Anwälte und Berater aus den USA, Großbritannien und Australien mitarbeiten - alles Länder, die sich aufgrund ihrer Teilnahme an der Invasion 2003 und an der Besatzung selbst Kriegsverbrechen schuldig gemacht haben. Die New York Times merkte am Dienstag an, dass "das Verbindungsbüro die wirkliche Macht hinter dem Tribunal war, das es in jedem Aspekt seiner Arbeit beraten und für das es oft auch die Entscheidungen getroffen hat, und zwar immer hinter einem Schleier der Anonymität". Die Aktivitäten des Sondertribunals werden von Washington mit 138 Millionen Dollar finanziert.

Der Gestank der Illegitimität, der den Hussein-Prozess umgibt, hat eine erstaunliche Situation geschaffen. In schreiendem Gegensatz zu der schadenfrohen Berichterstattung über Husseins Gefangennahme vor 22 Monaten haben sich die Bush-Regierung und die amerikanischen Medien vor Beginn des Prozesses weitgehend jeden Kommentars enthalten. Wenn das Weiße Haus ein Interesse daran gehabt hätte, hätte es das Ereignis leicht in den Mittelpunkt des Medieninteresses rücken können.

Die gedämpften Berichte spiegeln die Furcht Washingtons wider, dass die Anklage gegen Hussein zu einem weiteren Faktor für die wachsende Opposition gegen die Besatzung und für die Stärkung des bewaffneten Aufstands gegen die USA und die Regierung werden könnte.

Die amerikanische Manipulation des Prozesses kann nur zu einer weiteren Unterhöhlung der schiitischen und kurdischen Parteien führen, die die irakische Regierung stellen. Viele ihrer Anhänger betrachten das Versprechen einer irakischen Souveränität und Unabhängigkeit von Washington schon jetzt als Betrug. Der begrenzte Umfang der Anklagen gegen Hussein wird bei Millionen schiitischen und kurdischen Arbeitern - die unter den Baathisten gelitten haben und immer noch unter beklagenswerten Bedingungen leben - zu noch mehr Ärger und Frustration führen.

Der Prozess wird auch den Ärger der Sunniten verstärken. In den zweieinhalb Jahren seit der Invasion ist es dem US-Imperialismus entgegen seinen Erwartungen nicht gelungen, die Zusammenarbeit nennenswerter Teile des sunnitisch-arabischen Establishments zu erreichen, das zu den Stützen des Hussein-Regimes gehörte - von der Unterstützung breiter Teile der sunnitischen Bevölkerung ganz zu schweigen.

Die Abstimmung über das Referendum am vergangenen Wochenende zeigte das Ausmaß der Spaltungen. Während die Sunniten mit überwältigender Mehrheit mit Nein stimmten, stimmten die Schiiten und Kurden mehrheitlich mit Ja. Angesichts zunehmender sektiererischer Spannungen sind viele Sunniten der Meinung, dass sie an den Rand gedrängt worden sind und nichts zu verlieren haben, wenn sie den Aufstand unterstützen.

Husseins Anwalt Khalil al-Dulaimi hat in Presseerklärungen klar gemacht, die zentrale Stoßrichtung der Verteidigung werde dahin gehen, die Legitimität des Gerichts zu bestreiten. Er plant, eine Vertagung des ganzen Verfahrens zu beantragen, während ein Antrag auf Abweisung der Anklage vorbereitet wird.

Aus Sorge vor der öffentlichen Wirkung des Prozesses haben US-Vertreter Druck auf die irakische Regierung ausgeübt, die heutige Sitzung des Gerichts nicht im Fernsehen zu übertragen. Wenn es übertragen wird, dann vermutlich mit einer 20-minütige Verschiebung zwischen Aufnahme und Ausstrahlung. Die New York Times erklärte offen, dass dies "dem Tribunal wohl die Möglichkeit geben soll, unerwünschte Entwicklungen im Gerichtssaal zu zensieren - zum Beispiel einen verbalen Ausbruch Mr. Husseins oder eine Sicherheitspanne".

Der Hussein-Prozess verspricht, ein weiteres politisches Debakel für die Bush-Regierung und die US-Besatzung des Irak zu werden.

Siehe auch:
Eine juristische Farce: Anklageerhebung gegen Saddam Hussein
(15.September 2005)

( 26. Juli 2005)
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