Imperialismus und Irak: Lehren aus der Vergangenheit

Teil 2

Dies ist der zweite Teil einer dreiteilige Artikelserie zur Geschichte des Iraks und des Imperialismus im Nahen und Mittleren Osten. Der erste Teil ist Samstag erschienen und der letzte Teil folgt morgen.

Weil Amerika darauf bestand, beschloss die Versailler Konferenz im Januar 1919, dass alle ehemaligen türkischen Provinzen unter die Aufsicht des Völkerbunds gestellt werden sollten. Sie wurden zu so genannten Mandatsgebieten der Kategorie "A", die für den internationalen Handel geöffnet waren. Zwischen 1919 und 1923 schlossen die europäischen Mächte eine Reihe von geheimen und schmutzigen Vereinbarungen untereinander, missachteten all ihre Versprechen gegenüber den Arabern und setzten ihre Herrschaft gegenüber der einheimischen Bevölkerung durch, um die Ressourcen der Region zu kontrollieren. Sie teilten im eigenen Interesse die Region in 16 kleine Staaten auf - unabhängig von geografischen, historischen, sozialen oder ökonomischen Gesichtspunkten. Dadurch spalteten sie die arabische Bevölkerung, legten die Basis für Dutzende zukünftiger territorialer Konflikte und schufen Staaten, die von sich aus nicht lebensfähig waren.

Um nur ein Beispiel in Zusammenhang mit dem Irak anzuführen: Großbritannien setzte auf der Uqair-Konferenz 1922 durch, dass die Grenzen von Irak, Kuwait und Saudi Arabien absichtlich so gezogen wurden, dass der Irak keinen richtigen Zugang zum Persischen Golf erhielt. Dadurch sollte der Einfluss des Iraks in der Region beschnitten und seine Abhängigkeit von Großbritannien vergrößert werden.

1920 regelten die imperialistischen Mächte in San Remo untereinander ihre Ansprüche auf den Nahen und Mittleren Osten und gingen dabei vor, als ob es sich um ein Kartenspiel handelte. Frankreich erhielt das Mandat für Syrien und den Libanon, während Großbritannien den Irak, Palästina und Transjordanien bekam. Sie setzten neue Währungen durch, die an den Franc und das Pfund gebunden waren, und störten dadurch die Handelsbeziehungen in der frisch aufgeteilten Region. Großbritannien und Frankreich sollten die Mandate nur für eine begrenzte Zeit behalten und nicht als Kolonialmächte agieren, sondern als Vormund von noch nicht erwachsenen Staaten, wobei der Völkerbund die Rolle des Treuhänders übernahm. Als Entschädigung für den Verlust der Provinz Mosul, die nach dem Sykes-Picot-Abkommen eigentlich an die Franzosen gehen sollte, erhielt Frankreich einen Anteil von 25 Prozent an der Turkish Petroleum Company (TPC), die die irakischen Ölvorkommen ausbeutete.

Die Russische Revolution im Oktober 1917 war ein Ereignis, das die britischen Pläne im Mittleren Osten ernsthaft unterhöhlte. Es ist kaum möglich, den Einfluss der Revolution auf die Arbeiterklasse und die Bauernschaft der ganzen Welt zu überschätzen. Sie inspirierte nicht nur die unterdrückten Massen im Osten, das Joch der Jahrhunderte währenden Unterdrückung abzuschütteln, sondern stellte auch den Hintergrund von Wilsons "Selbstbestimmungspolitik" dar. Diese setzte zwar einerseits im Interesse des amerikanischen Imperialismus den europäischen Mächten Grenzen, zumindest zum Teil zielte sie aber auch darauf, den Einfluss des Kommunismus zu beschneiden, der nicht zuletzt dadurch an Anhängern gewann, dass die Bolschewiki für die Unabhängigkeit von imperialistischer Kontrolle einstanden.

Von der Friedensvereinbarung und Präsident Woodrows Vierzehn Punkten bitter enttäuscht hatten die arabischen Nationalisten allerdings für die neue Version des Imperialismus nicht mehr übrig als für die alte. Faisal - ein Sohn von Scharif Hussein von Hejaz, der die arabische Revolte angeführt hatte, um im Gegenzug Syrien zu erhalten - ging nach Syrien zurück und erklärte 1920 die Unabhängigkeit des Landes. Die französische Armee schlug den Aufstand nieder und vertrieb Faisal.

Dieser Aufstand fachte arabische Revolten in Jerusalem und im südlichen und zentralen Irak gegen die militärische und zivile Herrschaft der Briten an. Das Besatzungsregime flog schnell auseinander und Großbritannien konnte nur durch eine massive Verstärkung der Streitkräfte, heftige Kämpfe, brutale Unterdrückung und Luftbombardements die Kontrolle wieder erlangen. Die Gesamtkosten für Großbritannien beliefen sich auf 40 Millionen Pfund. Nach britischen Schätzungen wurden 8.450 Irakis getötet oder verwundet, während die Briten auf ihrer Seite mehr als 2.000 Opfer zählten.

Ein zynischer Kommentar von Viscount Peel, einem Staatssekretär im Kriegsministerium, lässt erahnen, mit welcher Grausamkeit die Revolte abgewürgt wurde. Er sagte, er sei froh, dass die "Empfindlichen" in der Heimat so sehr von den Ereignissen in Irland abgelenkt waren, dass sie das Geschehen im Irak nicht wahrnahmen. Der Einsatz von Luftbombardements sollte zum bevorzugten Mittel werden, um die Bevölkerung zum Nachgeben zu zwingen. Der einfache Grund dafür war, dass er wesentlich billiger war, als der Unterhalt einer Bodentruppe.

Großbritannien wendet sich von der direkten Herrschaft ab und stützt sich auf Kollaborateure

Die arabische Revolte hatte gezeigt, dass die direkte Herrschaft vorrangig aus finanziellen Gründen nicht länger tragbar war. Ohne eine Regierung, die von der Bevölkerung ausreichend akzeptiert wurde, konnten keine Steuern eingetrieben werden und der Staat musste bankrott gehen - was die britischen Investitionen im Gesamtwert von 16 Millionen Pfund und die Ölfelder, die zwar noch nicht produzierten aber auf einen Wert von 50 Millionen Pfund geschätzt wurden, in ernste Gefahr brachte. Es musste eine Art Zugeständnis gemacht werden, damit sich die Bevölkerung im Osten nicht dem bolschewistischen Russland zuwandte und das britische Empire als Ganzes in Frage stellte.

Also begann Großbritannien nach einer Formel zu suchen, die das nötige Feigenblatt lieferte. Im Wesentlich lief dies auf die Suche nach einem lokalen Führer und die Förderung gesellschaftlicher Schichten hinaus, auf die man sich verlassen konnte und die die "Selbstbestimmung" so umsetzten, dass sie den Interessen Großbritanniens diente und einen tatsächlichen Kampf für nationale Unabhängigkeit verhinderte.

Die Regierung Ihrer Majestät fand schnell eine Lösung. Auf der Konferenz von Kairo wurde 1921 beschlossen, dass die Söhne von Scharif Hussein, dem ein unabhängiger arabischer Staat versprochen aber später verweigert worden war, als Marionettenkönige dienen und im Auftrage Großbritanniens herrschen sollten. Abdullah erhielt den neu geschaffenen Staat Transjordanien, während sein Bruder Faisal, der grade erst von den Franzosen aus Syrien vertrieben worden war, Londons bevorzugter Kandidat für den irakischen Thron wurde.

Man musste nur noch einen Weg finden, dies der irakischen Bevölkerung zu verkaufen. Sayyib Talib, Faisals Konkurrent für diesen Posten, wurde verhaftet und deportiert. Dadurch wurde erreicht, dass niemand anderes mehr die Stelle haben wollte. Ein inszeniertes Referendum brachte die gewünschten 96 Prozent Zustimmung für Faisal als irakischen König, und er wurde im August 1921 als Monarch eingesetzt.

Es blieb noch die Aufgabe, die britischen Beziehung zum Irak festzulegen. Obwohl das Mandat nicht aufgehoben wurde, wie Faisal forderte, gab der englisch-irakische Vertrag von Oktober 1922 dem Irak die Kontrolle über seine inneren Angelegenheiten, während Großbritannien weiterhin einen überwältigenden Einfluss auf die Finanz-, Verteidigungs- und Außenpolitik ausübte und die Regierungsberater kontrollierte. Die Vertragsbedingungen waren so offen zu Gunsten Großbritanniens - wie sich vor allem an den Verhandlungen über die Ölkonzessionen und die TPC zeigte -, dass ein Jahr unablässigen Drucks und Einschüchterung gegen den König und sein Kabinett nötig war, bis diese schließlich zustimmten. Angesichts des heftigen Widerstands der Nationalisten sollten weitere zwei Jahre Drohungen und hartes Taktieren nötig sein, um die verfassungsgebende Versammlung schließlich dazu zu bewegen, den britischen Bedingungen zuzustimmen.

Der englisch-irakische Vertrag markierte das Ende der direkten britischen Herrschaft über den Irak und den Anfang einer neuen Art von Kolonialpolitik, die auf lokalen Kollaborateuren beruhte.

Öl und Großbritanniens Vereinbarungen mit dem Irak

Auch wenn noch kein Öl gefördert wurde, stellte der Rohstoff doch zweifellos eines der Hauptinteressen Großbritanniens im Irak dar, zumal durch die Ölknappheit in der Endphase des Ersten Weltkriegs das Verlangen nach einem sicheren Zugang zu der Ressource noch verstärkt worden war. Die Nachkriegssituation brachte neue Schwierigkeiten mit sich: Deutschland war zusammengebrochen, die Türkei auseinandergefallen, Frankreich stellte rivalisierende Forderungen und Amerika verlangte Handelsfreiheit. Im darauf folgenden Kuhhandel war die irakische Bevölkerung der Verlierer.

Die wesentlichen praktischen Fragen, die Großbritannien und der Irak zu lösen hatten, waren die nach den Grenzen des irakischen Staates - vor allem der Grenze bei Mosul - und nach den Bedingungen für die Ölkonzessionen der Turkish Petroleum Company, die ursprünglich von britischen, deutschen und holländischen Kreisen gegründet worden war. Diese Fragen bildeten den oft unausgesprochenen Hintergrund für die endlosen Streitigkeiten zwischen Amerikanern, Briten, Franzosen und Italienern auf den internationalen Treffen der Nachkriegsjahre. Der Begriff Öl fiel dabei nur selten, ganz vermieden werden konnte er aber nicht, war er doch - ohne dass die Öffentlichkeit davon Kenntnis hatte - die unerlässliche Voraussetzung des Kriegs wie des Friedensabkommens.

Unter dem Abkommen von San Remo (1920) schlugen die Briten Frankreich den deutschen Anteil an der Turkish Petroleum Company (TPC) zu, damit die Franzosen im Gegenzug den Anspruch auf die Provinz Mosul abtraten. Obwohl die TPC die Konzession für Ölförderung in Mosul besaß, fand während und nach dem Krieg praktisch keine Erschließung der Ölfelder statt, weil zunächst der Ausgang des Krieges nicht sicher schien und später die Provinz Mosul umstritten blieb. Auch die Konferenz von Lausanne im Jahre 1923 konnte den Status von Mosul nicht gänzlich klären.

Großbritannien war entschlossen, die Ölfelder von Mosul in den Grenzen des Iraks zu halten, da ihre Ausbeutung in den Konzessionen der TPC eingeschlossen war und weil die Briten ihre Erschließung kontrollieren wollten. Ohne Mosul war der Irak nicht lebensfähig und die schiitische Elite im Süden hätte die herrschende sunnitische Clique zahlenmäßig überwogen. Sowohl die Türkei als auch die vorherrschende kurdische Bevölkerung von Mosul widersetzten sich den britischen Plänen. Die irakische Elite, die über keine eigene wirtschaftliche und militärische Mittel verfügte, war vollkommen von den Briten abhängig, um die Türken aus dem Land zu treiben und die Kurden zu unterwerfen. Erst ein längerer Einsatz der Königlichen Luftwaffe im Jahre 1924 brach deren Widerstand. Unter anderem bombardierten die Briten die Stadt Sulaimaniya, eine von der Türkei unterstützte kurdische Hochburg, die sich der Eingliederung in den Irak widersetzte.

Doch Großbritannien stieß auf die Ölinteressen der Vereinigten Staaten: Schließlich waren die USA nicht in den Krieg eingetreten, damit Großbritannien ihnen mit der Beute davonlief. Die britische Kontrolle über das Öl in allen Gebieten des ehemaligen Osmanischen Reiches, wie sie vor dem Krieg zwischen der Türkei und der TPC vereinbart worden war, konnten die Amerikaner nicht akzeptieren. Dies hätte der britische Marine weiterhin die Überlegenheit auf den Weltmeeren gesichert, Großbritanniens Abhängigkeit vom amerikanischen Öl gemindert und die wirtschaftliche Dominanz Amerikas über seine europäischen Rivalen in Frage gestellt.

Das US-Außenministerium, das im Interesse der amerikanischen Ölkonzerne agierte, bestand darauf, dass alle im Krieg besetzten Territorien so regiert werden mussten, dass "die rechtliche und faktische Gleichbehandlung des Handelsverkehrs aller Nationen" sicher gestellt war. Im diesem Zusammenhang bedeutete die Idee der Gleichheit nichts anderes als den Wunsch einer imperialen Macht, die Habgier der Konkurrenz unter Kontrolle zu halten. Die Vereinigten Staaten warfen Großbritannien vor, ein Monopol auf das mesopotamische Öl zu errichten, und die anglo-amerikanischen Beziehungen verschlechterten sich rapide.

Angesichts der überlegenden Wirtschaftsmacht der Vereinigten Staaten hatte Großbritannien keine Wahl, wenn es weiterhin die Kontrolle über das Öl behalten wollte: Es musste Amerika einen Teil der Kriegsbeute abtreten. Großbritannien traf eine inoffizielle Abmachung und erlaubte zwei amerikanischen Konzernen, Standard Oil und Socony Vacuum (Vorläufer von Mobil Oil), einen Anteil an der Turkisch Petroleum Company zu erwerben. Die TPC wurde bald in Iraqi Petroleum Company (IPC) umbenannt und neben den zwei britischen Konzernen waren in ihr nun auch amerikanische und französische Interessen vertreten.

Großbritannien war trotz seiner ganzen politischen Macht nicht in der Lage, die Amerikaner und Franzosen aus dem mesopotamischen Ölgeschäft auszuschließen, und verfügte nun selbst nur noch durch die Anglo-Persian Oil Company über einen Anteil an der TPC, der allerdings wesentlich geringer war als seine frühere Stellung in dem Konsortium. Großbritannien musste außerdem hinnehmen, dass die TPC nicht die Ölrechte für das ganze Gebiet des ehemaligen Osmanischen Reiches behielt, wie vor dem Krieg vereinbart, sondern sich nun auf das Territorium des Iraks zu beschränken hatte. Durch die Grenzziehung im Süden des Iraks, die auch von den imperialistischen Mächten vorgenommen wurde, waren die Amerikaner später in der Lage, Ölkonzessionen in Saudi Arabien und Bahrain zu erhalten.

Entgegen dem offensichtlichen Interesse an Öl leugneten die imperialistischen Mächte die entscheidende Rolle des Rohstoffes bei der Aufteilung des Mittleren Ostens. Der britische Außenminister und Erzimperialist Lord Curzon wies 1924 vehement den Vorwurf zurück, dass "die Frage von Mosul und Irak eine Ölspur hinter sich herzieht". Er sagte: "Öl hat in keinerlei Beziehung auch nur den geringsten Einfluss auf meine Einstellung oder die Haltung der Regierung Ihrer Majestät zu der Mosul-Frage oder der Irak-Frage oder der Frage des Orients."

Nachdem diese schmutzige Abmachung über die Köpfen der irakischen Regierung und der kurdischen Bevölkerung hinweg einmal getroffen war, stand der Eingliederung Mosuls in den Irak nichts mehr im Wege. Großbritannien hielt alle Trümpfe in der Hand, und die irakische Regierung hatte im März 1925 keine andere Möglichkeit, als ein Konzessionsabkommen mit der TPC zu unterzeichnen. Danach erhielt die TPC die Rechte zur Erschließung und Ausbeutung des Öls von Mosul zu Bedingungen, die für den Irak nicht ungünstiger hätten sein können, sobald der Völkerbund Mosul dem Irak zusprechen würde.

Im Juli desselben Jahres geschah dies unter der Voraussetzung, dass das Mandat maximal 25 Jahre, oder bis der Irak als unabhängiger Staat dem Völkerbund beitrit,t in Kraft bleibt. Sieben Monate später, 1926, hatte die verfassungsgebende Versammlung des Iraks keine andere Wahl als einem Vertrag mit Großbritannien zuzustimmen, wonach die Türkei von Schiffen der britischen Marine aus angegriffen werden würde, falls sie noch einmal in Mosul einfallen sollte. Was Großbritannien mit diesem militärischen Beistandspakt schützen wollte, war nicht die irakische Grenze sondern das Öl des Iraks.

Nach diesen Abkommen konnte endlich die kommerzielle Erschließung und Ausbeutung der Ölvorkommen beginnen. Das erste Ölfeld wurde 1927 in Kirkuk eröffnet, auch wenn erhebliche Mengen erst in den späten 1930-er Jahren gefördert wurden und eine Großproduktion nicht vor den 1950-er Jahren begann. Eine ernst zu nehmende Ölförderung und -produktion setzte somit erst ein, als Großbritannien die politische Kontrolle übernommen, die Massen bezwungen und Kollaborateure installiert hatte. Die jahrzehntelangen imperialistischen Intrigen, der Krieg und darauf folgende erneute Intrigen hatte die wirtschaftliche Nutzung der Rohstoffe der Region und damit ihre Entwicklung viel mehr gehemmt als gefördert.

Großbritannien setzt die Luftwaffe ein, um Faisal an der Macht zu halten

Die Sicherung der britischen Ölinteressen hing an Faisal und seinem Regime, das in der irakischen Bevölkerung kaum Unterstützung genoss.

Der König und seine Regierung stützten sich auf eine schmale gesellschaftliche Schicht: Die Grundbesitzer, die alten Würdenträger, führende Kaufmänner und ehemalige Offiziere des Osmanischen Militärs, die ihn und die Scheiche und Stammesführer unterstützt hatten. Die Briten vergrößerten die Macht der Scheichs, indem sie ein Rechtssystem entwickelten, das speziell auf die Stämme zugeschnitten war - eine von verschiedenen Methoden, wie sie den Spielraum der Regierung zu beschränken gedachten. Die irakische Regierung versuchte zwar, die Macht der Stammesführer zu beschneiden, merkte aber bald, dass sie sich mit ihnen zusammenschließen musste, um die Kontrolle über das Land zu wahren. In zunehmendem Maße war sie gezwungen, sich auf die Scheichs und Großgrundbesitzer zu stützen, um die staatliche Ordnung in der verschiedenen Landstrichen aufrecht zu erhalten und die Steuern einzutreiben.

Die irakischen Finanzen waren ständig in prekärem Zustand. Ein wesentlicher Grund hierfür lag darin, dass dem neuen Staat von der ersten Stunde an durch den englisch-irakischen Vertrag von 1922 ein gewaltiges Defizit aufgebürdet worden war - nach dem Vertrag mussten die Irakis für einen Teil der Schulden des Osmanischen Reiches bei den imperialistischen Mächten aufkommen. Noch wichtiger war allerdings die Forderung der Briten, dass der Irak für die militärische Ausrüstung und Operationen gegen die Türken zahlen und die Kosten des Baus einer militärisch genutzten Eisenbahnlinie übernehmen musste, die absolut keinen Wert für die wirtschaftliche Entwicklung des Iraks hatte. Schließlich verlangte Großbritannien vom Irak, dass die Regierung mindestens 25 Prozent der Staatseinnahmen für Verteidigung auszugeben hatte - ein Euphemismus für die Niederschlagung aufständischer Bevölkerungsteile, die sich gegen ihre Stammesführer und die britische Herrschaft auflehnten.

Mit anderen Worten: Der Preis, den die herrschende Clique für den Erhalt ihrer Position zu zahlen hatte, belief sich auf die Übernahme der finanziellen Kosten, die die Durchsetzung der imperialistischen Ansprüche Großbritanniens mit sich brachten. Diese Beziehung findet heute ihre Entsprechung in den Plänen der amerikanischen Regierung für den Irak, denen die Vereinten Nationen zugestimmt haben.

Die Zahlungen der irakische Regierung an die imperialistischen Mächte und vorneweg an Großbritannien sollten ermöglicht werden, indem der einfachen Bevölkerung eine enorme Steuerlast aufgebürdet wurde. Dies traf vor allem die Bauernschaft, die bereits unter dem gestörten Handel infolge der imperialistischen Aufteilung der Region und der Förderung des Großgrundbesitzes durch Großbritannien zu leiden hatte. Die Briten zogen die Schraube noch fester an, als sie von der Regierung forderten, Gehaltskürzungen bei den wenigen staatlich Beschäftigten in den Bereichen Erziehung, Gesundheit, Landwirtschaft und sogar Bewässerung vorzunehmen, um den Haushalt auszugleichen.

Die herrschende feudale Clique sah sich mit dem britischen Imperialismus auf der einen und den verarmten Bevölkerungsmassen auf der anderen Seite konfrontiert und befand sich damit zwischen Hammer und Amboss. Die wiederkehrenden Finanzkrisen führten zu ständigen Kämpfen innerhalb der herrschenden Clique. Zwischen den Jahren 1921 und 1958 gab es insgesamt 59 Kabinette, in die die jeweilige Fraktion, die gerade die Oberhand hatte, ihre entsprechenden Unterstützer einbrachte. Dass in diesen ständigen Wechseln über eine Periode von 37 Jahren nur insgesamt 166 Personen Regierungsämter besetzten, sagt viel über die extrem schmale gesellschaftliche Basis aus, auf die sich die Regierungen von Großbritanniens Marionettenstaat stützte. Der bei weitem prominenteste irakische Regierungschef war Nuri al-Said, der im Osmanischen Reich als Offizier ausgebildet worden war und im Dienst von König Faisal stand. Sein Kabinett hatte über Jahrzehnte hinweg Bestand.

Faisal und sein Regime hätten ihre Herrschaft über die aufständischen Massen nicht aufrecht erhalten können, wenn ihnen nicht das neue britische System der "Luftkontrolle" zur Verfügung gestanden hätte - die billigste und effizienteste Art, das Land zu "befrieden". Für Großbritannien hatte dies zudem den Vorteil, wie der britische Stabschef bemerkte, dass "das Gelände des Iraks einen idealen Ort zum trainieren und experimentieren für die Königliche Luftwaffe darstellt und sich sein strategischer Wert von Jahr zu Jahr vergrößern wird."

Fortsetzung - Teil 3

Siehe auch:
Imperialismus und Irak - Teil 1
(14. Juni 2003)
Imperialismus und Irak - Teil 3
(14. Juni 2003)
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