Der Afrikanische Nationalkongress erreichte bei den Wahlen am 14. April eine klare Mehrheit. 70 Prozent der Wähler Südafrikas gaben dem ANC ihre Stimme. Im Jahre 1999 waren es 66,4 und 1994 erreichte er 64 Prozent.
Wie es scheint, kann sich der ANC weiterhin darauf stützen, dass er vor zehn Jahren das Ende der Apartheid ausgehandelt hat. Außerdem stand für die überwiegend schwarze Mehrheit der Arbeiterklasse keine wirkliche politische Alternative zur Wahl, obwohl in den zehn Jahren der ANC-Herrschaft die soziale Ungleichheit ebenso wuchs wie die Arbeitslosigkeit. Die Gewerkschaftsbürokratie hält weiterhin loyal zum ANC. Die Gewerkschaften haben dafür gesorgt, dass ihre Mitglieder zur Wahl gingen und für den ANC stimmten.
Die wachsende Unzufriedenheit mit dem ANC zeigt sich aber in der sinkenden Wahlbeteiligung. 1999 gingen 89 Prozent der Wahlberechtigten zur Stimmabgabe, bei den diesjährigen Wahlen waren nur 77 Prozent an den Urnen. Lediglich 75 Prozent der 27 Millionen Wahlberechtigten hatten sich in die Wahllisten eintragen lassen. Das bedeutet, weil die Wahlbeteiligung sich auf die Einträge in den Wahllisten bezieht, dass nur 58 Prozent der Wahlberechtigten überhaupt gewählt haben. In den Jahren 1999 und 1994 waren es 64 bzw. 85 Prozent gewesen. Viele Kommentare betonten das mangelhafte Interesse der südafrikanischen Jugend, die unter der Arbeitslosigkeit und dem Mangel an Stellen am meisten leidet. In der Altersgruppe zwischen 18 und 25 haben sich lediglich 47 Prozent in die Wahllisten aufnehmen lassen. Zwei Drittel geben an, kein Interesse an der offiziellen Politik zu haben.
Die von Tony Leon geführte, zweitplazierte Democratic Alliance (DA) gewann 13 Prozent der Stimmen (1999 waren es 9,5 %). Offenbar wählten die meisten Weißen die DA, die vom Kollaps der New National Party (NNP), der Nachfolgerin der unter der Apartheid herrschenden National Party, profitierte. Leon vertritt eine Wirtschaftspolitik des Freien Marktes, die sich nur wenig von derjenigen des ANC unterscheidet. Unterstützung gewann er mit seiner Kampagne für die Bereitstellung von Aids-Medikamenten.
Die nationalistische Zulu-Partei Inkatha Freedom Party (IFP) brachte es auf 5 Prozent und die NNP auf 2 Prozent der Stimmen.
In sieben von neun südafrikanischen Provinzen hat der ANC eine klare Mehrheit gewonnen. In KwaZulu-Natal ist es noch nicht klar, ob der ANC von der IFP abgelöst wird, während er am Westkap durch die Fortsetzung der Allianz mit dem ehemaligen politischen Gegner, der NNP, vermutlich an der Regierung bleibt.
Keine der radikalen linken Parteien hat effektiv in die Wahlen eingegriffen. Die Sozialbewegung Indaba, ein Bündnis von elf Gruppen, zerfiel im letzten Monat vor der Wahl, weil keine Einigung darüber erzielt werden konnte, ob man die Wahl boykottieren solle oder nicht. Das Forum gegen Privatisierung rief zur Abgabe ungültiger Stimmzettel auf, die Bewegung der Landlosen zu einem vollständigen Boykott, während es andere Organisationen der Entscheidung ihrer Mitgliedern überließen, ob sie zur Wahl gehen oder nicht.
Der ANC versuchte seine Unterstützer bei der Stange zu halten, indem er sich auf lokale Probleme konzentrierte. In den Townships sprachen ANC-Führern zu Gemeindeversammlungen. Er machte vage Versprechungen, eine Million Arbeitsplätze zu schaffen. Generalsekretär Kgalema Motlanthe äußerte, man habe am Beispiel Simbabwes gelernt, wo die herrschende Zanu-PF Peartei stark an Unterstützung verlor, nachdem die Staatsausgaben in den 90-er Jahren gesenkt wurden.
Die Zahl der aktiven Mitglieder in den lokalen ANC- Organisationen ist drastisch zurückgegangen. Man wandte sich aber mit einem Aufruf, 10 Millionen Dollar für eine Anzeigenkampagne zu spenden, an Unterstützer aus der Wirtschaft. Der ANC erhielt etwa doppelt so viele Wahlspenden aus der Privatwirtschaft wie der DA. Der Multi Anglo American spendete zum Beispiel 6 Millionen Rand (ca. 800.000 Euro) für die Wahlen, die Hälfte davon an den ANC.
Obwohl der ANC einen "Vertrag mit dem Volk" versprach, um mehr Beschäftigung zu erreichen, und damit prahlte, die Wohnungssituation, die Wasserversorgung und die Versorgung mit Elektrizität hätten sich seit 1994 verbessert, hat er eine rücksichtslose Wirtschaftspolitik im Interesse des Kapitals durchgeführt. Der Kurs des Rand (Währung Südafrikas) ist gegenüber den Weltwährungen gestiegen, weil Präsident Thabo Mbeki durch ein striktes Austeritätsprogramm die Nationale Verschuldung und das Haushaltsdefizit senkte. Millionen Arbeitsplätze gingen durch Privatisierungen im Staatssektor verloren.
Zwischen 1995 und 2003 stieg die Zahl der offiziell Arbeitsuchenden von 1,9 Millionen auf 4,2 Millionen. Die offizielle Arbeitslosenrate steht bei 30,5 Prozent, aber viele Experten schätzen sie auf über 40 Prozent. Besonders davon betroffen ist die Jugend. 50 Prozent der Südafrikaner sind unter 25 Jahre alt, was bedeutet, dass etwa 75 Prozent der Arbeitslosen Jugendliche sind.
Unter der Armutsgrenze leben in Südafrika derzeit 48 % der Bevölkerung - 1995 waren es noch 28 Prozent. Diese Menschen haben weniger als 85 Dollar im Monat zur Verfügung. Während der ANC angibt, er habe zwischen 1994 und 2001 sichergestellt, dass 8 Millionen Menschen mehr sauberes Wasser zur Verfügung haben, gibt es dennoch 7 Millionen, die nicht mit Trinkwasser versorgt werden. Diese Tatsache führte in den letzten Jahren zum Ausbruch von Krankheiten wie der Cholera.
Südafrika ist das am schwersten von Aids betroffene Land. Infiziert sind 5,3 Millionen Menschen und täglich sterben 600 an der Krankheit. Die Bilanz des ANC gegenüber Aids ist verheerend. Mbeki und sein Gesundheitsminister Manto Tshabalala-Msimang haben wiederholt die Aidskrise kleingeredet. Im letzten November kündigte die ANC-Regierung an, sie betrachte es jetzt als eine nationale Aufgabe, Medikamente gegen Aids bereitzustellen - vermutlich gehörte dies zur Wahlkampagne. Es gibt aber bisher keinen Hinweis darauf, dass diese Ankündigung umgesetzt wird. Wie der South African Mail and Guardian berichtete, sind lediglich drei Provinzen - Gauteng, Westkap und eventuell Freestate - in der Lage, im nächsten Jahr freie Medikamente gegen Aids bereitzustellen. In andern Provinzen haben die Gesundheitsbehörden keinerlei Informationen darüber, wann bei ihnen die Einführung der Medikamentenbereitstellung vorgesehen sei.
Der ANC handelte 1994 das Ende der Apartheid auf der Grundlage aus, dass er sich zum Kapitalismus bekannte und die wachsende revolutionäre Bewegung der Arbeiterklasse in den Townships unterdrückte. Heute, zehn Jahre später, sind 98 Prozent der Geschäftsführer der an der Johannesburger Börse geführten Unternehmen immer noch Weiße. Nur eine winzige Elite schwarzer Superreicher hatte Erfolg, die Masse versank in tiefer Armut.
Die ANC-Politik der "wirtschaftlichen Ermächtigung der Schwarzen" verpflichtet Unternehmen dazu, einen Teil ihrer Eigentumsanteile in schwarze Hände zu geben. Teilhaberschaften und leitende Posten wurden an einflussreiche Figuren des ANC übertragen - wie anEric Molobi, der kürzlich stellvertretender Vorsitzender der Imperial Group wurde; an Patrice Motsepe, ein Rand-Milliardär, von dem es heißt, er sei eng mit Mbeki verbunden; an Cyril Ramaphosa, ehemaliger Generalsekratär des ANC, der heute in mehreren Aufsichtsräten sitzt; an Tokyo Sexwale, ehemaliger ANC-Chef in Gauteng, der jetzt Anteile am Diamantengeschäft, Immobilien und Banken besitzt. Heute sind 10 Prozent der Firmendirektoren Schwarze, während es 1994 nicht einen einzigen gab.
Die Folge dieser Politik war die Bereicherung einer kleinen Minderheit der ANC-Unterstützer. Die Mehrheit der Schwarzen lebt weiterhin in Verhältnissen wie in der Zeit der Apartheid. In der Vergangenheit behauptete der ANC stets, die Verfassung hindere ihn daran, die umfassenden ökonomischen Veränderungen umzusetzen, die notwendig seien, um die Not der Masse seiner Unterstützer zu lindern. Obwohl die überwältigende Mehrheit dem ANC das Recht für solche Veränderungen geben würde, hat der ANC der Finanzwelt im Vorhinein versprochen, dass dies nicht geschehen wird.